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Virtuelle SGDV-Jahresversammlung

Revolution in der Behandlung entzündlicher Hauterkrankungen

Unter dem Thema «Spitzenmedizin in der Praxis» fand im September die 102. Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV) statt. Der Fokus der virtuell durchgeführten Veranstaltung lag dabei auf den enormen Fortschritten, die in der Dermatologie in den letzten Jahren erzielt wurden.

Prof. Dr. med. Kristian Reich vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf/D griff in der Einleitung zu seiner Keynote Lecture zur Psoriasis das Thema der Spitzenmedizin denn auch gleich auf. «Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass die letzten 20 Jahre für unser Fach gigantisch waren. Wir haben uns wirklich in die Spitzenmedizin katapultiert», meinte er. Dabei sei die Psoriasis über Jahre unter den entzündlichen Erkrankungen ein Vorreiter gewesen. Neue Erkenntnisse zur Pathophysiologie hätten Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer Therapien geliefert.

Verständnis der Pathophysiologie führt zu neuen Therapien

«Wir wissen schon seit Längerem, dass aktivierte dendritische Zellen sowohl T-Zellen als auch Neutrophile in die Haut locken können», so Prof. Reich. In der Interaktion zwischen den dendritischen Zellen und den T-Zellen seien dann drei Signale von Bedeutung. «Erstens fungieren die dendritischen Zellen als Antigen-präsentierende Zellen, zweitens produzieren sie ein kostimulatorisches Signal, das aktivierend oder hemmend sein kann, und drittens produzieren sie die Zytokine Interleukin 12 und 23, die darüber entscheiden, was die T-Zellen anschliessend tun», beschrieb er die Vorgänge. Während IL-12 die Differenzierung zu Th1-Zellen und so die Produktion von Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) α und Interferon (IFN) γ fördert, führt IL-23 zur Differenzierung von Th17-Zellen und zur Produktion von IL-22, IL-17A und IL-17F. «Sowohl IL-23 als auch IL-12 sind Dimere», erklärte er weiter. IL-12 bestehe aus den Untereinheiten p40 und p35, während IL-23 neben p40 die Untereinheit p19 beinhaltet. «Untersuchungen konnten zeigen, dass bei Psoriasis in der Haut lediglich die Expression von p19 und p40 hochreguliert ist, nicht jedoch die Expression von p35», so Prof. Reich. Das bedeute, dass der IL-23-Weg massiv hochreguliert sei, nicht aber der IL-12-Weg. «Die daraus folgende Überproduktion von Interleukin 17 ist der Hauptauslöser der keratinozytären Pathologie – der Hyperparakeratose und Akanthose –, aber auch der Bildung von vielen Botenstoffen durch die Keratinozyten», schilderte Prof. Reich. Die Liste der von den Keratinozyten gebildeten Zytokine werde dabei jeden Tag länger. «Keratinozyten sind hochaktive Immunzellen, die im Zentrum vieler entzündlicher Hauterkrankungen stehen», betonte er. Innerhalb der IL-17-Familie sind aktuell vor allem IL-17A und IL-17F im Zentrum des Interesses. Therapeutisch kann mithilfe von Secukinumab IL-17A und mit Ixekizumab zusätzlich das Heterodimer IL-17A/F gehemmt werden. Ein neuer monoklonaler Antikörper, Bimekizumab, blockiert auch das Homodimer IL-17F. In Studien führte die Behandlung mit Bimekizumab nach 16 Wochen bei 68,2% der Patienten zu einem PASI-100-Ansprechen.1 «Also fast 70% der Patienten sind nach 4 Monaten in Vollremission», betonte Prof. Reich. Zudem habe der Antikörper auch bei Psoriasisarthritis in Phase-II-Studien erste vielversprechende Resultate gezeigt. Mittlerweile sei zudem bekannt, dass in der Epidermis ansässige Resident-Memory-T-Zellen (TRM) ein immunologisches Gedächtnis bilden. «Je länger eine Psoriasis besteht, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Pool dieser Zellen in der Haut bildet», erläuterte Prof. Reich. «Diese Zellen hängen von IL-23 ab und produzieren IL-17. Durch eine Behandlung mit IL-23-Hemmern kann man bei einer Subgruppe der Patienten wahrscheinlich dieses Gedächtnis eliminieren. Klinisch heisst das, dass eine Subgruppe von Patienten, die einmal auf eine solche Therapie angesprochen hat, mit einer Injektion pro Jahr in der Krankheitskontrolle bleiben kann. Damit würden wir auch in der Dermatologie über eine krankheitsmodifizierende Therapie verfügen», schloss er.

