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AAD Annual Meeting 2023

Neue Daten aus der Forschung und der klinischen Praxis

Die vierstündige Session «Hot Topics», die traditionell im Rahmen des jährlichen Kongresses der AAD (American Academy of Dermatology) abgehalten wird, zeichnet sich dadurch aus, dass die Themen vom Publikum ausgesucht werden. Auch in diesem Jahr wurden wieder spannende Daten aus dem Off- und On-Label-Bereich präsentiert sowie zur Grundlagenforschung.

Adam Friedman berichtete über Erkenntnisse aus dem Bereich des Mikrobioms, von dem bekannt ist, dass es durch die in der Dermatologie eingesetzten Therapien beeinflusst wird. In der menschlichen Haut sind bereits mehr als 500 Spezies an Bakterien nachgewiesen worden. Von einigen entzündlichen Hauterkrankungen wie Akne, Rosazea oder atopischer Dermatitis (AD) wissen wir bereits, dass sie mit einer kutanen Dysbiose assoziiert sind. Allerdings konnten bislang noch keine Ansätze identifiziert werden, die wegweisend für die Entwicklung von Therapien sind, um das Mikrobiom gezielt und aktiv zu beeinflussen.1

Biologika bei Psoriasis – Charakteristika

Mark Lebwohl referierte über den Einsatz von Biologika bei Psoriasis (Ps) und Hidradenitis suppurativa. Ganz sicher wurde mit dem Einzug der Biologika das Therapiearmamentarium für die Behandlung von Ps massgeblich verändert und bei vielen Patienten, die bis zum Beginn der 2000er-Jahre ohne Hoffnung auf eine Verbesserung waren, kann mit den gegenwärtig verfügbaren Biologika oft sogar eine komplette Erscheinungsfreiheit erzielt werden. Lebwohl hob auch Spezifika einzelner Antikörper hervor. So ist Adalimumab bei Hidradenitis suppurativa nicht so rasch wirksam wie bei Ps – bis eine maximale Response zu verzeichnen ist, kann es bis zu Woche 36 nach Therapiestart dauern. Ungeduldige Patienten müssen dahingehend vorgewarnt werden. Certolizumab ist das einzige für Ps zugelassene Biologikum, das die Plazentaschranke nicht passieren kann und so ohne Bedenken auch Schwangeren verabreicht werden kann. Infliximab wird aus Kostengründen in den meisten Fällen nur mehr als Biosimilar eingesetzt, laut Studiendaten ist dieses aber vergleichbar effektiv wie die Originatorsubstanz. Ustekinumab führt zur am längsten anhaltenden Response und geht somit auch mit der längsten Anwendungsdauer einher. Tildrakizumab zählt zu jenen Biologika, die mit dem längsten Ansprechen einhergehen. Patienten, die die Therapie <5 Jahre nach dem Auftreten von Symptomen starteten, hatten im Vergleich zum Therapiestart >10 Jahre nach Beginn der Symptome die höchsten Responseraten. Auch für Risankizumab konnte ein exzellentes, stabiles Ansprechen von >256 Wochen nachgewiesen werden. Dieser IL-23-Inhibitor zeichnet sich dadurch aus, dass er auch bei adipösen Patienten gleichermassen wirksam ist, was für Biologika bei Ps nicht als selbstverständlich gilt. Brodalumab ist das am schnellsten wirksame am Markt verfügbare Biologikum. Von allen IL-23-Antikörpern liegen für Guselkumab die stärksten Daten zur Psoriasisarthritis (PsA) vor, da es der einzige IL-23-Inhibitor ist, der einer radiografischen Progression entgegenwirkt. Für Secukinumab konnte gezeigt werden, dass die Verkürzung des Verabreichungsintervalls – 300mg alle 2 statt alle 4 Wochen – zu einer höheren Clearance der Haut und im Fall von PsA auch der Gelenke führt, allerdings muss zuvor die Kostendeckung sichergestellt werden. Spesolimab und Imsidolimab blockieren beide IL-36. Spesolimab ist insbesondere bei pustulärer Ps wirksam, und dies bereits nach der ersten Infusion. Nach der zweiten Infusion (Woche 4) kann bereits eine komplette Erscheinungsfreiheit erzielt werden. Imsidolimab, ebenfalls für pustuläre Ps entwickelt, ist ähnlich rasch wirksam wie Spesolimab. Grosse Hoffnung ruht auf dem IL-17-Antikörper Bimekizumab, unter dem die meisten Patienten bis zum Ende der Placebo-(PBO)-kontrollierten Studienphase einen PASI (Psoriasis Activity and Severity Index) 100 erreicht haben.2

