
SARS-CoV-2 und Covid-19: dermatologische Aspekte
A für Haut- und Geschlechtskrankheiten,<br>Vorstand der Abteilung für Dermatologie und<br>Venerologie<br>Landesklinikum Wiener Neustadt<br>E-Mail: robert.muellegger@wienerneustadt.lknoe.at
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Bis November 2020 wurden über 73000 Artikel zum Thema Covid-19 publiziert, über 1000 zum Thema „Covid-19 bzw. SARS-CoV-2 und Haut“. In diesem Artikel werden dermatologische Manifestationen im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion bzw. Covid-19-Erkrankung behandelt. Weiters wird der Umgang mit immunmodulierenden Systemtherapien dermatologischer Erkrankungen zur Zeit der Pandemie besprochen.
Dermatologische Manifestationen bei Covid-19
Bei über 1000 in der Literatur berichteten Covid-19-Patienten aus mehr als 30 Ländern sind vielfältige Hautveränderungen beschrieben worden. Die Publikationen umfassen retrospektive Studien, kleinere Patientenserien und zahlreiche Fallberichte. In die bislang umfassendste Sammlung, die in Kooperation zwischen der American Academy of Dermatology (AAD) und der International League of Dermatological Societies (ILDS) erstellt wurde, sind bisher 716 Patienten inkludiert. Hier fällt wie in der übrigen Literatur auf, dass die Infektion bei weniger als der Hälfte der Patienten labormäßig bestätigt war. In der AAD-ILDS-Datenbank sind es 171 Patienten. Der vorliegende Artikel bezieht sich im Wesentlichen auf diese Daten sowie die übrigen größeren Patientenkollektive.
Die Prävalenz von Hauterscheinungen bei Covid-19-Patienten wird zwischen 0,2% (China) und 20% (Italien) angegeben und dürfte generell bei 1–2% liegen. Folgende Charakteristika treffen überblicksmäßig zu:
Die Hautveränderungen können zu jedem Zeitpunkt der Erkrankung auftreten, jedoch bei der Majorität der Patienten erst im späteren Verlauf der Infektion oder danach.
Das klinische Bild ist äußerst vielgestaltig und unspezifisch wie bei vielen anderen Virusinfektionen. Nur wenige Prozent der Patienten zeigen eine Mischung verschiedener Morphen. Mundschleimhaut und Konjunktiven sind nur in Einzelfällen beteiligt.
Obwohl meist kein längeres Follow-up berichtet ist, scheinen die Hautveränderungen meist in wenigen Tagen bis Wochen abzuheilen.
Bei weniger als 10% der Patienten stellen Hautveränderungen die einzige Manifestation der Infektion dar. Bei der Vielzahl von berichteten Hauterscheinungen muss bei ihrer teilweise hohen Prävalenz in der Bevölkerung bei fehlender infektiologischer Bestätigung kritisch angemerkt werden, dass auch die Möglichkeit einer reinen Koinzidenz besteht.
Die häufigsten extrakutanen Symptome bei bestehenden Hautveränderungen sind zu je ca. 60% Fieber und Husten. Drei oder mehr Symptome finden sich bei 55–75% aller dermatologischen Covid-Patienten.
Im Wesentlichen kann zwischen exanthematischen und vaskulären Veränderungen unterschieden werden. Die exanthematischen Hautveränderungen können makulär/morbilliform, papulosquamös, urtikariell oder vesikulös sein. Auch Morbus-Grover-artige Ausschläge sind beschrieben (Abb. 1). Die vaskulären Veränderungen umfassen Pernio-artige Erscheinungen, verschiedene Formen von Livedo, die retiforme Purpura und Vaskulitiden.

