© Getty Images/iStockphoto

„Lupe – Seele – Melanom“

<p class="article-intro">Infolge der verfügbaren neuen innovativen Medikamente und der Intensivierung der fächerüber&shy;greifenden Zusammenarbeit kann das Melanom heute sowohl bei Früherkennung als auch im fortgeschrittenen Stadium sehr gut behandelt werden, so Univ.-Prof. Dr. Norbert Sepp bei der Fortbildungsveranstaltung „Lupe – Seele – Melanom“ im April 2018 im Ordensklinikum Elisabethinen in Linz. Dabei darf aber nicht auf das psychosoziale Umfeld der Patienten vergessen werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Inzidenz wie auch die Mortalit&auml;t des malignen Melanoms sind im Zunehmen. Die j&auml;hrlichen Neuerkrankungen in &Ouml;sterreich belaufen sich auf 5000 F&auml;lle. Mit der Verbesserung der Fr&uuml;herkennung und der Einf&uuml;hrung neuer hochwirksamer Therapiekonzepte, die zu einem l&auml;ngeren &Uuml;berleben gef&uuml;hrt haben, ist auch die Behandlung intensiver, komplexer, langwieriger geworden und hat sich tendenziell aus dem Krankenhausbereich in den ambulanten Bereich verschoben, berichtete Prof. Dr. Barbara Sperner-Unterweger, Univ.-Klinik f&uuml;r Psychiatrie II, Innsbruck.<br />&bdquo;Obwohl es die sogenannte Krebspers&ouml;nlichkeit nicht gibt, kann psychischer Stress, als ein Faktor von vielen, f&uuml;r die Krankheitsentstehung und den Verlauf von Bedeutung sein&ldquo;, so Sperner-Unterweger. Klar ist, dass eine Krebserkrankung f&uuml;r die Betroffenen immer eine gro&szlig;e Herausforderung darstellt. Die Patienten m&uuml;ssen sich zum Beispiel mit Alltags&auml;ngsten, Zukunfts&auml;ngsten, Angst vor dem Rezidiv und K&ouml;rperbildst&ouml;rungen auseinandersetzen. Funktionseinschr&auml;nkungen durch Schmerzen, Lymph&ouml;dem oder Fatigue ver&auml;ndern den sozialen, beruflichen und pers&ouml;nlichen Bereich. Das Leben wird auf den Kopf gestellt. In der psychoonkologischen Arbeit ist es ein Ziel, den Patienten einen Zugang dazu zu er&ouml;ffnen, dass neben den Belastungen durch die Krankheit das Leben jedes einzelnen Betroffenen auch noch Teile von Gesundheit aufweist. Diese gesunden Anteile zu st&auml;rken stellt eine wichtige Aufgabe in der Psychoonkologie dar. Interventionsprogramme f&uuml;r Melanompatienten &uuml;ber 6 Wochen, basierend auf verhaltenstherapeutischen Ans&auml;tzen, f&ouml;rdern Gesundheitsverhalten und vermitteln Stressmanagement. Diese psychoedukativen Angebote k&ouml;nnen die Krankheitsbew&auml;ltigung positiv beeinflussen und die Lebensqualit&auml;t f&ouml;rdern. Jede maligne Erkrankung erfordert spezifische Anpassungsleistungen. Alltags&auml;ngste, Zukunfts&auml;ngste, Angst vor dem Rediziv und K&ouml;rperbildst&ouml;rungen stellen gro&szlig;e Herausforderungen dar.</p> <p><strong><strong>Depression</strong></strong></p> <p>Den Zusammenhang zwischen Depression, Angst und Lebensqualit&auml;t bei Melanompatienten untersuchte die Gruppe um Beutel M et al. 2015 in einem Langzeit-Follow-up.<sup>1</sup> Disstress war besonders bei Frauen mittleren Alters ausgepr&auml;gt, beide Geschlechter hatten Einschr&auml;nkungen im Funktionsniveau und wiesen mehr &Auml;ngste und depressive Symptome auf als die gesunde Kontrollgruppe. In einer Untersuchung zu religi&ouml;sen und spirituellen Bed&uuml;rfnissen kam die Arbeitsgruppe um Hau&szlig;mann et al. 2017 zu dem Schluss, dass diese unabh&auml;ngig von der Phase der Erkrankung und auch unabh&auml;ngig von aktuellen Belastungen sind.