Revolution in der Therapie der atopischen Dermatitis

Prof. Dr. med. Emma Guttman-Yassky, New York/USA, sprach über die therapeutischen Entwicklungen auf dem Gebiet der atopischen Dermatitis (AD). Wendepunkt in der Behandlung der AD war die Entwicklung von Dupilumab. Der monoklonale Antikörper hemmt die Signalwege von IL-4 und IL-13. «Mittlerweile stellt sich aber die Frage, ob es die Hemmung beider Signalwege braucht oder ob es genügen würde, mit Substanzen wie Lebrikizumab nur den IL-13-Signalweg zu hemmen», führte sie weiter aus. In einer Phase-IIb-Studie hat Lebrikizumab bei Patienten mit moderater bis schwerer AD und einem breiten Spektrum an Manifestationen eine rasche, dosisabhängige Wirkung und ein günstiges Nebenwirkungsprofil gezeigt.2 Ein Phase-III-Studienprogramm wurde mittlerweile gestartet. «Patienten fragen uns immer wieder auch nach Möglichkeiten einer oralen Therapie», erklärte Prof. Guttman-Yassky weiter. Diesen Vorteil würden zum Beispiel JAK-Inhibitoren bieten. Viele Zytokine sind in ihrem Signalweg von Januskinasen abhängig.3 Der JAK1-Inhibitor Abrocitinib (moduliert u.a. Signalweg von IL-4, IL-13) wurde in einer Phase-III-Studie bei Jugendlichen und Erwachsenen mit moderater bis schwerer AD untersucht.4 Beide getesteten Dosierungen (100mg und 200mg) erwiesen sich gegenüber Placebo nach 12 Wochen als signifikant überlegen (IGA- und EASI-75-Ansprechen). «Bereits nach 4 Wochen zeigten sich hohe EASI-75-Ansprechraten, die danach noch weiter anstiegen», beschrieb Prof. Guttman-Yassky die Resultate weiter. «Hinsichtlich Nebenwirkungen wurden insbesondere Übelkeit, Kopfschmerzen und Nasopharyngitis registriert», ergänzte sie. Die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit von Abrocitinib wurde noch durch eine zweite Phase-III-Studie bestätigt.5 Mit Upadacitinib (15mg und 30mg) hat zudem ein zweiter JAK-Inhibitor in zwei identisch designten Phase-III-Studien (Measure Up 1 und 2) eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit gezeigt.6 «Upadacitinib scheint die höchsten Ansprechraten zu erreichen, die wir bisher gesehen haben. Allerdings liegen die Resultate erst in Form einer Pressemitteilung vor, sodass wir nicht zuletzt auch in Bezug auf das Sicherheitsprofil auf jeden Fall noch detailliertere Angaben brauchen», schränkte Prof. Guttman-Yassky ein. Sie meinte abschliessend: «Wir befinden uns aktuell in einer unglaublich aufregenden Zeit. Ich denke, wir revolutionieren gerade nicht nur die Behandlung der atopischen Dermatitis, sondern der entzündlichen Hauterkrankungen insgesamt.»

