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MRSA und Ulcus cruris

<p class="article-intro">Die Problematik von Methicillin-resistenten Keimen ist bereits seit Anfang der 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts bekannt. Die Erstbeschreibungen von MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) erfolgten bereits 1961 in England. MRSA ist gekennzeichnet durch die Resistenz gegenüber den Markersubstanzen Methicillin/Oxacillin/Cefoxitin und ist als fakultativ pathogener Erreger einzustufen. </p> <hr /> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Derma_1604_Weblinks_seite19.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Unterschieden werden drei Formen: der &bdquo;hospital associated/acquired&ldquo; (ha), der &bdquo;community associated&ldquo; (ca) und der &bdquo;livestock associated&ldquo; (la) MRSA. Der ha-MRSA kommt v.a. in medizinischen und Pflegeeinrichtungen vor und f&uuml;hrt zu Kolonisation von Haut und Schleimh&auml;uten. Bei vorbestehenden Komorbidit&auml;ten besteht ein bis zu 30-fach erh&ouml;htes Infektionsrisiko. Der ca-MRSA wird in ambulanten Bereichen, bei sozialen Randgruppen, bei Gruppen mit engem k&ouml;rperlichem Kontakt (Sauna, Sportklub), nach Auslandsaufenthalten und bei Angeh&ouml;rigen der MSM-Szene vermehrt nachgewiesen. La-MRSA betrifft v.a. Einrichtungen mit Masttierhaltung (u.a. Schweine, Rinder, Gefl&uuml;gel) und Schlachtbetriebe mit Befall von Mitarbeitern und auch Tier&auml;rzten. Vermittelt wird die Resistenz durch das mecA-Gen, welches verantwortlich ist f&uuml;r die Kodierung der resistenzvermittelnden Proteine. Die Resistenz beinhaltet Penicilline, Cephalosporine der 1.&ndash;4. Generation (au&szlig;er MRSA-wirksame Cephalosporine wie Ceftarolin), Makrolide, Chinolone, Lincosamide, Tetrazykline und auch vereinzelt Vancomycin. <br />Laut AURES-Bericht 2014 f&uuml;r &Ouml;sterreich (BM f&uuml;r Gesundheit) lag die MRSA-Rate bei 7,8 % , wobei v.a. bei &auml;lteren Menschen und M&auml;nnern vermehrt MRSA nachgewiesen wurde. Im Europavergleich liegt &Ouml;sterreich im unteren Drittel. In Europa reichen die MRSA-Raten von 1 % in Schweden bis zu 56 % in Rum&auml;nien. <br />Betreffend die &Uuml;bertragung ist zu bemerken, dass MRSA zwischen 7 Tagen und 7 Monaten in unbelebter Umgebung des Patienten nachgewiesen werden kann. Der &Uuml;bertragungsweg ist v.a. der direkte Patientenkontakt, &uuml;ber kontaminierte Gegenst&auml;nde sowie auch Oberfl&auml;chen der Patientenumgebung. Bei nasaler/pharyngealer Besiedelung kann die &Uuml;bertragung auch via Tr&ouml;pfcheninfektion erfolgen. Nicht zu vernachl&auml;ssigen ist die Freisetzung von Keimen von gro&szlig;fl&auml;chigen, nicht abgedeckten Wunden und schuppenden Dermatosen. Auf jeden Fall sind die H&auml;nde des Personals der wichtigste &Uuml;bertragungsweg von MRSA in medizinischen Einrichtungen.</p> <h2>Risikogruppen</h2> <p>Ein allgemeines Screening ist nicht zielf&uuml;hrend, wie u.a. von Roth VR 2016 publiziert wurde. Daher ist es wichtig, eine sogenannte Risikostratifizierung durchzuf&uuml;hren. Zu den Risikogruppen f&uuml;r eine Kolonisation z&auml;hlen: Patienten mit positiver MRSA-Anamnese, Patienten aus Regionen mit hoher Pr&auml;valenz von MRSA, Dialysepatienten, Patienten mit station&auml;rem Aufenthalt von mehr als 3 Tagen im letzten Jahr, mit regelm&auml;&szlig;igem direktem beruflichem Kontakt mit MRSA (Tiere!), anamnestisch station&auml;rem Aufenthalt im Zimmer mit einem MRSA-Patienten und Patienten mit chronischen Hautl&auml;sionen wie chronischen Wunden und tiefen Weichteilinfektionen. Getriggert wird das Risiko noch durch eine Antibiotikatherapie in den letzten 6 Monaten und