<sup>2</sup> F&uuml;r die Mehrheit der PatientInnen haben die Bed&uuml;rfnisse nach Unterst&uuml;tzung und Sicherheit gro&szlig;e Bedeutung. Besonders erw&auml;hnt wird auch die Suizidalit&auml;t, die insgesamt bei Krebspatienten nicht h&ouml;her liegt als bei anderen Patientengruppen, allerdings besteht zum Zeitpunkt der Diagnose (und bis zu 6 Monate nach Diagnose) ein deutlich erh&ouml;htes Suizidrisiko. Bestimmte Medikamente wie Interferon, Kortikosteroide, Vinblastin etc. k&ouml;nnen depressiogen wirken. &bdquo;Depressive Patienten sind unsichtbar, sie wollen nicht auffallen oder ihren Arzt belasten. Wir als &Auml;rzte m&uuml;ssen aktiv durch Fragen auf diese Patienten zugehen&ldquo;, sagte Sperner-Unterweger. Schlafst&ouml;rungen sind auch ein sehr belastendes Symptom in der Depression und schlafansto&szlig;ende Medikamente wie beispielsweise Mirtazapin oder Trazodon k&ouml;nnen da hilfreich sein.</p> <p><strong><strong>Fatigue</strong></strong></p> <p>Eines der h&auml;ufigsten Symptome bei onkologischen Patienten mit Pr&auml;valenzraten &gt;60 % ist Fatigue. Die andauernde psychisch-emotionale M&uuml;digkeit ohne Erholung durch Schlaf kann in jedem Stadium der Erkrankung auftreten, beeinflusst das Befinden und die kognitiven F&auml;higkeiten, soziale wie auch Alltagsfunktionen. Hilfreich sind vor allem Informationen &uuml;ber die Fatiguesymptomatik, sportliche Aktivierung, &bdquo;mind-body interventions&ldquo; und Psychoedukation. Einige pharmakologische Studien zeigen, dass Methylphenidat&shy;en eventuell positive Effekte haben kann.</p> <p><strong><strong>Delir</strong></strong></p> <p>Zu den Risikofaktoren f&uuml;r die Ausbildung eines nicht substanzinduzierten Delirs z&auml;hlen eine Demenz, &bdquo;mild cognitive impairment&ldquo; (MCI), Depression und ein bereits vorangegangenes Delir. Weitere Risikofaktoren f&uuml;r ein Delir sind Alkoholmissbrauch, Einnahme bestimmter Medikamente, Elektrolytst&ouml;rungen (Natrium!), akute Infekte, Malnutrition/Dehydratation, Hypoxie, Stress/Angst, Schlafentzug, soziale Isolation und Multimorbidit&auml;t. Als Therapie ist in erster Linie die Behandlung der Risikofaktoren bzw. der Ausl&ouml;ser zu nennen, weiters vor allem nichtpharmakologische Interventionen, wie Fr&uuml;hmobilisation, F&ouml;rderung der Kommunikation, Einbeziehen von Bezugspersonen, Sitzwachen, Vermeidung von Fixierung. Falls diese therapeutischen Strategien nicht ausreichen, kann die Gabe von Antipsychotika (z.B. Risperidon 0,25mg bis 1mg/2mg) f&uuml;r die Dauer von zwei Tagen bzw. so lange, bis das Delir abklingt, erfolgen.<br />In der Diskussion wurde der &auml;rztliche Rat f&uuml;r Melanompatienten &bdquo;Sie sollten die Sonne meiden&ldquo; kritisch hinterfragt. Solcherlei Empfehlungen sind im Alltag nicht leicht umzusetzen und l&ouml;sen &Auml;ngste aus, welche die Lebensqualit&auml;t des Melanompatienten senken. Diese Aussage ist vonseiten des Hautarztes mit Vorsicht zu verwenden, betonte Prof. Sepp.</p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Die Auflichtmikroskopie habe die Fr&uuml;herkennung revolutioniert, betonte Univ.