<p class="article-intro">Ein Grossteil der Bevölkerung wird bereits im Kindesalter zum ersten Mal mit dem Varizella-zoster-Virus (VZV) infiziert. Während die Infektion bei Kindern nur selten zu Komplikationen führt, stellt sie für Erwachsene mit zunehmendem Alter eine durchaus ernst zu nehmende Erkrankung dar. Der nachfolgende Artikel gibt einen ausführlichen Überblick über mögliche Komplikationen und deren Behandlung. </p>
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<p class="article-content"><p>Infektionen mit dem Varizella-zoster- Virus (VZV) gehören zu den häufigsten Infektionen, wobei 90 % der Bevölkerung vor dem 15. Lebensjahr mit diesem Virus infiziert werden. Die Primärinfektion manifestiert sich als Varizellen mit einem Enanthem in Form von kleinen aphthösen Läsionen und einem Exanthem mit Bläschen, Papeln und Pusteln (sog. «Heubner’scher Sternenhimmel»). In einem geringen Prozentsatz der betroffenen Kinder kann es zu einer bakteriellen Superinfektion und in seltenen Fällen zu einer VZV-Pneumonie kommen. Abgesehen von diesen Komplikationen und schwereren Verläufen bei immunkompromittierten Kindern stellen die Varizellen im Kindesalter kein grösseres medizinisches Problem dar.<br /> Anders ist die Situation einzustufen, wenn die Varizellen im Erwachsenenalter auftreten. Bei Adulten ist die Infektion mit Komplikationen wie Nekrosenbildung (Abb. 1) und konsekutiven Narben, bakterieller Superinfektion und dem Risiko, eine VZV-Pneumonie zu entwickeln, vergesellschaftet. Etwa 5–15 % der Jugendlichen und Erwachsenen mit Varizellen entwickeln eine Varizellenpneumonie, wobei als Risikofaktoren das Alter, Immunsuppression, Schwangerschaft, COPD und Nikotinabusus identifiziert wurden. Bei jedem Patienten mit klinischem Verdacht auf Varizellenpneumonie (Husten, Dyspnoe, Fieber) wird daher ein Thoraxröntgen empfohlen, zumal sich die Auskultation bei der Erfassung einer Varizellenpneumonie nicht als zuverlässige diagnostische Methode erweist. Angesichts einer Mortalität von ca. 10 % bei immunkompetenten Patienten bzw. 50 % bei immunsupprimierten Patienten und Schwangeren muss die Varizellenpneumonie umgehend systemisch mit intravenös verabreichten Nukleosidanaloga (Aciclovir) behandelt werden und auf das Auftreten eines «acute respiratory distress syndromes» (ARDS) besonders geachtet werden.</p>
<p class="article-intro">Ein Grossteil der Bevölkerung wird bereits im Kindesalter zum ersten Mal mit dem Varizella-zoster-Virus (VZV) infiziert. Während die Infektion bei Kindern nur selten zu Komplikationen führt, stellt sie für Erwachsene mit zunehmendem Alter eine durchaus ernst zu nehmende Erkrankung dar. Der nachfolgende Artikel gibt einen ausführlichen Überblick über mögliche Komplikationen und deren Behandlung. </p>
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<p class="article-content"><p>Infektionen mit dem Varizella-zoster- Virus (VZV) gehören zu den häufigsten Infektionen, wobei 90 % der Bevölkerung vor dem 15. Lebensjahr mit diesem Virus infiziert werden. Die Primärinfektion manifestiert sich als Varizellen mit einem Enanthem in Form von kleinen aphthösen Läsionen und einem Exanthem mit Bläschen, Papeln und Pusteln (sog. «Heubner’scher Sternenhimmel»). In einem geringen Prozentsatz der betroffenen Kinder kann es zu einer bakteriellen Superinfektion und in seltenen Fällen zu einer VZV-Pneumonie kommen. Abgesehen von diesen Komplikationen und schwereren Verläufen bei immunkompromittierten Kindern stellen die Varizellen im Kindesalter kein grösseres medizinisches Problem dar.