Abb. 1: Klinisch und histopathologisch Morbus Grover bei einem 62-jährigen Patienten wenige Tage nach Beginn einer Covid-19-Pneumonie
Weiters sind zahllose äußerst unterschiedliche Hauterkrankungen in Fallberichten und kleinen Serien in Assoziation zu Covid-19 gebracht worden. Die (unvollständige) Liste umfasst: periorbitale Dyschromie (sehr frühes Zeichen), unilaterales laterothorakales Exanthem, Pityriasis rosea, sarkoidale Granulome, Urtikariavaskulitis, atypisches Sweet-Syndrom, Erythema-exsudativum-multiforme-artige Hautveränderungen, Bullae der unteren Extremitäten und Ulcus vulvae acutum. Für welche der Erkrankungen sich noch belastbare Beweise für eine kausale Beziehung zu Covid-19 ergeben werden, ist offen. Es zeichnet sich ab, dass am ehesten vesikulöse Exantheme und Pernio-artige Veränderungen mit Covid-19-Erkrankungen assoziiert sind.
Exantheme im Rahmen von Covid-19
Vesikuläre Exantheme
Sie machen bis zu 15% aller assoziierten Hautveränderungen aus und treffen Patienten mittleren bis höheren Alters mit meist intermediärem Schweregrad der Erkrankung. Das Exanthem beginnt bei zwei Drittel der Erkrankten zwischen 3 und 14 Tagen nach den extrakutanen Symptomen, selten davor. Es ist grundsätzlich stammbetont, Extremitäten und Gesicht können ebenfalls betroffen sein. Eine seltenere Verteilungsvariante erinnert an die Hand-Fuß-Mund-Krankheit. Morphologisch zeigen sich monomorphe disseminierte nicht gedellte Bläschen auf 3–4mm haltenden Papeln, different zu Varizellen. Der ursprüngliche Begriff „varizelliform“ ist unzutreffend. Pruritus bis Brennen begleiten das Exanthem bei zwei Dritteln der Patienten. Bis zur Abheilung vergehen 10–12 Tage.
Weitere Exanthemformen
Makulopapulöse Exantheme, die etwa 45% aller Covid-19-assoziierten Hautveränderungen ausmachen, betreffen Erwachsene jeden Alters. Sie sind mit einer schwereren extrakutanen Symptomatik vor allem bei älteren Patienten verbunden (Mortalität 2%). Das Exanthem tritt meist nach bis gleichzeitig mit den extrakutanen Symptomen auf und ist stammbetont, die Extremitäten sind mitbeteiligt (gelegentlich Akzentuierung in Ellenbogen und Achselfalten). Das Gesicht ist in über 20% der Fälle betroffen. Es imponieren unterschiedlich große Maculae, ähnlich wie bei anderen Virusexanthemen, am ehesten ist die Morphe morbilliform. Konfluenz, papulosquamöse Ausformung (Abb. 2) und manchmal perifollikuläre Akzentuierung kommen vor. Über Pruritus wird von den meisten Patienten geklagt. Das Exanthem verschwindet binnen 3–10 Tagen.

Abb. 2: Papulosquamöses Exanthem bei einem 70-jährigen Covid-19-Patienten mit Pneumonie und Nierenbeteiligung
Urtikarielle und purpurische Exantheme
Weitere Exanthemformen umfassen eine urtikarielle Ausprägung (bis 19%) und petechial-purpurische Formen (ca. 7%). Betroffen sind Erwachsene mittleren bis höheren Alters mit schwererer Erkrankung. Insbesondere bei den purpurischen Exanthemen beträgt die Hospitalisierungsrate 100%, mehr als 80% der Patienten erleiden ein „acute respiratory distress syndrome“. Die Exantheme treten meist nach den extrakutanen Symptomen auf. Während die urtikariellen Formen vor allem den Stamm, aber auch Gesicht und Extremitäten betreffen, kommen die purpurischen vor allem an Gesäß und Extremitäten vor. Letztere umfassen ein großes Spektrum. Als typisch wird die retiforme Purpura mit Beugenbetonung beschrieben. Auch Dengue-fieberartige Exantheme wurden beobachtet. Pruritus bis Brennen ist fast obligat.
