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STD – Prävention und Compliance sind wichtige Faktoren
Jatros
30
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14.03.2019
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<p class="article-intro">Diagnose, Screening, Risikoassessment, Verhaltensintervention, Schutzmaßnahmen, Partnernotifikation und Impfung – zahlreiche Faktoren spielen in der Prävention von STD („sexually transmitted diseases“) eine Rolle. Einen wichtigen Stellenwert in der modernen HIV-Therapie nehmen die postexpositionelle Prophylaxe (PEP) und die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) ein.</p>
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<p class="article-content"><p>Ein STD-Screening sollte immer in einem Paket durchgeführt werden: Chlamydien und Gonorrhö mittels NAAT (Nucleic Acid Amplification Technology), Syphilis (TPPA), HIV (HIV-1/2-Ag/Ak-ELISA), Hepatitis B (HBs-Ak, HBc-Ak, HBs- Ag), Hepatitis C (HCV-Ak; gegebenenfalls HCV-RNA) und Hepatitis A bei MSM („men who have sex with men“). „Bei Nichtabheilung einer Urethritis sollte auch an Trichomonaden oder an ein Mycoplasma genitalium gedacht werden“, erklärte OA Dr. Martin Gisinger, HIV-Ambulanz der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Innsbruck.</p> <h2>Partnernotifikation – Unterbrechung der Infektionskette</h2> <p>Nach den Therapieleitlinien 2018 (www.oegstd.at) der Österreichischen Gesellschaft für STD und dermatologische Mikrobiologie (ÖGSTD) sollten nach der Diagnose einer Gonorrhö alle Partner der letzten 60 Tage standardmäßig mit Ceftriaxon (500mg i.m./i.v.) plus Azithromycin (1,5g p.o. „single dose“) behandelt werden. Ebenfalls alle Partner der letzten 60 Tage (aufgrund eines Graubereiches Ausweitung auf bis zu sechs Monate) sind bei einer Infektion mit Chlamydien einzuschließen. Die Erstlinienpartnerbehandlung bei Serovar A-K ist hier Azithromycin (1g p.o. „single dose“) oder Doxycyclin (2x 100mg für 7 Tage). Bei den Chlamydia L1–3 ist Doxycyclin (2x 100mg für 7 Tage) die Therapie der Wahl. Bei einem asymptomatischen Verlauf ist auch die Gabe von Azithromycin (1,5g „single dose“ 3x im wöchentlichen Abstand) möglich.<br /> Bei Syphilis sollten alle Partner der letzten 90 Tage Benzathin-Penicillin G (2,4 Mio. E. i.m.) erhalten. Bei Mycoplasma genitalium wird Azithromycin (500mg an Tag 1, anschließend 250mg von Tag 2 bis 5) verabreicht, alternativ Moxifloxacin (1x 400mg für 7–10 Tage). Die Behandlung einer Trichomoniasis erfolgt nach wie vor mit Metronidazol (2g p.o. als Einzeldosis).<sup>1</sup> „Im Gegensatz zu einer bakteriellen Vaginose und Candida müssen bei der Trichomoniasis auch die aktuellen Partner gescreent bzw. behandelt werden“, sagte Gisinger. Bei einer Hepatitis B sollte ein Screening auf Suszeptibilität erfolgen; falls positiv, ist die Behandlung mit Hyperimmunglobulin plus Impfung indiziert. Eine Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) wird neben einer empirischen, einmaligen antibiotischen STD-Behandlung nach einer Vergewaltigung empfohlen.<br /> Neben HIV-Beratung, STD-Testung und Verhaltensinterventionen (z.B. Reduktion der Sexualpartner, Kondome) gilt als Grundpfeiler zur Verhinderung einer HIVÜbertragung die „HIV-Therapie als Prävention“. 2018 veröffentlichte die IAS (International AIDS Society) die Formel U=U („undetectable means untransmittable“): Eine Person, die mit HIV lebt und eine nicht nachweisbare Viruslast aufweist, überträgt das Virus nicht auf ihre Partner. Dies konnte unter anderem durch die PARTNER-Studie<sup>2</sup>, an der auch drei österreichische dermatologische Zentren beteiligt waren, belegt werden.</p> <h2>Postexpositionelle Prophylaxe (PEP)</h2> <p>Während eine PrEP die Gabe von antiretroviralen Medikamenten vor der HIVExposition beinhaltet, sollte nach einer HIV-Exposition so schnell wie möglich (72h-Zeitfenster) eine PEP in Form einer antiretroviralen Kombinationstherapie verabreicht werden, um das Risiko einer HIV-Infektion noch einmal zu reduzieren. Verabreicht wird Tenofovir-DF/Emtricitabin (245/200mg 1x) plus Raltegravir (400mg 2x 1 oder 600mg 1x 2) oder alternativ plus Dolutegravir (50mg 1x 1). „Vor Beginn einer Dolutegravir- Einnahme sollte bei Frauen im gebärfähigen Alter wegen der Gefahr eines Neuralrohrdefekts ein Schwangerschaftstest durchgeführt und eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden“, so Gisinger.