<br /> Anders ist die Situation einzustufen, wenn die Varizellen im Erwachsenenalter auftreten. Bei Adulten ist die Infektion mit Komplikationen wie Nekrosenbildung (Abb. 1) und konsekutiven Narben, bakterieller Superinfektion und dem Risiko, eine VZV-Pneumonie zu entwickeln, vergesellschaftet. Etwa 5–15 % der Jugendlichen und Erwachsenen mit Varizellen entwickeln eine Varizellenpneumonie, wobei als Risikofaktoren das Alter, Immunsuppression, Schwangerschaft, COPD und Nikotinabusus identifiziert wurden. Bei jedem Patienten mit klinischem Verdacht auf Varizellenpneumonie (Husten, Dyspnoe, Fieber) wird daher ein Thoraxröntgen empfohlen, zumal sich die Auskultation bei der Erfassung einer Varizellenpneumonie nicht als zuverlässige diagnostische Methode erweist. Angesichts einer Mortalität von ca. 10 % bei immunkompetenten Patienten bzw. 50 % bei immunsupprimierten Patienten und Schwangeren muss die Varizellenpneumonie umgehend systemisch mit intravenös verabreichten Nukleosidanaloga (Aciclovir) behandelt werden und auf das Auftreten eines «acute respiratory distress syndromes» (ARDS) besonders geachtet werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1903_Weblinks_lo_derma_1903_s44_abb1_kempf.jpg" alt="" width="275" height="207" /></p> <h2>VZV in der Schwangerschaft</h2> <p>Im Rahmen der Schwangerschaft kann das VZV-Virus von der an Varizellen erkrankten Mutter auf das Kind übertragen werden. Einerseits besteht für die Mutter das Risiko der Pneumonie. Während der ganzen Schwangerschaft kann es zum Abort und bei Auftreten der Varizellen zwischen der 5. bis 24. Schwangerschaftswoche zum kongenitalen Varizellen-Syndrom mit okulären Missbildungen, mentaler Retardation, Extremitätendeformitäten, Narben und Hautatrophie kommen. Neonatale Varizellen (5 Tage vor bis ca. 2 Tage nach Geburt) zeigen eine hohe Mortalität von ca. 30 % . Die Therapie umfasst eine per- orale oder systemische Gabe von Aciclovir bzw. Valaciclovir und gegebenenfalls VZV-Immunglobulinen auch in Form einer Postexpositionsprophylaxe als Einmalgabe innert 4 Tagen nach Exposition.</p> <h2>VZV-Impfung</h2> <p>Es steht in der Schweiz ein attenuierter Lebendimpfstoff (OKA-Vakzine; Varilrix®) zur Verfügung, wobei die Indikation Jugendliche ohne Varizellenanamnese (11. bis 15. Lebensjahr), immunsupprimierte Kinder mit erhöhtem Risiko für Komplikationen und Erwachsene (<40. Lebensjahr) mit negativer Varizellenanamnese (insbesondere bei Beschäftigten im Gesundheitswesen und bei Frauen mit Kinderwunsch) umfasst. Die Vakzine wird in zwei Gaben mit mindestens 4 Wochen Abstand verabreicht und führt zu einer Serokonversion in über 90 % der Fälle mit einer Präventionsrate von 98 % , wobei eine latente Infektion und somit ein späteres Auftreten eines Herpes zoster (HZ) im Alter durch die Impfung nicht verhindert werden können.</p> <h2>VZV und Herpes zoster</h2> <p>Nach einem Kontakt mit VZV kommt es zu einer Etablierung einer latenten Infektion im Trigeminalganglion und in den Hinterwurzelganglien. Meist Jahrzehnte später kommt es zur Reaktivierung der Infektion mit der für den HZ typischen segmentalen Ausbreitung mit prodromalen Schmerzen unterschiedlicher Ausprägung und den charakteristischen Bläschen mit teils pustulöser Umwandlung in einem oder mehreren benachbarten Dermatomen (Abb. 2). Die Inzidenz des HZ zeigt einen deutlichen Anstieg nach dem 50. Lebensjahr und führt in der Schweiz zu über 20 000 Arztkonsultationen pro Jahr. In der Gruppe der 85-Jährigen hat jeder Zweite einen Herpes zoster erlitten. Bei ca. 6 % der Betroffenen wird ein Rezidiv beobachtet, welches bei immunsupprimierten Patienten in bis zu 30 % der Fälle auftritt. Insbesondere die prodromalen Schmerzen vor Auftreten der