
Notfälle in der dermatologischen Praxis
Autor:
Dr. Bernhard Ziegler
Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin, Notarzt
Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin
LKH Salzburg
E-Mail: b.ziegler@salk.at
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Obwohl die Akutversorgung von medizinischen (internistischen) Notfällen nicht zum täglichen Behandlungsspektrum des Dermatologen gehört, so sollten dennoch, nicht zuletzt wegen der Gesetzeslage, die notwendigen Erstmaßnahmen jedem Kollegen geläufig sein. Im Folgenden sollen hier eine Auswahl an Notfällen und deren Akutversorgung dargestellt werden.
Keypoints
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Für die Erstversorgung von Notfällen müssen nach der Österreichischen Qualitätsverordnung in jeder Ordination Vorkehrungen getroffen und regelmäßige Schulungen mit dem gesamten Ordinationsteam durchgeführt werden.
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Derartige Schulungen werden von diversen Notarztausbildnern angeboten.
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Der sofortige Beginn der kardiopulmonalen Reanimation – innerhalb der ersten 3–5 Minuten nach Kollapsgeschehen –kann die Überlebensrate um das 2- bis 3-Fache erhöhen: „Push hard & fast.“
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Sobald es im Rahmen eines allergischen Geschehens zu einer Beeinträchtigung der Atemwege, der Atmung oder des Kreislaufs kommt, ist Adrenalin i.m. zu verabreichen.
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Myokardinfarkt und zerebraler Krampfanfall sind zeitkritische Notfälle, die Patienten sind unter (not)ärztlicher Begleitung in eine entsprechende Klinik zu transportieren.
Nach §8 der Österreichischen Qualitätssicherungsverordnung 2018 müssen zur Akutversorgung von medizinischen Notfällen und den entsprechenden Erstmaßnahmen regelmäßige Trainings mit dem gesamten Praxispersonal abgehalten werden sowie entsprechende Notfallpläne an zentralen Stellen in der Praxis aufliegen.1
Das Spektrum der möglichen Notfälle richtet sich naturgemäß nach den Patienten bzw. den durchgeführten Behandlungen. Oberste Prämisse ist natürlich immer das Vermeiden von medizinischen Notfällen bzw. das Erkennen von potenziell gefährdeten Patienten durch die Erhebung einer exakten Anamnese.
Herz-Kreislauf-Stillstand
Das rasche Erkennen eines Herz-Kreislauf-Stillstands und das unmittelbare Beginnen der kardiopulmonalen Reanimation sind dabei von größter Bedeutung. So kann die Überlebensrate von unter 20% (wenn der Beginn der Reanimationsmaßnahmen erst durch den Rettungsdienst erfolgt) auf 49–75% erhöht werden (wenn die Wiederbelebungsmaßnahmen sofort nach dem Kollapsgeschehen – wenn möglich mit Einsatz eines Defibrillators – erfolgen).
Beim Atemwegsmanagement sollte sich der bei der endotrachealen Intubation nicht routinierte Kollege nach den derzeit gültigen Richtlinien auf eine Maskenbeatmung bzw. den Einsatz des Larynxtubus beschränken. Es gibt auch Hinweise darauf, dass bei Beginn der Reanimationsmaßnahmen unmittelbar nach dem Kollapsgeschehen initial auf die Beatmung verzichtet werden kann.
Steht ein „automatisierter externerDefibrillator“ (AED) zur Verfügung, sollte dieser so früh wie möglich zum Einsatz kommen. Dabei sollte jedoch die Herzdruckmassage nur so kurz wie unbedingt notwendig (zur Rhythmusanalyse und bei der Schockabgabe) unterbrochen werden. Adrenalin soll beim defibrillierbaren Rhythmus (pulslose Kammertachykardie, Kammmerflimmern) nach der 3. erfolglosen Defibrillation, beim nicht defibrillierbaren Rhythmus (Asystolie, pulslose elektrische Aktivität) nach Anlegen eines venösen Zuganges in der Dosis von 1mg verabreicht werden. Nach Ansicht des Autors sollte jedoch das Anlegen eines (i.v.) Zuganges für die Verabreichung von Adrenalin nicht auf Kosten einer effizienten kardiopulmonalen Reanimation geschehen. Dies nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass durch die Gabe von Adrenalin im Rahmen der Reanimation in mehreren Studien keine wesentliche Verbesserung des Langzeit-Outcomes gezeigt werden konnte.