-Prof. Dr. Harald Kittler, Wien. &bdquo;Wir erkennen Melanome, die wir vor 20 Jahren nicht erkannt h&auml;tten.&ldquo; Die Evolution der Melanomdiagnostik erfreut sich eines ungebrochenen Fortschritts. W&auml;hrend es fr&uuml;her &ouml;fter F&auml;lle gab, die als senile Lentigo missinterpretiert wurden, gibt es heute hilfreiche bildgebende Verfahren in der Diagnostik. &bdquo;Auch die Patienten kommen fr&uuml;her, die Pathologen diagnostizieren fr&uuml;her, meist sehen wir nur mehr Melanome in situ, die nach der Exzision geheilt sind&ldquo;, so Kittler. Dennoch gibt es neben diesen Sonnenseiten auch einige Schattenseiten, betonte der Experte und stellte provokante Fragen in den Raum: Gibt es Problemzonen wie ungew&ouml;hnliche Lokalisationen, ungew&ouml;hnlich fr&uuml;hes Auftreten oder eine ungew&ouml;hnliche Pr&auml;sentation des Melanoms? Bedeutet die Fr&uuml;herkennung nicht auch einen Schaden neben all dem Nutzen, der damit verbunden ist? Kittler: &bdquo;Denn in der Regel wachsen Melanome langsam und wir haben Zeit.&ldquo; Problemzonen stellen akrale Lokalisationen oder das Nagelbett dar. Auch pigmentierte L&auml;sionen auf den Fersen oder Fu&szlig;sohlen verunsichern. T&auml;uschend wirken manchmal Hyperpigmentierungen der N&auml;gel bei Frauen, die unbequeme High Heels bevorzugen, oder bei Fu&szlig;ballern, die enge Fu&szlig;ballschuhe tragen, berichtete Kittler. Solche Ver&auml;nderungen wachsen nicht aus, weil das Trauma rezidivierend stattfindet. Eine weitere Problemzone stellt das Melanom der Genitalregion (vaginales Melanom) dar. Melanome am Capillitium (DD blauer Naevus am Capillitium) und das Melanom des hohen Lebensalters sind schwierig zu entdecken. Die DD bei sebhorrhoischer Keratose stellt mitunter auch eine Herausforderung an den Dermatologen. &bdquo;Dennoch ist es ratsam, nicht jede L&auml;sion mit Verdacht auf Melanom zu exzidieren, denn wir m&uuml;ssen selektiv vorgehen&ldquo;, sagte Kittler. Von der unterst&uuml;tzenden Aussagekraft digitaler Ger&auml;te ist Kittler jedoch &uuml;berzeugt. &bdquo;Die computergest&uuml;tzte Diagnostik ist nicht unser Feind, sie sollte vielmehr als Unterst&uuml;tzung in unserer Arbeit gesehen werden. Digitale Verlaufskontrollen erleichtern das Leben.&ldquo;</p> <h2>Therapie</h2> <p>&Uuml;ber neue Behandlungsstrategien referierte OA Dr. Helmut Kehrer, Linz. Ihm ist der Aufbau der Dermatoonkologischen Abteilung bei den Elisabethinen zu verdanken, lobte Prof. Sepp seinen Oberarzt. Eingangs referierte Kehrer &uuml;ber Studien zur &bdquo;sentinel lymph node mapping&ldquo; und die konsekutive Lymphadenektomie bei Metastasen. Eine geringe Verl&auml;ngerung des rezidivfreien &Uuml;berlebens rechtfertigt, bei fehlendem Vorteil f&uuml;r das Gesamt&uuml;berleben vermutlich nicht die komplette Lymphknotendissektomie bei positiven Sentinellymphknoten (SLN). Welche Subgruppen mit positivem SLN doch profitieren k&ouml;nnten, m&uuml;sste erst in Studien untersucht werden. Faktum ist, dass es derzeit keine Leitlinie dazu gibt. Bei einer Metastasendicke &gt;4mm ist aus seiner Sicht die komplette Entfernung angezeigt, bei einer Metastasendicke &ge;2,0mm und &le;4,0mm sollte die komplette Lymphknotenadenektomie