
Photodynamische Therapie bei orthopädischen Infektionen
Autorinnen:
PD Dr. med. Yvonne Achermann
Julia Prinz
Dermatologische Klinik
Universitätsspital Zürich
Korrespondierende Autorin:
PD Dr. med. Yvonne Achermann
E-Mail: yvonne.achermann@usz.ch
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Die photodynamische Therapie (PDT) wird zurzeit in der Dermatologie vor allem zur Therapie von Akne, aktinischen Keratosen und Hautkrebs angewendet. Die PDT ermöglicht jedoch auch, Mikroorganismen wie Bakterien, Viren, Protozoen und Pilze abzutöten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Antibiotika entwickeln die Mikroorganismen dabei auch nach wiederholter Exposition keine Resistenz. Die Verwendung der PDT könnte ein moderner präventiver Ansatz für die bessere Hautdesinfektion vor operativen orthopädischen Eingriffen, aber auch für eine verbesserte Abtötung der Mikroorganismen bei einer Infektionsbehandlung sein.
Keypoints
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Bei der photodynamischen Therapie wird eine nicht toxische lichtaktivierbare Substanz (Photosensibilisator) verabreicht, gefolgt von einer Bestrahlung mit sichtbarem Licht.
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In der Dermatologie verwendet man die Behandlung zum Beispiel bei schwerer Akne, hellem Hautkrebs und therapierefraktären entzündlichen Dermatosen.
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Die Prävention und Behandlung von Infektionen bei Gelenkprothesen können einen neuen Einsatzbereich der PDT darstellen.
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Eine Forschungsgruppe an der Dermatologischen Klinik am Universitätsspital Zürich verfolgt diesen neuartigen Ansatz und konnte erste Ergebnisse erzielen.
Die photodynamische Therapie (PDT) ist eine Behandlungsmethode, bei der eine nicht toxische lichtaktivierbare Substanz – bekannt als Photosensibilisator – verabreicht wird, gefolgt von einer Bestrahlung mit sichtbarem Licht. Die Lichtquelle muss mit einer geeigneten Wellenlänge ausgewählt werden, um den Photosensibilisator vom Grundzustand elektrochemisch in einen angeregten instabilen Zustand zu bringen. Danach kann er entweder wieder zurück in den Grundzustand kehren oder in einen stabileren Triplett-Zustand gelangen. Nun können zwei verschiedene Reaktionstypen ablaufen: Im Reaktionstyp I werden Elektronen auf umliegende organische Substrate übertragen und es werden freie Radikale produziert, welche mit molekularem Sauerstoff reagieren und reaktive Sauerstoffspezies erzeugen. Im Reaktionstyp II findet ein Energietransfer zwischen dem aktivierten Photosensibilisator und molekularem Sauerstoff statt und es entstehen Singulett-Sauerstoffe (Abb. 1).
Abb. 1: Photochemische und photophysikalische Mechanismen der photodynamischen Therapie. Der Photosensibilisator im Grundzustand (0PS) wird mit Licht einer bestimmen Wellenlänge in einen angeregten instabilen Singulett-Zustand (1PS*) gebracht. Dann kann er durch Energieverlust wieder in den Grundzustand zurückkehren oder in einen stabileren Triplett-Zustand (3PS*) übergehen. ·OH, Hydroxyl-Radikal; O2·–, Hyperoxid-Anion; H2O2, Wasserstoffperoxid; 1 O2: Singulett-Sauerstoff
All diese reaktiven Sauerstoffspezies führen zur selektiven Abtötung der Bakterien oder der Tumorzellen. Es gibt viele verschiedene Photosensibilisatoren-Klassen, welche sich hinsichtlich physikalisch-chemischer Eigenschaften voneinander unterscheiden. Der Photosensibilisator kann entweder mit positiver Ladung an die negativ geladenen Zellwände von Bakterien direkt binden, sich in enger Nähe zu den Zellen befinden, ohne zu binden, oder sich intrazellulär in Bakterien oder hochreplizierenden Zellen, wie Tumorzellen, anreichern. Die photozytotoxischen Reaktionen treten nur im Bereich der Photosensibilisatorverteilung auf, was eine selektive Zerstörung ermöglicht. Damit werden nur die Zielzellen, aber nicht gesunde eukaryotische Zellen geschädigt.
