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Topische Antibiotika und Antiseptika aus infektiologischer Perspektive
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Aurélien Emmanuel Martinez
Stv. OA Infektiologie und Spitalhygiene<br> Universitätsspital Basel<br> E-Mail: aurelien.martinez@usb.ch
30
Min. Lesezeit
02.05.2019
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<p class="article-intro">Alle Wunden wie auch die intakte Haut sind mit Mikroorganismen besiedelt. Die breite Anwendung topischer Antibiotika in der Wundbehandlung macht jedoch nicht zuletzt aufgrund einer steigenden Resistenzproblematik wenig Sinn.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Zur Probengewinnung ist die Biopsie zu bevorzugen.</li> <li>Ist eine Biopsie nicht möglich, kann ein Wundabstrich (nach Débridement) auch Informationen liefern.</li> <li>Topische Antibiotika: aus infektiologischer Sicht nur für Impetigo, Ecthyma und zur S.-aureus-Dekolonisation, aber nicht zur Wundbehandlung, allenfalls können Antiseptika zur Wundbehandlung eingesetzt werden, Evidenz für einen Benefit besteht aber nicht.</li> </ul> </div> <p>Ist es einmal zu einer Infektion gekommen, kann es je nach Schwere der Infektion vorteilhaft sein, die verursachenden Mikroorganismen zu identifizieren. Ob und wie Wundabstriche zur Bestimmung der Keimbelastung genommen werden sollen, wird allerdings unterschiedlich diskutiert.</p> <h2>Oberflächliche Wundabstriche</h2> <p>Die IDSA-Guidelines<sup>1</sup> empfehlen, bei nicht infizierten Wunden keine Abstriche oder Proben zu entnehmen. Bei infizierten Wunden sollten Wundbiopsien genommen werden. Oberflächliche Wundabstriche, insbesondere ohne vorangehendes Débridement, sind zu vermeiden, da sie ungenaue Ergebnisse liefern. Grund dafür ist, dass die Haut sowieso mit Bakterien besiedelt ist und folglich eher kolonisierende Kommensalen als infizierende Keime nachgewiesen werden. <br />So wurden in einer Metaanalyse für den oberflächlichen Wundabstrich eine sehr geringe Sensitivität (49 %) und Spezifizität (62 %) verglichen mit bioptischen Kulturen nachgewiesen, wobei der Vergleich nicht ganz zulässig ist, da in dieser Arbeit die bioptischen Kulturen den Goldstandard der Probengewinnung darstellten.<sup>2</sup> <br />In einer neueren Arbeit wurden 400 Patienten mit infiziertem diabetischem Fussulkus untersucht.<sup>3</sup><br />Bei ihnen wurden die Abstriche erst nach Débridement und mit Druck und Rotation durchgeführt. Wie sich zeigte, werden mit dieser Abstrichtechnik nicht wesentlich schlechtere Ergebnisse erreicht als mit einer Biopsie. Es wurden zwar in den Biopsiekulturen mehr Erreger nachgewiesen, aber zum Teil wurden die Erreger auch dort verpasst. Gerade bezüglich der sehr relevanten Erreger <em>S. aureus</em> und <em>P. aeruginosa</em> lieferten beide Methoden gleich gute bzw. schlechte Ergebnisse. <br />Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Biopsie zu bevorzugen ist. Sollte diese nicht möglich sein, kann ein Abstrich Informationen liefern. Dieser sollte aber erst nach dem Débridement der Wunde durchgeführt werden.</p> <h2>Wie sinnvoll ist die Anwendung topischer Antibiotika?</h2> <p>Im Wesentlichen gibt es zur Anwendung topischer Antibiotika in der Dermatologie drei Cochrane-Analysen. Bei Impetigo gibt es gute Evidenz dafür, dass topische Antibiotika wie Mupirocin und Fusidinsärue gleich gut, wenn nicht sogar effektiver wirken als systemische Antibiotika.