mit dem Patienten besprochen und angeboten werden. In der adjuvanten Therapie mit dem langfristigen Ziel, die Ausbildung von Metastasen zu verhindern, ist Interferon nach wie vor Standard. &bdquo;Eine ganze Generation von Dermatologen ist mit Interferon aufgewachsen&ldquo;, so Kehrer. Leider ist der Benefit durch Interferon nur klein; er betr&auml;gt lediglich 3 % beim tumorfreien und Gesamt&uuml;berleben. Bei exulzerierten Melanomen ergibt sich ein h&ouml;herer Benefit beim tumorfreien &Uuml;berleben (7 % ) und Gesamt&uuml;berleben (10 % ).<br />Die Hochdosis-Ipilimumab-Therapie mit 10mg/kg KG verl&auml;ngert zwar das &Uuml;berleben, ist allerdings mit einer hohen Toxizit&auml;tsrate vergesellschaftet. In den USA ist es von der FDA zugelassen, in der EU wurde kein Antrag auf Zulassung gestellt.<br />Kehrer berichtete auch &uuml;ber eine Studie, die am ESMO 2017 in Madrid pr&auml;sentiert worden war: In dieser wurden Nivolomab<sup>3</sup> wie auch die Kombination der BRAF-Inhibitoren Dabrafenib 150mg 2x/d plus Trametinib 2mg im Vergleich zu Placebo untersucht.<sup>4</sup> Insgesamt zeigten sich ein verl&auml;ngertes rezidivfreies &Uuml;berleben und Gesamt&uuml;berleben sowohl f&uuml;r Nivolumab als auch f&uuml;r die Kombination Dabrafenib/Trametinib, allerdings wiesen 27 % der Patienten unter der zielgerichteten Kombinationstherapie schwere Nebenwirkungen auf, was bei 26 % zum Therapieabbruch f&uuml;hrte. Die Immuntherapie mit Nivolumab war besser vertr&auml;glich, nur 6 % der Patienten brachen die Therapie ab. <br />Zusammenfassend hielt Kehrer fest, dass das Ende der Interferontherapie defacto da sei, das Melanom keine Indikation f&uuml;r eine Monotherapie mit BRAF-Inhibitoren darstellte und wir mit Spannung die Zulassung der neuen Substanzen f&uuml;r Melanompatienten im Stadium III&ndash;IV zur adjuvanten Therapie im Quartal 4/2018 erwarten d&uuml;rften. <br />Einen echten Durchbruch in der Melanombehandlung brachte die Immuncheckpoint-Blockade mit PD-1-Antik&ouml;rpern, die heute aus der Therapie von Stadium-IV-Patienten nicht mehr wegzudenken sind, sagte Kehrer. Daten zu Pembrolizumab und Nivolumab, am ASCO 2016 und am ESMO 2017 vorgestellt, belegen eine gute Wirksamkeit, offene Fragen gibt es bez&uuml;glich der Behandlungsdauer und des Ansprechens bei Rezidiv. Im Ordensklinikum Linz wurden 58 Patienten mit PD-1-Antik&ouml;rpern als Monotherapie behandelt, davon entwickelten 13 eine komplette Response. Nur ein Patient entwickelte seither einen Progress. &bdquo;Wir sind weit davon entfernt, von Heilung zu sprechen&ldquo;, so Kehrer, &bdquo;allerdings ist die Prognose bei Patienten mit kompletter Response deutlich besser und vermutlich mit verl&auml;ngerten &Uuml;berleben verbunden.&ldquo;</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Fortbildungsveranstaltung „Lupe – Seele – Melanom“ im Ordensklinikum Linz Elisabethinen, 12. April 2018 </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Beutel ME et al.: PLoS ONE 2015; 10(1): e0116440 <strong>2</strong>&nbsp;Hau&szlig;mann A et al.: Psychother Psych Med 2017; 67: 413-419 <strong>3</strong> Weber J et al.: N Engl J Med 2017; 377: 1824-1835 <strong>4</strong>&nbsp;Hausschild A: ESMO 2017, Madrid</p> </div> </p>
Back to top