Wenn die PDT zur Abtötung von Bakterien verwendet wird, wird die Behandlung antimikrobielle PDT (aPDT) genannt. Die aPDT ist minimal invasiv und wird bereits klinisch zur Behandlung eines breiten Spektrums mikrobieller Infektionen angewandt. Es wurde gezeigt, dass die aPDT pathogene Mikroorganismen einschliesslich grampositiver und gramnegativer Bakterien, Viren, Protozoen und Pilze abtötet und im Gegensatz zu herkömmlichen Antibiotika keine Resistenz nach wiederholter Exposition gegenüber der Therapie induziert.
In der Dermatologie verwendet man zum Beispiel die PDT zur Behandlung von schwerer Akne, da die Bakterien assoziiert mit den Talgdrüsen in der Dermis abgetötet werden. Pathogenetisch werden bei Akne vor allem Cutibakterien assoziiert. Das Cutibacterium acnes produziert eigene Porphyrine – als natürliche Photosensibilisatoren. Mit der geeigneten Lichtquelle hat die PDT eine direkte antimikrobielle Wirkung auf C. acnes.
Darüber hinaus wird die PDT in der Dermatologie eher zur Behandlung von hellem Hautkrebs und therapierefraktären entzündlichen Dermatosen genutzt. Dort wirkt die PDT auf die stark replizierenden Tumorzellen.
PDT zur Prävention von Infektionen bei Gelenkprothesen
Die derzeit verwendeten Hautantiseptika (sowie alkoholbasiertes Chlorhexidin oder Povidon-Iod) eliminieren hautbesiedelnde Bakterien nur unvollständig. Auch bei korrekter Durchführung der Hautdesinfektion finden sich in bis zu 50% noch verbliebene und lebensfähige Hautbakterien1. Bei der Implantation von Fremdmaterial während einer orthopädischen Operation kann dies ein Risikofaktor für einen Fremdmaterial-assoziierten Infekt darstellen. Die Bakterien können während der Operation bei der Implantation des Fremdmaterials in die Tiefe des Gewebes gebracht werden. Nur wenige Bakterien (100–1000) genügen, um eine Infektion in der Umgebung vom Material auszulösen. Solche Infektionen sind schwierig zu behandeln und brauchen immer eine chirurgische und antibiotische Therapie. In vielen Fällen muss das Implantat gewechselt werden.
Unsere Forschungsgruppe an der Dermatologischen Klinik am Universitätsspital Zürich verfolgt den Ansatz, die PDT als innovative Präventionsstrategie anzuwenden. Wir zeigten in einer ersten klinischen Pilotstudie 100% Hautsterilität nach PDT und Hautantisepsis2. Wir verwendeten Methylaminolävulinat als Vorstufe des Photosensibilisators Protoporphyrin IX mit einer Einwirkungszeit von 3 Stunden und eine Rotlicht-LED für eine Beleuchtung über 13 Minuten mit einer Lichtdosis von 40J/cm2. Verglichen haben wir die Resultate mit Kontrollpatienten mit alleiniger Hautantisepsis ohne PDT. Diese zeigte nur in 50% eine Sterilität (Abb. 2, Tab. 1). Allerdings führte die PDT bei allen Teilnehmern zu lokalen Hautrötungen, welche ein Hindernis für eine sofortige orthopädische Operation darstellen könnten.