Hautveränderungen können diagnostisch eine Herausforderung darstellen, da sie internistische Erkrankungen (z. B. Myokardinfarkt, Lungenembolie, ischialgiforme Neuralgie) imitieren können. <br /> Der HZ tritt am häufigsten im Bereich der thorakalen Segmente (55 % ) und bei 20 % der Betroffenen im Trigeminusbereich auf. Neben den kutanen Komplikationen mit Nekrosen und Narbenbildung bzw. bakterieller Superinfektion kommt es insbesondere beim HZ ophthalmicus und HZ oticus zum Befall okulärer Strukturen bzw. des Innenohrs und neurologischen Komplikationen (z. B. Parese des N. facialis). Beim HZ ophthalmicus deutet das Auftreten von Läsionen an der Nasenspitze auf einen Befall des Ramus nasociliaris hin, mit dem Risiko für eine Beteiligung okulärer Strukturen (Konjunktivitis, Keratitis, Uveitis) und dem Risiko der zwar seltenen, aber schwerwiegenden akuten retinalen Nekrose und der damit einhergehenden Gefahr der Erblindung. Beim HZ oticus liegen neben den Hautvänderungen im Bereich der Ohrmuschel und des äusseren Gehörgangs neurologische Störungen im Sinne einer Fazialisparese, Hypakusis und Gleichgewichtsstörungen sowie Tinnitus vor. Patienten mit HZ ophthalmicus und HZ oticus sollten daher zusätzlich durch Fachärzte der Ophthalmologie bzw. Oto-Rhino-Laryngologie abgeklärt werden. Bei Patienten mit vorbestehenden Hauterkrankungen, insbesondere einer atopischen Dermatitis, kann in seltenen Fällen ein Ekzema herpeticatum mit rascher Dissemination der VZV-Infektion auftreten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1903_Weblinks_lo_derma_1903_s45_abb2_kempf.jpg" alt="" width="275" height="258" /></p> <h2>Diagnostik des HZ</h2> <p>Die Diagnose des HZ beruht meist auf dem klinischen Bild und dem direkten Virusnachweis mittels PCR. In seltenen Fällen mit unklarer klinischer Präsentation, insbesondere bei nekrotisierenden oder ulzerierenden Formen, kann eine Biopsie hilfreich sein. Die Serologie ist nur in ganz speziellen Konstellationen relevant. Ein unisegmentaler HZ stellt keine Indikatorerkrankung für ein Tumorleiden dar, sodass eine Tumorsuche nicht notwendig ist. Bei atypischen Formen mit chronischen Ulzera oder verrukösen Läsionen bzw. bei der disseminierten Form sollte nach einer zugrunde liegenden Immundefizienz (HIV, neoplastische Prozesse) gesucht werden.<br /> Unter den Komplikationen rücken insbesondere die Zoster-assoziierten Schmerzen und hierbei die postherpetische Neuralgie (PHN) in den Vordergrund, welche Schmerzzustände 3 Monate nach Abheilung der Hautläsionen umfasst. Die Inzidenz und Dauer der PHN nehmen mit steigendem Alter zu.</p> <h2>Therapie des HZ</h2> <p>Die Zostertherapie umfasst bei Patienten nach dem 50. Lebensjahr und/oder bei Vorliegen von Risikofaktoren für einen disseminierten HZ (Tab. 1) eine Behandlung mit antiviralen Medikamenten (Nukleosidanaloga: Aciclovir, Valaciclovir, Famciclovir, Brivudin; Tab. 2), wobei die Behandlung innerhalb der ersten 48 bis 72 Stunden nach Auftreten der Hautveränderungen eingeleitet werden sollte. Ist ein Auftreten neuer Läsionen in den letzten 24 Stunden zu verzeichnen oder liegen ein HZ ophthalmicus bzw. HZ oticus, eine Immunsuppression oder eine Dissemination vor, ist auch ein späterer Beginn einer antiviralen Therapie angezeigt. Eine intravenöse Behandlung (Aciclovir 3x15 mg/kg KG pro Tag) ist vor allem gemäss den europäischen Richtlinien bei Patienten mit HZ im Trigeminusbereich, hämorrhagischen/nekrotischen Formen, Patienten mit Satellitenläsionen und multisegmentalem Befall bzw. Dissemination zu empfehlen. Resistenzen gegen Nukleosidanaloga sind bei immunkompetenten Patienten äusserst selten. Bei der Gabe von Brivudin muss strengstens darauf geachtet werden, dass nicht eine gleichzeitige Therapie mit 5-Fluorouracil und dessen Prodrugs sowie 5-Fluoropyrimidinen vorliegt, weil sonst die Gefahr einer irreversiblen Knochenmarksuppression und einer konsekutiven Neutropenie mit tödlichem Ausgang besteht.