Fazit
Covid-19-assoziierte Exantheme sind sehr vielgestaltig (breites Spektrum an Reaktionsmustern der Haut) und treten erst spät oder nach den extrakutanen Symptomen auf. Sie betreffen vorwiegend Erwachsene, sind von kurzer Dauer und jucken oft. Eine Assoziation zu einer schweren Covid-19-Erkrankung besteht vor allem bei den purpurischen Formen. Wichtig ist die Differenzierung von Arzneiexanthemen durch Medikamente, die bei der Erkrankung eingesetzt werden (z.B. Hydroxychloroquin, Azithromycin, „non-steroidal anti-inflammatory drugs“ [NSAID] etc.). Eine Covid-19-Erkrankung sollte als eine mögliche Ursache der beschriebenen Exanthemformen in Betracht gezogen werden!
Vaskuläre Veränderungen
Akrale Pernio-artige Dermatose (Pseudo-Chilblain, Covid-Zehen)
Das Phänomen der Covid-Zehen wurde schon einige Wochen nach Beginn der Pandemie erstmals beschrieben. Mittlerweile sind mehrere 100 Fälle dokumentiert, alleine in der AAD-ILDS-Datenbank mehr als 300. Die Covid-Zehen machen 20–40% aller assoziierten Hautveränderungen aus. Klinisch sieht man oft asymmetrische, hellrote bis livide Plaques (manchmal Knoten oder Papeln) bei über 80% an einer bis mehreren Zehen vor allem dorsal, manchmal an Fußrücken oder Fersen/Plantae und/oder seltener den Fingern (Abb. 3), eventuell Palmae und Handgelenken. Manchmal bilden sich Vesikel bis Blasen oder Petechien aus. Die Stellen sind subjektiv zu je etwa einem Viertel symptomlos, pruritisch, dolent oder beides. Auch wenn jedes Lebensalter betroffen sein kann, sind die Patienten typischerweise jung (Kinder, Adoleszente, junge Erwachsene). Die Patienten haben in der Regel sonst keine oder sehr milde Symptome (Fieber, Husten). Mehr als drei extrakutane Symptome kommen bei weniger als einem Drittel der Patienten vor. Dies spiegelt sich in einer signifikant niedrigeren Rate an Pneumonien, Aufnahmen auf einer Intensivstation und Tod verglichen mit den Exanthemen wider. Die Pernio-artigen Veränderungen treten erst im Verlauf, durchschnittlich 9–14 Tage nach der (suspizierten) Infektion bzw. ersten Symptomen auf. Kapillarmikroskopisch findet man ein perikapilläres Ödem, dilatierte und abnormale Kapillaren sowie Mikrohämorrhagien. Auflichtmikroskopisch sind neben einer (meist roten) Hintergrundfärbung rote bis purpurische kleine Globuli und ein peripheres graubraunes Netzwerk beschrieben. Die Abheilung nimmt 8–28 Tage (Durchschnitt 14 Tage) in Anspruch. Eine Therapie (topisches Kortikoid und Analgetika) ist nur bei starker Inflammation, Juckreiz oder Schmerzen notwendig. Bei längerer Persistenz von Schmerzen können Nitroglyzerinpräparate eingesetzt werden. Differenzialdiagnostisch ist an Perniones, Chilblain-Lupus, Paronychien und Vaskulitis zu denken.
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Abb. 3: Pernio-artige Dermatose bei einem 25-jährigen Mann mit PCR(Polymerasekettenreaktion)-positivem Nasen-Rachen-Abstrich, Fieber und Fatigue
Bemerkenswert ist, dass eine SARS-CoV-2-Infektion bei diesen Patienten mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) und/oder Serologie nur in 15 bis maximal 30% der Fälle bestätigt wird, am ehesten durch IgM- oder IgA-Antikörper. Hierzu wird hypothetisiert, dass aufgrund der milden Erkrankung die Abstrichuntersuchung zum Zeitpunkt des Auftretens der Hautveränderungen schon wieder negativ ist und die Antikörperantwort nur niedrigtitrig war oder überhaupt ausgeblieben ist. Zugrunde läge eine frühe und starke Produktion von Typ-I-Interferon, welche wesentlich für die Virusabwehr ist und andererseits ein Pernio-Reaktionsmuster hervorrufen kann (Theorie der effektiven frühen Immunantwort). Auch eine Kreuzprotektion durch frühere andere Coronaviruserkrankungen („Erkältung“) und eine suffiziente IgA-Aktion in den Schleimhäuten werden ins Treffen geführt. Angesichts des häufig ausbleibenden spezifischen Infektionsnachweises ist die Frage angebracht, ob zwischen der akralen Pernio-artigen Dermatose und einer SARS-CoV-2-Infektion ein kausaler Zusammenhang oder nur eine Koinzidenz besteht. Auffällig ist zumindest die außergewöhnliche („epidemische“) Clusterung der Fälle in Verbindung zur Pandemie sowie (im Unterschied zu Perniones) das Auftreten zu jeder Jahreszeit bzw. ohne vorherige Kälteexposition. Jedenfalls sollten frühere Episoden von Perniones und ein Raynaud-Syndrom ausgeschlossen sein.