Tab. 1: Resultate der Hautsterilität (definiert als keine lebensfähigen Bakterien untersucht mit herkömmlicher Kulturtechnik) vor und nach PDT-Behandlung und Haut-Antisepsis. Rechts ist die Zahl der Probanden mit Hautsterilität über die Gesamtzahl angeführt (mod. nach Waldmann I et al. 2020)2
In einer Folgestudie untersuchten wir, ob die PDT mit einer künstlichen Tageslichtlampe und mit einem ähnlichen Vorstufe-Photosensibilisatoren, 5-Aminolävulinsäure, eine ähnliche bakterizide Wirkung auf die Haut hat. Dies aber ohne die Haut zu reizen und damit Rötung und Schmerzen zu mindern. Tageslicht hat den Vorteil, weitgehend schmerzfrei zu sein im Gegensatz zu rotem Licht. Alle Probanden waren zu Beginn der Behandlung mit Bakterien kolonisiert. Nach der PDT-Behandlung und anschliessender Hautdesinfektion waren nur noch 30% der Patienten mit Bakterien in geringer Menge besiedelt. Die Nebenwirkungen wie Schmerzen und Hautrötungen blieben aus.
Zurzeit optimieren wir die PDT-Bedingungen weiter, mit dem Ziel, eine 100%ige Sterilität ohne Nebenwirkungen zu erreichen. Eine solche Therapie könnte bei Risikopatienten vor einer orthopädischen Operation in Zusammenarbeit mit Dermatologen eine erfolgreiche Anwendung zur Prävention von schwierig behandelbaren Infektionen finden.
PDT zur Behandlung von Infektionen bei Gelenkprothesen
Abb. 3: Rasterelektronenmikroskopie-Bild von einem 2 Tage alten Staphylococcus-aureus-Biofilm auf Polyethylen-Plättchen. Massstab = 3µm
Nicht nur die Prävention, auch die Therapie von bestehenden orthopädischen Infektionen mittels PDT wäre eine innovative Anwendung zur verbesserten intraoperativen Abtötung von Bakterien. Der Einsatz von Gelenkprothesen stellt einen grossen medizinischen Fortschritt dar, welcher die Lebensqualität der Betroffenen massgeblich verbessert. Trotz Hautdesinfektion und Antibiotikaprophylaxe vor der Operation entwickelt sich bei ca. 1% der Eingriffe ein postoperativer Infekt, bei welchem Bakterien die Oberfläche der Prothesen besiedeln. Solche Entzündungen sind sehr schwierig zu therapieren, weil die Bakterien eine Schleimschicht bilden: Dieser sogenannte «Biofilm» kann sich vor der menschlichen Immunabwehr und Antibiotika schützen (Abb. 3).
Bislang muss zur Infektbehandlung die Prothese gewechselt und eine bis zu drei Monaten andauernde Antibiotikatherapie durchgeführt werden. Unsere Forschungsgruppe untersucht aktuell die keimabtötende Wirkung der PDT als Behandlungsstrategie von Protheseninfekten. Verschiedene Photosensibilisatoren-Klassen werden in vitro getestet, um jene mit höchstem Potenzial gegen Biofilme zu identifizieren und diese weiter klinisch zu testen. Das Ziel ist es, Protheseninfekte behandeln zu können, ohne das Implantat ersetzen zu müssen sowie ohne lang anhaltender Antibiotikagabe. Dieses Vorgehen kann den Betroffenen eine verlängerte Hospitalisation und Therapie ersparen und damit die Gesundheitskosten senken.
Bisher haben wir in einer in-vitro-Studie festgestellt, dass die PDT mit dem Photosensibilisator Methylenblau Bakterien sowohl in freischwimmender planktonischer Form als auch in Biofilmen auf Prothesenoberflächen abtötet, ohne die Materialien von Gelenkprothesen zu beschädigen. Wir planen eine klinische Studie, um die Wirksamkeit und Sicherheit der PDT im intraoperativen Umfeld zu bestimmen.
Literatur:
1 Maurer SM et al.: Cutibacterium avidum resists surgical skin antisepsis in the groin-a potential risk factor for periprosthetic joint infection: a quality control study. Antimicrob Resist Infect Control 2021; 10(1): 27 2 Waldmann I et al.: Photodynamic therapy improves skin antisepsis as a prevention strategy in arthroplasty procedures: A pilot study. Photodiagnosis Photodyn Ther 2020; 31: 101941