liegende Katheter (Harn, PEG, ZVK, Kan&uuml;len). Zur Wegbereitung einer Infektion tragen patientenindividuelle Risikofaktoren bei &ndash; Diabetes mellitus, Dialyse, Alkoholabh&auml;ngigkeit, Operationen (Gef&auml;&szlig;-, Kardio- und Knochenchirurgie) &ndash;, auch penetrierende Fremdk&ouml;rper (Shunts, Ports, PEG) erh&ouml;hen das Risiko. Das klinische Spektrum einer Infektion umfasst sowohl lokale Infektionen wie Furunkel, Karbunkel, rez. Pyodermien und Wundinfektionen als auch systemische Erkrankungen wie Meningitis, Pneumonie oder Sepsis. Nicht zu vernachl&auml;ssigen sind toxinvermittelte Erkrankungen (&bdquo;toxic shock syndrome&ldquo;, &bdquo;staphylococcal-scalded skin syndrome&ldquo;, Lebensmittelintoxikationen). <br />Bei Verdacht auf eine MRSA-Kolonisation sind Abstriche von beiden Nasenvorh&ouml;fen, Rachen und Haut (Axilla, Haargrenze, Leiste und Perineum) zu machen. Spezifische Abstrichlokalisationen sind chronische Wunden, Austrittsstellen von Drainagen, Stomata und Kathetern. Bei gro&szlig;fl&auml;chigen Wunden sollte f&uuml;r den Abstrich der &bdquo;Essener Kreisel&ldquo; verwendet werden, damit ein m&ouml;glichst gro&szlig;es Erregerspektrum erfasst werden kann. Beim Essener Kreisel erfolgt der Abstrich in kreisenden Bewegungen vom Rand der Wunde bis zum Zentrum.</p> <h2>Was tun bei Nachweis einer MRSA-Kolonisation?</h2> <p>Das Um und Auf im Umgang mit MRSA-positiven Patienten ist die hygienische H&auml;ndedesinfektion! Weiters geh&ouml;rt dazu das Tragen von Einmalm&auml;nteln/sch&uuml;rzen und von Handschuhen. Bei Nasen-Rachenraum-Befall m&uuml;ssen Patient und betreuendes Personal einen Nasenmundschutz aufsetzen. Die patientenbezogenen Materialien/Instrumente m&uuml;ssen direkt unmittelbar ver- und entsorgt werden. Im ambulanten Bereich ist nach der Behandlung eine Fl&auml;chendesinfektion durchzuf&uuml;hren. Unter station&auml;ren Bedingungen wird der Patient isoliert (Einzelzimmer) und alle m&ouml;glicherweise kontaminierten Gegenst&auml;nde werden im Zimmer entsorgt. F&uuml;r die Dekolonisation zeigen sich Octenidin, Polyvidon-Jod, Chlorhexidin und Polyhexanid als wirksam. Bei nasalem Befall erfolgt eine Behandlung mit Mupirocin-Nasensalbe und bei oropharyngealem Befall eine Behandlung mit einer antiseptischen Gurgell&ouml;sung. Au&szlig;erdem sollen t&auml;glich antiseptische Haar- und K&ouml;rperwaschungen durchgef&uuml;hrt werden. Chronische Wunden wie das Ulcus cruris werden lokal antiseptisch/antibakteriell behandelt. Ein Patient gilt als dekolonisiert, wenn an zwei, besser drei aufeinander folgenden Tagen nach durchgef&uuml;hrter Therapie die Abstriche der vorher positiven Lokalisationen negativ sind. Tritt kein Erfolg ein, so ist daran zu denken, dass die Ursache in der Kolonisation von Wunden, Fremdk&ouml;rpern (ZVK), rektaler Besiedelung, bei Kontaktpersonen oder bei Haustieren liegen kann; diese M&ouml;glichkeiten m&uuml;ssen immer wieder ins Therapiekonzept mit eingebunden werden. Eine systemische Antibiose ist nur bei Infektionen indiziert! Die Lokaltherapie von chronischen Wunden/Ulcus cruris &uuml;berhaupt hat als ersten Schritt die Keimreduktion zum Ziel.</p> <h2>Cave Biofilm</h2> <p>MRSA-Keime haben die F&auml;higkeit, einen Biofilm zu bilden. Der Biofilm wirkt wie ein Schutzmantel f&uuml;r die Bakterien: Sie k&ouml;nnen sich weiter vermehren, geben die Informationen zur Resistenzbildung und zum &Uuml;berleben weiter (= &bdquo;quorum sensing&ldquo;) und werden dadurch widerstandsf&auml;hig gegen&uuml;ber Antiseptika und Antibiotika. Daher ist ein regelm&auml;&szlig;iges D&eacute;bridement unumg&auml;nglich. Die M&ouml;glichkeiten sind mechanisch, chirurgisch, biochirurgisch (Madentherapie), ultraschall&shy;assistiert, hydrochirurgisch oder auch Superabsorber. Wundsp&uuml;ll&ouml;sungen/Antiseptika haben zum Ziel, Zelltr&uuml;mmer, Nekrosepartikel, Verbandr&uuml;ckst&auml;nde und Bakterien zu entfernen, somit eine konsekutive Biofilmreduktion. Reaktiver Sauerstoff, Octenidin- bzw. Polyhexanid-h&auml;ltige L&ouml;sungen und Jod sind daf&uuml;r geeignet.