Histopathologisch imponiert ein superfizielles und tiefes, unterschiedlich dichtes, dermales perivaskuläres und periekkrines Infiltrat, manchmal in bandartiger Anordnung. Es besteht vornehmlich aus Lymphozyten (CD3+/CD4+), beigemengt sind Eosinophile, CD303+ („blood dendritic cell antigen 2“, BDCA-2) plasmazytoide dendritische Zellen und CD30+ aktivierte Lymphozyten. Epidermotropismus und Follikulotropie kommen vor. Basale Vakuolisierung und ein Ödem der papillären Dermis sind häufig. Auffallend sind
dilatierte Gefäße mit Endothelzellschwellung (Endothelitis) sowie teilweise Mikrothromben und Fibrinablagerungen in dermalen Venolen. In der direkten Immunfluoreszenz finden sich vaskuläre Ablagerungen von IgM, IgA und C3. Die Histopathologie suggeriert, dass den Veränderungen sowohl eine Vaskulitis zugrunde liegen dürfte als auch Embolien und Thrombusbildungen im Rahmen der Covid-typischen Gerinnungsstörung. Das infektiöse Agens SARS-CoV-2 wurde immunhistochemisch und mit Elektronenmikroskopie in Endothelzellen von Hautbiopsien nachgewiesen. Immer wieder werden positive antinukleäre (ANA) und Antiphospholipid-IgM-Antikörper gefunden, sodass auch ein bislang nicht detektierter Autoimmunmechanismus als pathogenetisches Moment infrage kommt.
Seltene Berichte gibt es auch zum Auftreten des roten Halbmondzeichens, eines livid-roten Bandes über der Lunula an den Fingern. Dieses tritt rasch nach Symptombeginn von Covid-19 auf und besteht etwa eine Woche. Zugrunde liegen mutmaßlich eine Vaskulitis und Hyperkoagulabilität im Bereich des distalen subungualen Kapillarplexus.
Fazit
Bei Pernio-artigen akralen Hautveränderungen ohne andere Ursache müssen eine PCR-Untersuchung auf SARS-CoV-2 und Selbst-Quarantäne erwogen werden, um eine Weiterverbreitung der Infektion durch die ansonsten asymptomatischen bis mild symptomatischen Patienten zu vermeiden.
Livedo, Nekrosen
Livedo und akrale Ischämien der Extremitäten machen 10% aller im Rahmen von Covid-19 auftretenden Hautveränderungen aus und betreffen ältere Erwachsene. Beschrieben sind u.a. Livedo racemosa und eine transiente unilaterale Livedo reticularis. Die Hautveränderungen treten gleichzeitig mit oder retardiert im Verlauf der extrakutanen Symptome auf, die üblicherweise schwer sind (Mortalität 10%). Zugrunde liegt eine multifaktorielle Gerinnungsstörung, die sich bei kritisch Kranken mit Mikrothromben auf die Haut erstrecken kann („low-grade“ disseminierte intravaskuläre Koagulopathie). Es besteht kaum Inflammation trotz starker Komplementaktivierung. Insbesondere bei einer vorbestehenden peripheren artieriellen Verschlusskrankheit (PAVK) können die akralen Ischämien zu katastrophalen Nekrosen an Füßen und Unterschenkeln führen (trockene Gangrän).