Neue Entwicklungen in der AD

Emma Guttman berichtete über neue Targets in der Therapie von atopischer AD, die in der Pathogenese der Erkrankung eine Rolle spielen. Für AD befinden sich viele neue Substanzen in klinischer Entwicklung, sowohl für die systemische als auch für die topische Applikation.3 So wurde der OX40-Antikörper Rocatinlimab in einer fünfarmigen Phase-IIb-Studie (150 oder 600mg alle 4 Wochen [q4w] bzw. 300 oder 600mg [q2w]) vs. PBO untersucht. In allen Rocatinlimab-Gruppen wurden bis zur Woche 16 statistisch signifikant ausgeprägtere Verbesserungen der AD mittels Beurteilung der Reduktion des EASI(Eczema Area and Severity Index)-Scores verzeichnet als im PBO-Arm.4

Der CCR4-Inhibitor RPT193 erwies sich in einer Phase-Ib-Studie mit 75 Patienten (NCT04271514) als gut verträglich – es wurden keine schwerwiegenden Infektionen verzeichnet und kein Patient brach die Studie aufgrund von Nebenwirkungen (AE) ab. Zurzeit ist eine Phase (NCT05399368) zur weiteren Untersuchung von Wirksamkeit und Verträglichkeit im Gange.

Tapinarof ist ein AHR(Aryl-Hydrocarbon-Rezeptor)-Modulator, der topisch appliziert wird. In einer Phase-IIb-Studie wurden 247 Patienten zum Erhalt von Tapinarof-Creme 0,5% oder 1% 1x oder 2x täglich bzw. zum Erhalt eines Vehikels randomisiert. Als primärer Endpunkt war die Verbesserung des EASI-Scores in Woche 12 definiert. Bei allen Patienten unter Tapinarof wurde eine signifikant stärkere Verbesserung des EASI verzeichnet als bei jenen in der Vehikel-Gruppe, wobei die 1%ige Creme bei Applikation 1x oder 2x täglich besser abschnitt als die 0,5%ige (Abb. 1) Auch die IGA(«Investigator Global Assessment»)-Beurteilung fiel unter Tapinarof 1% signifikant besser aus als unter der 0,5%. Die meisten AE waren mild oder moderat. Insgesamt stellt also Tapinarof einen neuen und innovativen Ansatz in der Therapie von AD dar, muss allerdings in weiteren Studien noch eingehender untersucht werden.5

Abb. 1: Mittlere prozentuale Veränderung in den EASI-Scores seit Baseline bis zum primären Endpunkt (Woche 12) und 4 Wochen nach der Applikation der letzten Prüfsubstanz («ITT [intention-to-treat»]-Population; LOCF [«last observation carried forward»]). Die Differenz gegenüber dem Vehikel war statistisch signifikant und lag bei *p< 0,5; **p< 0,01; ***p< 0,001. Die gestrichelte Linie stellt den primären Endpunkt dar (Woche 12) (mod. nach Paller AS et al., 2021)5

Management von Arzneimittelreaktionen

Den Arzneimittelreaktionen ist gemeinsam, dass für die meisten keine etablierte Substanz zur Therapie verfügbar ist, für deren Effektivität harte Evidenz vorliegt. Während das SDRIFE («symmetrical drug-induced intertriginous flexural exanthema») die harmloseste Hautreaktion ist, stellen das SJS (Stevens-Johnson-Syndrom) und die TEN (toxische epidermale Nekrolyse) die schwerste und mit der höchsten Mortalität einhergehende Arzneimittelreaktion dar. Bei vielen Arzneimittelreaktionen sind das Absetzen der auslösenden Substanz und die Behandlung mit topischen Steroiden ausreichend. In schwereren Fällen ist die Gabe von systemischen Steroiden oder anderen Substanzen wie Antikörpern erforderlich.