<br /> Wenn das Virus nicht nachweisbar ist, ist eine HIV-PEP nach nicht beruflicher Exposition nicht notwendig. Ist beim Partner HIV nachweisbar, wird sie beim analen (MSM und Hetero) und beim vaginalen Sex empfohlen. Zusätzlich sollte eine HIV-PrEP-Beratung erwogen werden. Bei unbekanntem Serostatus der Quelle kann PEP angeboten werden, vor allem wenn die Quelle aus einem Hochprävalenzland (z.B. Subsahara-Afrika) stammt. Ebenso empfohlen wird eine PEP beim Nadeltausch bei Drogenkonsum bzw. wenn es durch die Nadel nachweislich durch eine tiefe perkutane Verletzung zu einem HIVKontakt kommt. Laut der österreichischen „Nadelstichverordnung“ (NastV) 2013 ist bei einer Nadelstichverletzung „niemals davon auszugehen, dass kein Risiko besteht“.<br /> Im Jahr 2018 wurden etwa 170 nicht berufliche PEP verschrieben, wobei die überwiegende Mehrheit der Patienten unter 50 Jahren alt war, wie aus den Daten der AHIVCOS (Austrian HIV Cohort Study) ersichtlich ist.<sup>3</sup></p> <h2>PrEP – Präexpositionsprophylaxe</h2> <p>Eine PrEP haben 2018 (Stand 10/2018) fünf Frauen und 224 Männer erhalten (AHIVCOS). Für die PrEP ist eine kontinuierliche tägliche Einnahme von TDF/FTC (Tenofovir-DF/Emtricitabin) notwendig. Für die Gruppe der MSM gibt es auch die Möglichkeit, die Medikation „on demand“ zu nehmen (2–24 Stunden vor dem Kontakt zwei Tabletten mit fortlaufender Einnahme einer Tablette bis zwei Tage nach dem Kontakt). „In den Zulassungsstudien wurde der Nachweis erbracht, dass die PrEP, wenn sie adhärent eingenommen wird – messbar durch ausreichende Medikamentenspiegel im Plasma –, auch effektiv wirkt“, sagte Gisinger.<br /> Als Kandidaten gelten Männer wie Frauen mit einem unbehandelten HIV-positiven Sexualpartner, mit kürzlich behandelten bakteriellen STD, mit einer hohen Anzahl von Sexualpartnern, inkonsequentem oder keinem Kondomgebrauch, in kommerzieller Sexarbeit bzw. aus einem Hochprävalenzgebiet oder Netzwerk (z.B. in einem MSM-Umfeld in Großstädten) stammend sowie die Gruppe der PWID („people who inject drugs“), die sich ihre Injektionsausrüstung teilen. Hinweise, dass es mit der Einführung der PrEP generell zu einer Zunahme von STD (vor allem anale Chlamydieninfektionen) kommt, gab eine jüngst veröffentlichte Metaanalyse (n=4388). Die Autoren diskutieren das im Zusammenhang mit einem verminderten Gebrauch von Kondomen.<sup>4</sup> „Entscheidend für den Erfolg einer PrEP ist auch hier die Adhärenz“, so Gisinger.</p> <h2>Urethritis</h2> <p>Eine Urethritis ist eine Schleimhautentzündung der Harnröhre mit den Symptomen einer Algurie, eitrigem Ausfluss und Dysurie. Im Abstrich zeigt sich ein Überschuss an polymorphonukleären Leukozyten (PMNL). Bei der Gonokokkenurethritis ist der Krankheitserreger Neisseria gonorrhoeae, bei der Nichtgonokokkenurethritis (NGU) sind es vor allem Chlamydia trachomatis (Serotypen D–K) und Mycoplasma (Ureaplasma urealyticum, Mycoplasma genitalium).<br /> State of the Art in der Detektion von Neisseria gonorrhoeae und Chlamydia trachomatis (Ct) ist der NAAT-Test. Die Chlamydienserologie spielt wegen zu geringer Sensitivität bei der Diagnostik einer Urethritis keine Rolle.<sup>5</sup> Ein „test of cure“ (TOC) ist frühestens nach drei Wochen sinnvoll.<sup>6</sup><br /> Besonders beliebt bei asymptomatischen, jüngeren und heterosexuellen Frauen und Männern ist der einfache Home Test. Die Ergebnisse der Chlamydien- und Gonokokkendiagnosen sind mit den Tests im klinischen Setting vergleichbar.<sup>7</sup> Trotz NAAT ist auch die Gram-Färbung ein wichtiger Bestandteil der Diagnose, speziell bei der „High cut-off“-Urethritis (≥10 PMNL/HPF – mehr als 10 polymorphonukleäre Leukozyten pro „high power field“), womit es zu einer verbesserten Diagnosestellung als nur mit Anamnese und Klinik kommt.