„Pediatric multisystem inflammatory syndrome“ („SARS-CoV-2-related inflammatory syndrome“, „Kawasaki-like shock syndrome“)
Dieses Syndrom, von dem derzeit mindestens 600 Fälle aus Europa und den USA berichtet sind, hat große Aufmerksamkeit in den Medien hervorgerufen. Es handelt sich um eine überschießende/hyperinflammatorische Immunreaktion auf eine SARS-CoV-2-Infektion. Zwar bestehen einerseits Ähnlichkeiten zum Kawasaki-Syndrom und andererseits zum toxischen Schocksyndrom, mutmaßlich dürfte es dennoch ein eigenständiges Krankheitsbild sein. Betroffen sind vorwiegend Kinder und Teenager, das Durchschnittsalter liegt bei 8 Jahren (2 Wochen bis 20 Jahre) und somit höher als beim Kawasaki-Syndrom. Es sind auch Fälle bei jungen Erwachsenen dokumentiert. Die Krankheit ist schwerwiegend bis manchmal lebensbedrohend und betrifft in der Regel Menschen ohne Grunderkrankungen, nur Obesitas ist gehäuft. Die SARS-CoV-2-RT(„reverse transcriptase“)-PCR und/oder -Serologie sind fast ausnahmslos positiv. Vier oder mehr Organe sind bei fast 90% der Patienten betroffen, wobei vonseiten der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) eine Unterscheidung in Klasse I bis III getroffen wird. Ein Drittel der Patienten fällt in Klasse I, bei der eine kardiovaskuläre und gastrointestinale Beteiligung im Vordergrund steht. Ein weiteres Drittel ist der Klasse II zuzuordnen mit vordergründig respiratorischem Befall. Schließlich ist die Klasse III durch ein Exanthem bei über 60% der Fälle und Schleimhautveränderungen bei fast der Hälfte sowie seltener Koronararterienaneurysmen gekennzeichnet. Diese Klasse ist weniger schwerwiegend und am ehesten mit dem Kawasaki-Syndrom zu verwechseln.
Generell kommt es bei dem Syndrom zu kardialer Dysfunktion, Schock, Myokarditis, Koronararteriendilatation oder Aneurysma, Nierenschädigung, Pleura- und Perikarderguss sowie Aszites. Die Rate an Intensivstationaufnahmen liegt bei über 50%, die Mortalität bei 2%. Das klinische Bild ist durch die hauptsächliche Organmanifestation geprägt. Alle Patienten haben (persistierend) hohes Fieber und Bauchschmerzen, Erbrechen und
Diarrhö, weiters respiratorische Symptome und generalisierte Extremitätenschmerzen. Mukokutane Erscheinungen umfassen verschiedene Exantheme, palmare Ödeme, Konjunktivitis, Cheilitis, Stomatitis und Glossitis. Gegenüber dem Kawasaki-Syndrom besteht offenbar
eine stärkere Inflammation/Vaskulitis und stärkere myokardiale Beteiligung, es kommt häufiger zum Schock. „C-reactive protein“(CRP)- und Ferritin-Erhöhung sowie Neutrophilie und Lymphopenie sind ebenfalls ausgeprägter, ferner finden sich eine „Brain natiuretic peptide“(BNP)- und Troponin-Erhöhung. Die Unterscheidung vom Kawasaki-Syndrom ist aufgrund der unterschiedlichen therapeutischen Konsequenzen wichtig (intravenöses Immunglobulin und Aspirin beim Kawasaki-Syndrom versus Methylprednisolon und Zytokin-Inhibitoren wie Tocilizumab beim pädiatrischen multisystemischen Inflammationssyndrom).
Fazit
Ein neues Syndrom mit Ähnlichkeiten zum Kawasaki-Syndrom und dem toxischen Schocksyndrom ist im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion möglich. Die Testung auf das Virus ist beim Auftreten der entsprechenden Symptome unbedingt angezeigt.