Das SDRIFE – früher Pavian-Syndrom genannt – tritt gluteal, inguinal oder auch axillär auf und zeichnet sich durch ein charakteristisches Muster aus. Es kann wenige Stunden bis wenige Tage nach der Arzneimittelexposition auftreten. Meist handelt es sich um Typ-IV-Reaktionen, der Pathomechanismus ist jedoch unklar. Als auslösende Substanzen kommen definierte Antibiotika, aber auch Infliximab oder Allopurinol infrage.

Das SJS und die TEN sind zwei Formen derselben lebensbedrohlichen Hauterkrankung. Während beim SJS nur kleinere Bereiche – insbesondere die Augen – betroffen sind, zeichnet sich die TEN durch das Abschälen ausgedehnter Hautareale aus. Zu den möglichen Auslösern zählen bestimmte Antiepileptika, Allopurinol und bestimmte HIV-Medikamente. Behandelt werden diese Arzneimittelreaktionen mittels «supportive care» (Flüssigkeit, Elektrolyte) und systemischer Steroide. Darüber hinaus können IVIG (intravenöse Immunglobuline), Cyclosporin A oder Etanercept zum Einsatz kommen. Die optimale Therapie ist unklar.

DRESS («drug rash with eosinophilia and systemic symptoms») ist ein Hypersensitivitätssyndrom mit zytotoxischen Reaktionen, Eosinophilenaktivierung und Organbeteiligung (meistens hepatisch und/oder myokardial). Der Vortragende José Dario Martinez hat darauf hingewiesen, dass es Assoziationen zwischen definierten Medikamenten und den betroffenen Organen gibt. So ist beispielsweise Allopurinol mit einer Nierenbeteiligung assoziiert, Ampicillin hingegen mit einer Herzbeteiligung. Weitere mögliche Auslöser sind Vancomycin, bestimmte Antiepileptika, Antibiotika etc. Die betroffenen Patienten entwickeln hohes Fieber, morbilliforme Hautausschläge im Gesicht, am Stamm und an den Extremitäten, ein faziales Ödem und eine Lymphadenopathie. Als negative prognostische Faktoren wurden Thrombo-/Panzytopenie, Nierenversagen, multiple Organbeteiligung und Komorbiditäten identifiziert. Zwar besteht keine Dosis-Wirkungs-Beziehung, tückisch aber ist, dass DRESS auch erst 2–6, oft auch bis zu 8 Wochen nach der initialen Exposition auftreten kann. Die Mortalität – meist aufgrund von Hepatopathie – wird mit 10% angegeben. Es besteht die Gefahr von Langzeitschäden in Form von Graves’ Disease, Thyreoiditis, Diabetes mellitus Typ 1, Lupus erythematodes oder Alopecia areata. Welche die beste Therapie ist, ist unbekannt. Zur Behandlung kommen systemische Steroide und/oder Etanercept bzw. andere TNF-α-Antagonisten oder Cyclosporin A zur Anwendung.6

AAD Annual Meeting 2023, 17.–21. März 2023, New Orleans

1 Friedman A: Skin microbiome. AAD 2023 2 Lebwohl M: Biologics and psoriasis: the beat goes on. AAD 2023 3 Guttman-Yasky E: Atopic dermatitis: new developments. AAD 2023 4 Guttman-Yasky E et al.: Lancet 2023; 401: 204-14 5 Paller AS et al.: J Am Acad Dermatol 2021; 84: 632-28 6 Martinez JD: Drug eruptions: the good, the bad and the ugly. AAD 2023

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