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Dicht und durchlässig

Molekulare Organisation von «tight junctions» entschlüsselt

Sie dichten Epithelzellen ab und lassen unter bestimmten Bedingungen Ionen und Wasser durch: «Tight junctions» bilden eine parazelluläre Barriere in Geweben. Ihre molekularen Komponenten sind lange bekannt, nicht jedoch wie sich die sogenannten Claudine organisieren. Mit der Lichtmikroskopietechnik STED gewannen Forscher nun Einblicke in die Struktur von «tight junctions» und die Epithelbarriere.

Als dichte Barriere schützen «tight junctions» das Körperinnere vor Bakterien und ihren Toxinen. Dass es sie gibt, weiss man seit 60 Jahren, und seit 30 Jahren sind deren molekulare Hauptkomponenten bekannt: Es sind 26 Membranproteine namens Claudine, die sich je nach Zelle in verschiedenen Konstellationen zu semipermeablen bis zu einige HundertNanometer breiten Netzwerken organisieren. In der Regel tun sich mehrere Claudine zusammen, manche Barrieren bestehen aber nur aus einem oder zwei der Strukturproteine.

Doch wie organisieren sich Claudine, um je nach Zelle bzw. Gewebe unterschiedliche Barriereeigenschaften anzunehmen? Und wie sehr sind sie dabei aufeinander angewiesen? Diese Fragen blieben bislang unbeantwortet, weil niemand die Struktur der nur ca. 10nm dicken Stränge durchschauen konnte. Nun ist genau das mithilfe der STED-Mikroskopie gelungen.

Mit STED einzelne Netzwerkmaschen aufgelöst

«Zum ersten Mal können wir nun den Mechanismus für alle Hauptepithelbarriereeigenschaften beschreiben», betont Dr. Martin Lehmann, Leiter der Gruppe Cellular Imaging des Leibniz-Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie (FMP). Normalerweise ist die Auflösung von Fluoreszenzmikroskopen auf ca. 250nm begrenzt. Im STED sind 50nm oder weniger möglich. «Mit der gewöhnlichen Fluoreszenzmikroskopie hätten wir nie die dichte Organisation der «tight junctions» durchdrungen, aber mit STED konnten wir die einzelnen Maschen des Netzwerks auflösen. Und so können wir nun die genaue Position der Proteine bestimmen», sagt Hannes Gonschior, Erstautor der Studie.

Zunächst erfolgten die Untersuchungen auf zellulärem Niveau, dann im Gewebe aus Darm und Nieren von Mäusen. Drei Erkenntnisse aus der jetzt in Nature Communications publizierten Arbeit sind besonders hervorzuheben:

  1. Claudine dichten Zellzwischenräume für Ionen und kleine Moleküle ab – ähnlich einem Reissverschluss. Diese Abdichtungen sind je nach Gewebe und Zusammensetzung der «tight junctions» selektiv ionendurchlässig.

  2. Jedes zweite Claudin kann nicht in Stränge polymerisieren. Es ist zur Bildung einer «tight junction» auf andere Teammitglieder angewiesen, die es «funktionalisieren».

  3. Claudine agieren in fünf Organisationsprinzipien miteinander. Das heisst, es gibt fünf verschiedene Wege, wie sie sich mischen können, aber auch wieder entmischen.

Modell für die Wirkstoffsuche geschaffen

Davon, dass die FMP-Forschenden erstmals die Nano-Organisation der «tight junctions» bestimmen konnten, kann auch die Medizin profitieren. Mutationen an Claudinen spielen bei verschiedenen Erbkrankheiten eine Rolle. Am offensichtlichsten ist dies beim HELIX-Syndrom – einer seltenen Erkrankung, bei der die Betroffenen zu wenig Schweiss produzieren. Sie geht zurück auf eine Mutation im Claudin 10b, das zu Defekten an den Schweiss-, Tränen- und Mundspeicheldrüsen sowie gestörter Kalzium- und Magnesiumregulation in der Niere führt.

«Unsere Forschung ist vom klinischen Bezug noch sehr weit weg», schränkt Biophysiker Martin Lehmann ein. «Doch wir verstehen jetzt, wie diese Netzwerke aufgebaut sind. Das ist der erste Schritt.» (red)

Gonschior H et al.: Nanoscale segregation of channel and barrier claudins enables paracellular ion flux. Nat Commun 2022; 13(1): 4985

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