</p> <p>Als Wundauflagen stehen antimikrobielle/hydroaktive Verb&auml;nde, medizinischer Honig und silberh&auml;ltige Materialien zur Verf&uuml;gung. Es ist ein wirkstofffreier, antibakterieller, aus Acetat- bzw. Baumwollgewebefaser bestehender Verband auf dem Markt, der durch seine Beschichtung mit DACC (Dialkylcarbamoylchlorid) rein physikalisch die Bakterien in sich bindet. Er ist wirksam u.a. gegen MRSA, bisher sind keine Resistenzen beschrieben, und es sind weder lokale noch systemische Nebenwirkungen zu erwarten. Ein weiteres Produkt ist medizinischer Honig. Die Wirkung ist antibakteriell, wundreinigend, entz&uuml;ndungs- und geruchshemmend, er f&ouml;rdert sowohl Granulation als auch Epithelialisierung. Bisher sind keine Resistenzen beschrieben. Medizinischer Honig ist als Therapie lokaler Wundinfektionen etabliert (Positionspapier der EWMA: Management von Wundinfektionen). Silberhaltige Wundauflagen stehen in verschiedenen Formen (silberbeschichtetes Polyethylennetz, Schaumstoffe, Hydrofaser- und Alginatverb&auml;nde, Salbenkompressen) zur Verf&uuml;gung. Diese Verb&auml;nde haben eine bakterizide Wirkung mit breitem Wirkspektrum und bisher fehlenden Resistenzen. Die Wirkdauer h&auml;ngt von dem jeweiligen Silbergehalt des Pr&auml;parates ab. Eine weitere Therapieoption stellt Polyvinylpyrrolidon-Jod (PVP-Jod) dar. Verschiedene Produktformen stehen zur Verf&uuml;gung, sollten aber eher bei akuten als bei chronischen Wunden angewandt werden.</p> <h2>Systemische Antibiose nur bei Infektion</h2> <p>Eine manifeste Infektion stellt die einzige Indikation f&uuml;r eine systemische Antibiotikagabe dar. Gekennzeichnet ist die Infektion durch die Kardinalzeichen Dolor, Rubor, Calor und Functio laesa. Dazu kommen noch Systemzeichen wie Fieber und Reduktion des Allgemeinzustandes, Leukozytose und Anstieg des CRP-Wertes. Am Ulcus cruris kommt es zu Gr&ouml;&szlig;enzunahme, vermehrtem Exsudat mit d&uuml;sterrotem Granulationsgewebe und vermehrt zu Schmerzen. Die Einleitung einer intraven&ouml;sen Antibiose sollte umgehend erfolgen, beginnend entsprechend der aktuellen Resistenzlage, bis das Antibiogramm vorliegt.</p> <h2>Konklusion</h2> <p>Es muss weiterhin das Ziel sein, die MRSA-Raten zu senken. Wichtig daf&uuml;r ist eine gezielte Awareness gegen&uuml;ber Risikopatienten und Risikosituationen. Die konsequente H&auml;ndedesinfektion im medizinischen Alltag sowie ein konsequentes Einhalten der allgemeinen Hygienema&szlig;nahmen sind unabdingbar. Bei Nachweis von MRSA sind die Dekolonisierung des Patienten sowie lokal eine antiseptische/antibakterielle Therapie unmittelbar einzuleiten. Die Reduktion der Antibiotikagabe, wenn nicht erforderlich, ist ein weiterer Schritt, um dieses Ziel zu erreichen.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Graz, Auenbruggerplatz 8<br> E-Mail: barbara.binder@klinikum-graz.at <br><br> Quellen:<br> Bundesministerium für Gesundheit, Resistenzbericht Österreich, AURES 2014<br> Bundesgesundheitsblatt 2014; 57: 696-732. Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von Methicillin-resistenten Staphylococcus-aureus-Stämmen (MRSA) in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch Institut </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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