Als weitere medikamentöse Therapiemaßnahme wird beim Vorliegen eines defibrillierbaren Rhythmus die Gabe von 300mg Amiodaron (ebenfalls nach der 3. erfolglosen Defibrillation) empfohlen. Auch diese Maßnahme sollte auf keinen Fall zur Verzögerung oder Einschränkung der laufenden kardiopulmonalen Reanimation führen. Der empfohlene Algorithmus des European Resuscitation Council ist in Abbildung 1 dargestellt.2
Aufgrund der aktuellen Covid-19-Pandemie hat das ERC spezielle Richtlinien für Covid-19-positive bzw. Patienten mit Covid-19-Verdacht erstellt.3 Auszugsweise sei hier nur erwähnt, dass auf die persönliche Schutzausrüstung (FFP2-Maske, Schutzbrille, Handschuhe etc.) bei der kardiopulmonalen Reanimation als potenziell aerosolbildende Maßnahme besonders zu achten ist. Aus diesem Grund soll jedenfalls auf eine Mund-zu-Mund-Beatmung verzichtet undeine Maskenbeatmungzur besseren Abdichtung der Atemwege mit der 2-Hand-Technik (Abb. 2) durchgeführt werden. Gegebenenfalls soll die Reanimation nur mittels Herzdruckmassage durchgeführt werden.
Abb. 2: Im Falle einer Maskenbeatmung Covid-19-positiver Patienten bzw. von Patienten mit Verdacht auf Covid-19 empfiehlt sich die 2-Hand-Technik
Akutes Koronarsyndrom (ACS)
Die unter dieserBezeichnung zusammengefassten Notfälle instabile Angina pectoris, Non-STEMI (Myokardinfarkt ohne ST-Streckenhebung) und STEMI (ST-Hebungsinfarkt) können ohne weitergehende diagnostische Maßnahmen wie Elektrokardiogramm (EKG) und Labortests durch die Klinik nicht voneinander unterschieden werden (Abb. 3). Deshalb ist bei Verdacht auf ein derartiges Geschehen eine Einlieferung mit (Not-)Arzt-Begleitung in eine entsprechende Klinik unbedingt angezeigt. Das Zeitintervall bis zu einer Reperfusion des ischämischen Myokards ist entscheidend für die Größe des Infarktes, nach dem Motto: „Time is muscle“.
Abb. 3: Zur Diagnose eines ACS sind weitergehende diagnostische Maßnahmen vonnöten. Modifiziert nach den Leitlinien der DGK5
Bei fehlenden Zeichen von Atemnot, Hypoxie bzw. Herzinsuffizienz brauchtkein Sauerstoff verabreicht zu werden. Als Primärtherapie sollten folgende symptomatische Maßnahmen gesetzt werden:
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Nitroglycerin 2–3 Hübe (bei RR syst. >90mm Hg)
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Analgesie (z.B. Novalgin oder Morphin)
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Sauerstoff (nur wenn Sauerstoffsättigung <90%)
Als akute kausale Therapiemaßnahmen steht die Verabreichung von Thrombozytenaggregationshemmern (Acetylsalicylsäure, ADP[Adenosindiphosphat]-Antagonisten) und plasmatischen Antikoagulanzien (Heparine, Antithrombine) zur Verfügung.
