
Palliatives Management chronischer Wunden
Autorin:
PD Dr. med. habil. Cornelia Erfurt-Berge
Hautklinik Universitätsklinikum Erlangen
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
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Maligne Wunden können bedingt sein durch einen primär ulzerierenden Hauttumor wie nicht operable Basalzellkarzinome oder kutane Plattenepithelkarzinome, durch ulzerierende Hautmetastasen oder Exulzerationen solider Organtumoren wie etwa des Mammakarzinoms. Diese erfordern nicht selten eine fast schon kreative Wundversorgung, um die Lebensqualität des Patienten zu erhalten, Schmerzen zu nehmen und die Einschränkungen durch die Wunde zu minimieren.
Keypoints
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Ein strukturiertes Vorgehen ist analog zur Versorgung nicht maligner Wunden erforderlich.
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Der Patient darf nicht auf seine maligne Wunde reduziert werden.
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Die Kontrolle des Wundexsudates beinhaltet auch den Schutz des Wundrandes.
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Die Verwendung nicht adhäsiver Wundmaterialien reduziert den Wundschmerz und kann Blutungen verhindern.
Im fortgeschrittenen Tumorstadium zeigen sich bei 5–15%1 der Patienten exulzerierende maligne Wunden. Am häufigsten betroffen sind Brust, Hals, Thorax, aber auch die Extremitäten oder der Kopf.2 Daneben können chronische Wunden wie ein Ulcus cruris venosum als Nebenbefund bei einem Patienten in einer Palliativsituation auftreten, es kann zu Tumorzerfall unter einer Therapiemassnahme kommen oder es können postinterventionelle Wundheilungsstörungen eintreten. In diesen Fällen ist jedoch eine Abheilung der Wunde durchaus mit den Methoden des modernen Wundmanagements erreichbar. Deutlich schwieriger ist dagegen der Umgang mit wirklich tumorbedingten, aufgrund der onkologischen Gesamtsituation nicht zur Abheilung zu bringenden malignen Wunden (Abb. 1). Neben zeit- und ressourcenaufwendigen Verbandswechseln und schwierig zu versorgenden Wundverhältnissen bestehen häufig Unsicherheiten in unerfahrenen Behandlungsteams oder Bedenken seitens der Patienten und deren Angehörigen. Die psychosoziale Situation ist in alle therapeutischen Überlegungen mit einzubeziehen und spielt bei der Patientengruppe eine übergeordnete Rolle.3 Dennoch gelten primär die gleichen Therapiegrundsätze wie bei der Versorgung nicht onkologischer Wunden.4 Nach einer korrekten Diagnosefindung und Umsetzung nicht wundbezogener palliativer Massnahmen steht vor der eigentlichen Wundversorgung ein sorgfältiges Wundassessment mit genauer Wundamnamnese und Erfassung der führenden Symptome des Patienten. Alle Befunde und Massnahmen sollten nach den üblichen Expertenstandards auch dokumentiert werden.1
Tabelle 1 zeigt wichtige anamnestische Punkte, die zu Beginn, aber auch unter laufender Behandlung regelmässig evaluiert werden sollten. Das wundspezifische Assessment und die Wundbeurteilung umfassen die üblichen Kriterien chronischer Wunden wie Wundursache, Lokalisation, Grösse, Wundgrund, Wundrand, Exsudatmenge und -qualität sowie Veränderungen in der Wundumgebung. Besonderes Augenmerk sollte auf Wundschmerz, Blutungsneigung, Wundgeruch oder das Auftreten von Juckreiz gelegt werden.1
Im Falle einer palliativen Wundsituation wird der Behandler dennoch häufig vor grundsätzlich anderen Entscheidungen stehen als in der allgemeinen Wundversorgung.6 Zentrale Standbeine der palliativen Therapie sind neben einer stadiengerechten und krankheitsbezogenen Therapie vor allem die Wünsche des Patienten. Die Linderung von Symptomen steht im Vordergrund. Mit den Empfehlungen der 2020 erweiterten S3-Leitlinie Palliativmedizin1 liegt für viele praxiserprobte Versorgungsmassnahmen in der palliativen Wundversorgung nun auch eine evidenzbasierte Bewertung vor.