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1903_Weblinks_lo_derma_1903_s45_tab1_kempf.jpg" alt="" width="275" height="239" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1903_Weblinks_lo_derma_1903_s45_tab2_kempf.jpg" alt="" width="550" height="350" /></p> <h2>HZ im Alter</h2> <p>Die steigende Inzidenz des HZ wird zum einen auf eine altersbedingte Abnahme der Immunfunktion zurückgeführt. Zum anderen dürfte ein seltenerer Kontakt mit Kindern, die an Varizellen erkranken, dazu beitragen, dass die natürlich Boosterwirkung auf das Immunsystem geringer wird. Hier setzt die Boosterimpfung im Alter an. Es stehen zwei Impfstoffe zur Verfügung, wobei in der Schweiz bislang ausschliesslich die attenuierte Lebendvakzine (OKA-Vakzine mit höherer Konzentration; Zostavax<sup>®</sup>) zugelassen ist. In randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Multicenterstudien konnte gezeigt werden, dass mit der einmaligen subkutanen Verabreichung des Impfstoffs eine Abnahme der Zosterinzidenz um bis zu 51 % und eine Reduktion der postherpetischen Neuralgie um bis zu 67 % erreicht werden können. Die Impfempfehlung des BAG für Zostavax<sup>®</sup> umfasst immunkompetente Personen im Alter von 65 bis 79 Jahren unabhängig von der Anamnese für Varizellen oder HZ und serologischen Befunden sowie Patienten im Alter von 50 bis 79 Jahren mit bevorstehender Immunschwäche, wobei die Impfung mindestens 4 Wochen vor Beginn der immunsuppressiven Therapie durchgeführt werden sollte. Bei negativer Varizellenanamnese wird anstelle von Zostavax<sup>®</sup> eine Impfung mit Varilrix<sup>®</sup> empfohlen. Patienten mit leichter Immundefizienz im Rahmen einer Behandlung mit topischen oder inhalativen Kortikosteroiden sowie niedrig dosierten systemischen Kortikosteroiden (weniger als 20mg pro Tag für weniger als 2 Wochen) sowie niedrig dosierten Immunsuppressiva (Azathioprim >3 mg/kg KG pro Tag) können ebenfalls geimpft werden. Die Kosten für die Zostavax<sup>®</sup>­ Impfung werden in der Schweiz von den Versicherern nicht übernommen. <br /> Das Spektrum der HZ-Vakzinen wurde kürzlich erweitert durch die Entwicklung eines Subunit-Totimpfstoffs, welcher gegen das Glykoprotein E von VZV gerichtet ist (Shingrix<sup>®</sup>). Durch diesen Impfstoff können eine länger dauernde Immunität und eine bessere Wirkung auch bei über 80­-jährigen Patienten erreicht werden. Noch ungeklärt ist, ob auch eine Gabe bei immundefizienten Patienten möglich ist. Der Impfstoff wird in Form von zwei Injektionen im Abstand von 2 bis 6 Monaten intramuskulär verabreicht. Die Impfung geht mit einer hohen Wirksamkeit einher, wobei eine Reduktion der HZ­Inzidenz in allen Altersgruppen (<50. Lebensjahr) von 91 bis 97 % erreicht werden kann. Auch die Inzidenz der postherpetischen Neuralgie kann um bis zu 91 % verringert werden. Der Impfstoff ist in Europa, nicht jedoch in der Schweiz zugelassen. Eine Gegenüberstellung der beiden HZ­-Vakzinen ist in Tabelle 2 abgebildet. Angesichts der Häufigkeit und der Komplikationen des HZ, insbesondere bei älteren Patienten, erscheint die Vakzinierung im Alter als Boosterimpfung sinnvoll.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Derma_1903_Weblinks_lo_derma_1903_s46_tab3_kempf.jpg" alt="" width="850" height="832" /></p></p>
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