<sup>8</sup><br /> Die empfohlene Therapie bei der Chlamydieninfektion des Erwachsenen ist nach den Therapierichtlinien neu: Doxycyclin (100mg/2x täglich/7 Tage p.o., KI Schwangerschaft) oder Azithromycin (1g als ED p.o.), bei Koinfektion mit M. genitalium: Tag 1 Azithromycin 500mg, Tag 2–5 täglich 230mg. Bei der rektalen Chlamydieninfektion wird Doxycyclin bevorzugt empfohlen. Der Nutzen einer Mitbehandlung der Partner ist aufgrund von Resistenzentwicklungen fraglich. In einer Untersuchung konnte gezeigt werden, dass zwei Drittel unnötig mit Azithromycin behandelt wurden.<sup>9</sup></p> <h2>Doxycyclin vs. Azithromycin</h2> <p>Generell ist die Rate an persistierenden Infektionen sowohl bei Männern als auch bei Frauen hoch. Eine Studie bei Frauen mit urogenitaler Chlamydia trachomatis konnte zeigen, dass Doxycyclin besser als Azithromycin abschneidet (6,7 % vs. 4,7 % ).<sup>10</sup> Eine Metaanalyse für genitale Chlamydieninfektionen konnte das auf einem sehr hohen Level (97 % vs. 94 % ) bestätigen.<sup>11</sup> Insbesondere bei anorektaler Ct schneidet Doxycyclin besser ab (99,6 % vs. 82,9 % ) und wird deshalb als Erstlinientherapie empfohlen.<sup>12</sup> „Aufgrund des klinischen Verlaufs – mehr als 50 Prozent der Patienten sind asymptomatisch – wäre natürlich eine Impfung gegen Chlamydia trachomatis wünschenswert, Studien sind jedoch noch nicht über das präklinische Stadium hinausgekommen“, erklärte Dr. Georg Stary, Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Wien.</p> <h2>Gonorrhö und Neisseria meningitidis</h2> <p>Gegen verschiedene Medikamentenklassen, die früher als Therapie eingesetzt wurden, bestehen heute Resistenzen. „Auch bei Azithromycin gibt es bereits einen Resistenznachweis, der derzeit bei etwa fünf Prozent liegt“, so Stary. In einer 2017 im „Lancet“ publizierten, neuseeländischen Studie<sup>13</sup> wurde die Hoffnung genährt, dass man sich des Problems mit multiplen Resistenzen durch eine wirksame Impfung entledigen könnte: Von 1430 Patienten, die eine Meningokokkenimpfung erhielten, waren 31 auch geschützt vor einer Gonokokkeninfektion. „Da es sich lediglich um eine retrospektive Untersuchung handelt, sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen“, erklärte Stary.<br /> Die Therapie der Wahl ist laut den neuen Leitlinien zur Therapie der klassischen Geschlechtskrankheiten und „sexually transmitted infections“ der Österreichischen Gesellschaft für STD und dermatologische Mikrobiologie die Kombination von Ceftriaxon (500mg i.m. oder i.v. ED) plus Azithromycin (1,5g oral ED).<br /> Dass Meningokokken die Urethra besiedeln können, ist seit über 40 Jahren bekannt.<sup>14</sup> Neu ist, dass immer wieder Ausbrüche von großen, durch Meningokokken verursachten Clustern berichtet werden, die mit MSM assoziiert sind. Auch der Anstieg bei Gonorrhö ist vor allem auf diese Gruppe zurückzuführen. „MSM mit Syphilis bzw. Gonorrhö sollten auch spezialisierten Zentren zugewiesen werden“, so Stary.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie
und Venerologie (ÖGDV), 29. November bis
1. Dezember 2018, Innsbruck
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<p class="article-footer">
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<p><strong>1</strong> Sherrard J et al.: Int J STD AIDS 2011; 22(8): 421-9 <strong>2</strong> Rodger AJ et al.: JAMA 2016; 316(2): 171-81 <strong>3</strong> Leierer G et al.: PLoS One 2015; 10(11): e0142923 <strong>4</strong> Traeger MW et al.: Clin Infect Dis 2018; 67(5): 676-86 <strong>5</strong> Woodhall SC et al.: Lancet Infect Dis 2018; 18(12): e399-e407 <strong>6</strong> van der Helm JJ et al.: Sex Transm Dis 2018; 45(2): 132-7 <strong>7</strong> Banerjee P et al.: Int J STD AIDS 2018; 29(10): 974-9 <strong>8</strong> Randjelovic I et al.: Infect Dis Obstet Gynecol 2018; 2018: 8236575 <strong>9</strong> van Aar F et al.: Sex Transm Infect 2018; 94(8): 619-21 <strong>10</strong> Khosropour CM et al.: Sex Transm Dis 2018; 45(5): 319-24 <strong>11</strong> Kong FY et al.: Clin Infect Dis 2014; 59(2): 193-205 <strong>12</strong> Kong FY et al.: J Antimicrob Chemother 2015; 70(5): 1290-7 <strong>13</strong> Petousis-Harris H et al.: Lancet 2017; 390(10102): P1603-1610 <strong>14</strong> Givan KF et al.: Br J Vener Dis 1977; 53(2): 109-12</p>
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