Psychosoziale Belastung durch die maligne Wunde
Mit dem Auftreten der Ulzeration wird gerade bei Organtumoren die maligne Erkrankung für den Patienten sichtbar und tritt stärker ins Bewusstsein. Durch die häufigen Verbandswechsel und Symptome wie Schmerz oder Geruch wird der Patient täglich mit seiner Wunde konfrontiert. Neben diesen Veränderungen des Körperbildes treten Gefühle wie Angst, Wut oder Depression auf. Nicht selten wird eine solche Wunde auch zunächst versteckt und negiert (Abb. 1). Auch für die Angehörigen ist die Wunde und deren Versorgung sowohl emotional als auch beispielsweise finanziell eine Belastung. Edukative Massnahmen, Einbeziehung der Angehörigen und Besprechen von Verhaltensweisen in bestimmten Situationen wie z.B. bei Auftreten spontaner Blutungen helfen, mit der Situation besser umzugehen.7
Abb. 1: Maligne Wunde thorakal durch ein Mammakarzinom. Die Wunde war im Rahmen einer dermatologischen Untersuchung aus anderer Indikation erstmals entdeckt worden. Die Patientin hatte die Wunde bislang negiert
Symptomorientierte Wundbehandlung
Auftreten von Wundschmerz
Verstärkte Schmerzen treten insbesondere bei der direkten Wundversorgung und dem Verbandswechsel auf. Deren Vermeidung beginnt mit einer möglichst atraumatischen Entfernung des liegenden Verbandes. Hier sind die Anwendung atraumatischer Verbandsmaterialien wie z.B. silikonisierter Distanzgitter, ein Anfeuchten vor Entfernung mit angewärmter Wundspüllösung und ein schrittweises Lösen des Verbandes empfehlenswert. Vor der Intervention kann gezielt ein Analgetikum verabreicht werden, um Schmerzspitzen zu vermeiden. Zudem können topische Lokalanästhetika oder morphinhaltige Hydrogele Anwendung finden.8
Geruchsentwicklung der malignen Wunde
Durch Zerfallsprozesse, aber auch durch bakterielle Besiedelung kann es zu einer starken Geruchsbelastung durch die Wunde kommen. Dies hemmt Patienten häufig, am Alltagsleben weiter teilzunehmen, und sie ziehen sich teilweise schon aus Angst vor möglicher Geruchsentwicklung immer weiter zurück. Neben geruchsmaskierenden Massnahmen wie ätherischen Ölen und Kaffeepulver im Raum sollte die Wundversorgung vorranging auf Geruchsabsorption ausgerichtet sein. Neben einer schonenden, aber regelmässigen Wundreinigung mit Wundspüllösungen oder der gezielten und zeitlich begrenzten Anwendung von Antiseptika sollte ein ausreichendes Exsudatmanagement erfolgen. Keimbindende oder lokal antimikrobiell wirksame Wundauflagen finden hier ihre Anwendung. Der Einsatz von Metronidazol, topisch, aber auch systemisch appliziert, stellt zwar weiterhin einen «off-label use» dar, wird aber in der Leitlinie explizit als Möglichkeit zur Behandlung starker Geruchsbildung erwähnt.1 Okklusive Folienverbände sollten einer kurzzeitigen Anwendung in Einzelfällen oder besonderen Situationen vorbehalten bleiben.
Kontrolle des Wundexsudates
Starke Wundexsudation, auslaufende Wundverbände oder Mazerationen durch überschüssiges Exsudat können ebenfalls die Lebensqualität des Patienten sehr stark beeinflussen. Hier stehen auf dem Markt zahlreiche Verbandsmaterialien mit hohem Resorptions-, aber auch Retentionsvermögen zur Verfügung, wie Superabsorber, Schaumverbände oder Hydrofaserverbände.9 Der Wundrandschutz, z.B. mit filmbildenden Substanzen, kann dabei präventiv eingesetzt werden. Bei nicht kontrollierbarer Exsudation kann man sich mit Stoma- oder Drainagebeuteln behelfen. Der Einsatz einer Unterdruckwundtherapie sollte nur nach Abwägung der Indikationsstellung und als Ultima Ratio eingesetzt werden. Hier drohen Blutungen, Schmerztriggerung oder die Anregung des Tumorwachstums.
Auftreten spontaner Blutungen im Wundbereich
Das Auftreten von Blutungen im Wundbereich kann für den Patienten und seine Angehörigen eine sehr traumatisierende Erfahrung sein. Daher sollte hier schon frühzeitig, wenn aber auch einfühlsam über die Möglichkeit mit dem Patienten gesprochen werden. Es müssen Notfallmassnahmen wie kühlende Umschläge, Verwendung dunkler Handtücher oder Anlegen eines Druckverbandes vorab abgesprochen werden.10 Aus Sicht des Behandlers können die Verwendung atraumatischer Verbandsmaterialien, die Prüfung der Indikation von Gerinnungshemmern und die gezielte Blutstillung mittels vasokonstriktiver Massnahmen, Hämostyptika oder Antifibrinolytika im Rahmen der ärztlichen Vorstellung umgesetzt werden.
Fazit für die Praxis
Die Wundversorgung bei palliativen Patienten ist eine individuelle Therapie mit dem Ziel des Erhalts der Lebensqualität und der Reduktion von Schmerzen. Bei Unsicherheiten in der Versorgung sollten frühzeitig Wundexperten ins Behandlungsteam mit einbezogen werden. Ein strukturiertes Vorgehen mit regelmässigen Wundassessments ist erforderlich. Dennoch stehen die Symptome und Wünsche des Patienten immer im Vordergrund.
Literatur:
1 Erweiterte S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung. Version 2.2 – September 2020. AWMF-Registernummer: 128/001OL 2 Probst S et al.: Malignant fungating wounds: A survey of nurses’ clinical practice in Switzerland. European Journal of Oncology Nursing 2009; 13(4): 295-98 3 Erfurt-Berge C, Kirchberger MC: Management maligner Wunden. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 2020; 53: 572-76 4 Dissemond J et al.: Standards für die Diagnostik und Therapie chronischer Wunden. https://www.icwunden.de/fileadmin/Fachinfos/Standards/Standards_2020_web.pdf , letzter Zugriff: 13.10.2021 5 Augustin M et al.: Validity and feasibility of the Wound-QoL questionnaire on health-related quality of life in chronic wounds. Wound Repair Regen 2017; 25(5): 852-7 6 Lofing A: Wundversorgung am Lebensende. Pro Care 2020; 25: 10-12 7 Probst S: Perspektiven und Pflege von Patienten und deren Angehörigen mit einer malignen Wunde. Zeitschrift für Wundmanagement 2012; 6: 34-38 8 Huptas L et al.: Schmerzreduktion bei Patienten mit chronischem Ulcus cruris durch ein neu entwickeltes Morphingel. Hautarzt 2011; 62: 280-86 9 Uebach B: Lokale Wundbehandlung – Wundversorgung in der Palliative Care (Teil 2). Zeitschrift für Palliativmedizin 2012; 13: 280-83 10 Kiss M: Wundversorgung in der Palliativsituation WundForum 2012; 19(4): 8-14