Papillomatöser Naevus sebaceus als eigene Entität

Dr. med. Martin Theiler Pang, Zürich, sprach in seinem Vortrag über den Naevus sebaceus (SN), der durch somatische Mutationen in HRAS oder KRAS verursacht wird. «Er kann isoliert auftreten oder im Rahmen eines Schimmelpenning-Syndroms von extrakutanen Manifestationen begleitet sein», schilderte er. Vor 12 Jahren wurde erstmals ein besonderer Subtyp, der papillomatöse Naevus sebaceus (PPSN), beschrieben.7 «Dieser ist durch oft ausgedehnte verruköse oder zerebriforme Plaques oder Knoten gekennzeichnet, die meist am Kopf sitzen», so Dr. Theiler Pang. Extrakutane Manifestationen wurden bisher nicht beschrieben. Bei zwei Totgeburten mit PPSN konnten im Naevus somatische Mutationen im «fibroblast growth factor receptor 2» (FGFR2), jedoch keine HRAS- oder KRAS-Mutationen, nachgewiesen werden.8 «Damit könnten die PPSN eine eigene klinische und genetische Entität darstellen.» Bei eigenen retrospektiven Untersuchungen an 7 Kindern mit PPSN konnte Dr. Theiler Pang in fünf Fällen somatische FGFR2-Mutationen (Cys382Arg) nachweisen. «In vier Fällen war es die gleiche Mutation im Codon 382, wie bei den beiden beschriebenen Feten.» In einem Fall handelte es sich um eine bisher nicht beschriebene Mutation in einem benachbarten Codon (Val395Asp). «Beide Mutationen sind in der transmembranösen Domäne des Proteins lokalisiert», erläuterte er. Bei allen 7 Kindern wurden die PPSN im Laufe des ersten Lebensjahres exzidiert. Extrakutane Manifestationen wurden bisher nicht beobachtet (Follow-up bis zu einem medianen Alter von 4 Jahren). «Damit können wir bestätigen, dass der PPSN wahrscheinlich eine eigene Entität ist und mehrheitlich auf dieser somatischen FGFR2-Mutation beruht», schloss er seinen Vortrag.

Bericht:
Dr. Therese Schwender
Medizinjournalistin

Quelle:
102. Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie, 17. und 18. September 2020, virtuell

1 Gordon K et al.: Efficacy and safety of bimekizumab in patients with moderate-to-severe plaque psoriasis: results from BE READY, a 56-week phase 3, randomized, double-blinded, placebo-controlled study with randomized withdrawal. American Academy of Dermatology Virtual Meeting Experience 2020; June 12-14, 2020. Late-Breaking-Abstract. 2 Guttman-Yassky E et al.: Efficacy and safety of lebrikizumab, a high-affinity interleukin 13 inhibitor, in adults with moderate to severe atopic dermatitis: a phase 2b randomized clinical trial. JAMA Dermatol 2020; 156: 411-420 3 Gadina M et al.: Janus kinases to jakinibs: from basic insights to clinical practice. Rheumatology 2019; 58(Suppl 1): i4–i16 4 Simpson EL et al.: Efficacy and safety of abrocitinib in adults and adolescents with moderate-to-severe atopic dermatitis (JADE MONO-1): a multicentre, double-blind, randomised, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2020; 396: 255-266 5 Jonathan I, Silverberg JI et al.: Efficacy and safety of abrocitinib in patients with moderate-to-severe atopic dermatitis. A randomized clinical trial. JAMA Dermatol 2020; 156: 863-873 6 RINVOQ™ (upadacitinib) monotherapy meets all primary and secondary endpoints in second phase 3 study for atopic dermatitis. Pressemitteilung vom 21. Juli 2020, online unter https://news.abbvie.com/news/press-releases/rinvoq-upadacitinib-monotherapy-meets-all-primary-and-secondary-endpoints-in-second-phase-3-study-for-atopic-dermatitis.htm (zuletzt aufgerufen am 8. November 2020) 7 Correale D et al.: Large, papillomatous, pedunculated nevus sebaceus: a new phenotype. Pediatr Dermatol 2008; 25: 355-8 8 Kuentz P et al.: Mosaic-activating FGFR2 mutation in two fetuses with papillomatous pedunculated sebaceous naevus. Br J Dermatol 2017; 176: 204-208

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