Umgang mit antiinflammatorischen Systemtherapien
Die Entwicklung dieses Themas schreitet rasch voran. Dennoch existieren derzeit keine zuverlässigen Daten aus kontrollierten Untersuchungen zu einem erhöhten Risiko für den Erwerb einer SARS-CoV-2- Infektion oder einen komplikativen Verlauf einer Covid-19-Erkrankung bei Patienten unter einer systemischen antiinflammatorischen/immunmodulierenden Therapie. Aus den grundlegenden Kenntnissen und bisherigen Erfahrungen zu diesen Substanzen leitet sich grundsätzlich keine Kontraindikation gegen den Einsatz von Methotrexat, Dapson, Colchicin, Malariamitteln, Immunglobulinen, Fumarsäure und Apremilast ab (geringes bis fehlendes Risiko).
Rezente Daten zu Kortikosteroiden deuten auf ein dosisabhängig erhöhtes Infektionsrisiko und größere Wahrscheinlichkeit für eine Covid-19-Erkrankung hin.Bei viralen Symptomen sollen sie abgesetzt werden. Auch Azathioprin und Mycophenolatmofetil scheinen mit einem (leicht) erhöhten Risiko assoziiert zu sein. Ciclosporin wird widersprüchlich bewertet. Gegen einen vorsichtigen Einsatz (niedrig dosiert) spricht jedoch momentan nichts. Es hat wenig Einfluss auf die humorale Immunität, eine erhöhte Rate viraler Infektionen ist nicht bekannt. Januskinase(JAK)-Inhibitoren haben grundsätzlich eine negative Auswirkung auf die Virusabwehr, müssen aber differenziert betrachtet werden. Tofacitinib kann z.B. Herpes zoster provozieren. Ruxolitinib und Baricitinib können in der Immunhyperaktivierung den Krankheitsverlauf von Covid-19 verbessern (antiinflammatorischer Effekt).
In der Dermatologie eingesetzte Biologika haben keinen zentralen Effekt auf die Virusabwehr. Für Interleukin(IL)-23-, IL-12/23- und IL-17-Blocker besteht kein erhöhtes Risiko. Tumornekrosefaktor(TNF)-Alphablockern (vor allem Infliximab) wird ein gering erhöhtes Risiko zugeschrieben (virale Phase). Andererseits gibt es Hinweise für eine geringere Hospitalisierungs- und Mortalitätsrate bei anti-TNF-alpha-behandelten Patienten (hyperinflammatorische Phase). Auch für Omalizumab (anti-IgE), Dupilumab (anti-IL-4/13) und Mepolizumab (anti-IL5) besteht kein erhöhtes Risiko. Dupilumab ist nicht mit vermehrten systemischen Infektionen assoziiert, Hautinfektionen treten unter Dupilumab sogar seltener auf. Hingegen ist der Anti-CD20-Antikörper Rituximab wegen der starken B-Zell-Depletion und seines langfristigen Effektes risikobehaftet. Grundsätzlich werden die Nachteile einer Untertherapie der Grunderkrankung als größer eingeschätzt als das Risiko für eine Infektion oder einen aggravierten Infektionsverlauf. Krankheitsschübe, die durch Absetzen der genannten Medikationen ausgelöst werden, können sich auch negativ auf einen Covid-19-Verlauf auswirken (z.B. Provokation von Asthmaschüben durch Absetzen von Dupilumab). Die Verschlechterung der Grunderkrankung macht eventuell auch Klinik- oder Ordinationsbesuche mit einem konsekutiven Ansteckungsrisiko notwendig. Es folgert:
Eine Dosisreduktion oder Unterbrechung einer Systemtherapie bei Patienten ohne Symptome einer SARS-CoV-2-Infektion bzw. bei negativem PCR-Test ist nicht angezeigt (Konsens aller maßgeblichen Fachgesellschaften).
Hingegen soll eine derartige Therapie bis zur völligen Genesung unterbrochen bzw. deren Start postponiert werden, wenn bei einem Patienten ein positiver PCR-Test erhoben wurde und/oder SARS-CoV-2-suspekte Symptome bestehen.
Die Neueinstellung auf eines der genannten Medikamente muss grundsätzlich individuell abgewogen werden, wobei besondere Vorsicht bei Patienten jenseits des 60. Lebensjahres, Komorbiditäten und Infektneigung angebracht ist.
Literatur:
beim Verfasser
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