<sup>4</sup> Bei venösen Beinulzera hingegen zeigte die routinemässige Anwendung topischer Antibiotika und übrigens auch die topischer Antiseptika praktisch keinen Vorteil. In Anbetracht des zunehmenden Problems der Antibiotikaresistenz von Bakterien wurde deshalb empfohlen, für diese Indikation keine topischen Antibiotika einzusetzen.<sup>5</sup> Die relativen Auswirkungen systemischer und topischer antimikrobieller Behandlungen auf Druckgeschwüre sind ebenfalls nicht klar. Die analysierten Studien sind klein, klinisch heterogen, im Allgemeinen von kurzer Dauer und bergen ein hohes oder unklares Voreingenommenheitsrisiko. Die Qualität der Beweise reicht von mässig bis sehr gering und Beweise für alle Vergleiche sind einigen Einschränkungen unterworfen.<sup>6</sup> Aus infektiologischer Sicht ist die Anwendung topischer Antibiotika somit nur für klar umschriebene, typischerweise durch <em>S. aureus</em> verursachte Infektionen sinnvoll, etwa bei Impetigo, Ecthyma und zur <em>S.-aureus</em>-Dekolonisation.</p> <h2>Sicherer Umgang mit Antiseptika</h2> <p>Per Definition handelt es sich bei Antiseptika um Substanzen, die Bakterien und Mikroorganismen auf lebenden Oberflächen töten. Von Desinfektionsmitteln spricht man bei der Anwendung auf toten Oberflächen und von Antiinfektiva, wenn die Substanzen für die Keimtötung in lebendem Gewebe angewendet werden können (z. B. Antibiotika). <br />Bei der Wahl geeigneter Antiseptika ist zunächst auf das Wirkspektrum zu achten, d. h. welche Mikroorganismen durch die Substanz überhaupt abgetötet werden können. Des Weiteren sind die Einwirkungszeit und die Verträglichkeit des Produktes insbesondere lokal, auf der Haut bzw. der Wunde, zu berücksichtigen. Abschliessend erwähnt sei noch die Remanenz. Remanenz bei Antiseptika bedeutet, ob und wie lange das Wachstum von Mikroorganismen nach der Anwendung des Produktes verhindert wird. <br />Von den uns zur Verfügung stehenden Wirkstoffen ist Alkohol bestimmt am bekanntesten (Tab. 1). PVP-Iod tötet ein breites Spektrum an Mikroorganismen ab und wirkt sogar sporozid. Chlorhexidin ist zwar das aktuell von der WHO empfohlene Antiseptikum, gerät allerdings aufgrund seiner Zytotoxizität, Mutagenität und Neurotoxizität immer mehr in Verruf, was besonders bei breiter Anwendung relevant sein kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1901_Weblinks_jatros_kardio_1904_s35_tab1_martinez.jpg" alt="" width="550" height="291" /></p></p>
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<p><strong>1</strong> Lipsky BA et al.: 2012 Infectious Diseases Society of America clinical practice guideline for the diagnosis and treatment of diabetic foot infections. Clin Infect Dis 2012; 54(12): e132-73 <strong>2</strong> Chakraborti C et al.: Sensitivity of superficial cultures in lower extremity wounds. J Hosp Med 2010; 5(7): 415-20 <strong>3</strong> Nelson A et al.: CODIFI (Concordance in Diabetic Foot Ulcer Infection): a cross-sectional study of wound swab versus tissue sampling in infected diabetic foot ulcers in England. BMJ Open 2018; 8(1): e019437 <strong>4</strong> Koning S et al.: Interventions for impetigo. Cochrane Database Syst Rev 2012; 1: CD003261 <strong>5</strong> O'Meara S et al.: Antibiotics and antiseptics for venous leg ulcers. Cochrane Database Syst Rev 2014; (1): CD003557 <strong>6</strong> Norman G et al.: Antibiotics and antiseptics for pressure ulcers. Cochrane Database Syst Rev 2016; 4: CD011586</p>
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