Anaphylaxie/anaphylaktoide Reaktion
Für den Dermatologen unbestritten ein gängiges Krankheitsbild und in der akuten Ausprägung potenziell lebensbedrohlich ist die allergische bzw. anaphylaktoide Reaktion. Die meisten Autoren sind sich einig, dass die Unterscheidung zwischen klassischer Anaphylaxie und anaphylaktoider Reaktion aufgrund der gleichen Therapieschritte in der Akutsituation zu vernachlässigen ist.
Auch die Gradeinteilung der Reaktion ist im akuten Management von nachrangiger Bedeutung. Das klinische Erscheinungsbild kann dabei von einfachen Hauteffloreszenzen bis zur Ateminsuffizienz und zum Herz-Kreislauf-Stillstand reichen.
Die aktuellen ERC-Guidelines empfehlen bereits beim Auftreten von isolierten Problemen im ABC-Bereich (Atemwegsschwellung, Bronchoobstruktion, Kreislaufdepression) die unmittelbare Gabe von Adrenalin i.m. (Abb. 4).
Dabei sollten beim Erwachsenen 0,5mg Suprarenin intramuskulär (Musculus vastus lateralis) verabreicht werden. Fertiginjektoren (wie Epipen®, Anapen®, Jext®) sind in der Handhabung sicher einfacher, enthalten jedoch nur 0,3mg Adrenalin. Sie können bei Fortbestehen der lebensbedrohlichen Symptome auch wiederholt verabreicht werden. Die Gabe von Antihistaminika, Kortikosteroiden und Volumen wird als adjuvante Therapie empfohlen. Sie sollte jedoch in der Akutsituation nicht die Gabe von Adrenalin verzögern (Abb. 4).
Zerebraler Krampfanfall
Nach einer Arbeit in „Cutis“ aus dem Jahr 2014 stehen zerebrale Krampfanfälle an dritter Stelle der Notfälle in der dermatologischen Praxis.4 Die Erstmaßnahmen beschränken sich initial auf den Schutz des Patienten vor Verletzungen. Dabei wird das Einführen von Beißkeilen nicht mehr empfohlen.
In den ERC-Guidelines wird dezidiert auf eine zerebrale Hypoxie im Rahmen eines Herz-Kreislauf-Stillstandes als Ursache eines zerebralen Krampfgeschehens hingewiesen und deshalb nach abgelaufenem Krampfanfall die sofortige Überprüfung der Vitalfunktionen (Atmung, Kreislauf) gefordert.
Zerebraler Insult
Zuletzt sei noch der Schlaganfall als weiterer zeitkritischer Notfall erwähnt. Als Erstmaßnahme gelten auch hier, wie in allen lebensbedrohlichen Situationen, die Überprüfung und Sicherung der Vitalfunktionen Bewusstsein – Atmung – Kreislauf. Ansonsten gilt als Prämisse, abgesehen von stabiler Seitenlage bei gestörtem Bewusstsein, ein rascher Transport in eine entsprechende Klinik mit einer Stroke-Unit: „Time is brain.“
Literatur:
1 Österreichische Ärztekammer: Verordnung der Österreichischen Ärztekammer zur Qualitätssicherung der ärztlichen Versorgung durch niedergelassene Ärzte und Ärztinnen sowie Gruppenpraxen (Qualitätssicherungsverordnung 2018 – QS-VO 2018). Veröffentlicht am 19. Dezember 2017 2 Notfallkompendium der Salzburger Notärzte 2020 3 European Resuscitation Council: resuscitation practices during the COVID-19 pandemic (ENG202005). Online Kurs 2020. Online unter https://cosy.erc.edu/en/online-course-preview/356a192b7913b04c54574d18c28d46e6395428ab/index#/ . Abgerufen am 12. Oktober 2020 4 Hazen PG et al.: Medical emergencies in the dermatology office: incidence and options for crisis preparedness. Cutis 2014; 93(5): 251-5 5 Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V.: Leitlinien. 2012 6 Dorles B et al.: Reanimation 2015, Leitlinien Kompakt. Hrsg.: Deutscher Rat für Wiederbelebung – German Resuscitation Council e.V. 2015, Ulm