© Getty Images/iStockphoto

1. Interaktive Kinderdermatologie-Tagung

Kinder ernst nehmen

<p class="article-intro">Die 1. Interaktive Kinderdermatologie-Tagung, welche Anfang März in Kitzbühel stattfand, setzte sich die Vernetzung verschiedener Disziplinen und die strukturelle Stärkung ihrer Fachrichtung zum Ziel. Wir sprachen mit Univ.-Prof. Dr. Johann Bauer, der die Tagung gemeinsam mit OÄ Dr. Sylvia Selhofer und Dr. Christine Prodinger möglich gemacht hat, über seine persönlichen Highlights, die größten Herausforderungen in der Behandlung von Kindern und neue Gentherapien.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><em><strong>Was waren Ihrer Meinung nach die H&ouml;hepunkte der Fortbildung? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> Das Treffen diente der Vernetzung von Kinderfach&auml;rzten und Dermatologen, was so nun zum ersten Mal in West&ouml;sterreich stattgefunden hat. Es ist auch ein Zeichen daf&uuml;r, dass wir im Uniklinikum Salzburg erstmalig eine Ambulanz f&uuml;r Kinderdermatologie geschaffen haben. Bis jetzt haben wir mehr oder weniger fakultativ zusammengearbeitet, aber noch nicht strukturell. Diese 1. Interaktive Kinderdermatologie- Tagung war Ausdruck davon, dass wir uns nun strukturell st&auml;rken und auch auf West&ouml;sterreich ausrollen wollen.</p> <p>Besonders gut aufgenommen wurde bestimmt die interaktive Gestaltung der Fortbildung, welche uns auch sehr wichtig war. Es gab w&auml;hrend der Vortr&auml;ge z. B. eine Art elektronischer Frage-und-Antwort- M&ouml;glichkeit, also Quizfragen, welche online beantwortet werden konnten. Diese wurden abschlie&szlig;end ausgewertet, und die Person mit den meisten richtigen Antworten erhielt sogar einen kleinen Preis &ndash; n&auml;mlich ein Kinderdermatologie- Buch.</p> <p>Ein weiteres Highlight war die Meet-the-Experts-Session, die es in dieser Form zum ersten Mal gab. Ich denke, diese ist ebenfalls ganz gut angekommen. Wir haben niedergelassene &Auml;rzte gebeten, ungel&ouml;ste F&auml;lle aus der Praxis zu pr&auml;sentieren. Es gab einige sehr interessante F&auml;lle, &uuml;ber deren optimale L&ouml;sung angeregt diskutiert wurde. Da pr&auml;sentierte etwa ein niedergelassener Kollege einen Fall, bei dem ungekl&auml;rte Gelenksschwellungen auftraten und Unsicherheit bzgl. der Diagnose bestand &ndash; Psoriasis, Arthritis oder etwas ganz anderes? Dar&uuml;ber haben wir uns durchaus unsere K&ouml;pfe zerbrochen. Doch genau das war auch Sinn der Sache &ndash; frei von der Leber weg diskutieren zu k&ouml;nnen.</p> <p><em><strong>Welcher Vortrag ist Ihnen besonders im Ged&auml;chtnis geblieben? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> Es gab eigentlich lauter spannende Vortr&auml;ge. Ein paar Vortragende sind vielleicht aufgrund ihrer besonderen Vita herausgeragt, wie z. B. Prof. Dr. F&ouml;lster-Holst, die extra aus Kiel angereist ist und ja bekannt ist f&uuml;r ihre Vortr&auml;ge in der Kinderdermatologie. Sie hat &uuml;ber ein paar sehr interessante F&auml;lle gesprochen. Ebenso spannend war der Vortrag von Dr. Hilkenmeier, der Notf&auml;lle in der Kinderdermatologie anhand von praktischen Fallbeispielen erl&auml;utert hat. Er nimmt in seiner Praxis auch Hyposensibilisierungen auf Bienen- und Wespengift vor, und dabei muss man nat&uuml;rlich auch als Dermatologe auf Notf&auml;lle eingestellt sein. Dr. Hilkenmeier ist zus&auml;tzlich Notfallmediziner und konnte uns deshalb die richtige Reaktion auf derartige F&auml;lle perfekt darlegen.</p> <p><em><strong>Was halten Sie aktuell f&uuml;r die gr&ouml;&szlig;ten Herausforderungen in der p&auml;diatrischen Dermatologie? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> Eben genau das, was wir jetzt zu leben beginnen, n&auml;mlich die Interdisziplinarit&auml;t &ndash; dass man mit den P&auml;diatern, Dermatologen und Kinderchirurgen gut zusammenarbeitet. Das haben wir immer schon fakultativ gemacht, &bdquo;case by case&ldquo; f&uuml;r bestimmte F&auml;lle sozusagen, aber nicht strukturell. Mit der neuen Kinderambulanz am Uniklinikum Salzburg k&ouml;nnen wir das nun auch strukturell unterlegen. Ich halte dies f&uuml;r einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, der die Qualit&auml;t f&ouml;rdert. <br />Das zweite Thema ist sicher der Einsatz der vielen neuen Therapien, die in der Dermatologie zwar vorhanden sind, aber teilweise noch nicht f&uuml;r Kinder zur Verf&uuml;gung stehen. Es geht hier um Fragen, ob bestimme Therapien &bdquo;off-label&ldquo; einsetzbar sind, wer das Risiko &uuml;bernimmt und ob schon Langzeitfolgen bekannt sind. Das wird sicher noch zu einigem Kopfzerbrechen f&uuml;hren, denn es gibt viele gute neue Medikamente, etwa f&uuml;r Psoriasis und Neurodermitis, welche aber noch nicht alle f&uuml;r Kinder zugelassen sind. Daran m&uuml;ssen wir auf jeden Fall noch arbeiten.</p> <p><em><strong>Meinen Sie damit auch, dass Kinder in klinischen Studien oft nicht miteinbezogen werden? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> So ist es. Denn von Firmenseite her zielt man initial nat&uuml;rlich auf den gr&ouml;&szlig;eren und bez&uuml;glich klinischer Studien einfacher zu bespielenden Markt, wohingegen Kinderstudien ja extrem schwierig abzuwickeln sind. Aber dieses Thema gibt es ja schon l&auml;nger in der Medizin.</p> <p><em><strong>W&uuml;rden Sie sagen, dass Kinder schwieriger zu behandeln sind als Erwachsene? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> Eher schon, denn es gibt wie gesagt bei Kindern nicht viele zugelassene Medikamente. Zudem ist Kinderhaut sensibler als die von Erwachsenen, deshalb muss mit Cremen und Lokalpr&auml;parationen, die wir verwenden, viel vorsichtiger umgegangen werden. Inhaltsstoffe, die durch die Haut von Erwachsenen gar nicht so schnell in den K&ouml;rper eindringen, nimmt die Kinderhaut viel rascher auf, was zu toxischen Erscheinungen f&uuml;hren kann. Hier ist Vorsicht geboten. Zudem gibt es spezifische Kinderdermatosen, die oft sehr selten sind und dadurch auch schwierig in der Diagnose &ndash; also seltene, genetische Erkrankungen, die auch in der allgemeinen Ausbildung von Medizinern nicht wirklich vorkommen. In dieses Feld muss man sich erst hineindenken und hineinbewegen, und genau das ist auch der Sinn der spezifischen Kinderdermatologie.</p> <p><em><strong>Z&auml;hlen Sie zu diesen seltenen Erkrankungen auch die Epidermolysis bullosa, an der Sie derzeit forschen? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> Ja, und das ist nat&uuml;rlich ein ganz spezielles Thema, denn f&uuml;r diese Erkrankung gibt es eigentlich noch keine Behandlung im engeren Sinn. Wir arbeiten u. a. an einer sehr komplexen Gentherapie f&uuml;r die Haut. Dies hat zwar schon funktioniert, ist aber noch nicht bei der breiten Masse anwendbar. Aber auch einfachere Therapien interessieren uns, z. B. mit bestimmten Cremen die Folgen der Erkrankung etwas zu lindern, ohne die Ursache zu beheben, da dies ja sehr schwierig ist. Es bewegt sich einiges weiter, und wir konnten schon kleinere Erfolge erzielen. Der gro&szlig;e Durchbruch ist aber noch nicht gelungen.</p> <p><em><strong>&bdquo;Gene editing&ldquo; mittels CRISPR/Cas9 ist derzeit in vieler Munde. Nutzen Sie diese besonders komplexe Technologie? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> So ist es. Wir forschen auch daran und haben schon erste Daten aus der Zellkultur. Allerdings ist die Therapie noch nicht f&uuml;r den Einsatz am Patienten bereit. An einer etwas &auml;lteren Technologie, &bdquo;transcription activator-like effector nuclease&ldquo; (TALEN), die aber auch ihre Vorteile hat, haben wir ebenfalls geforscht. Momentan interessieren wir uns jedoch eher f&uuml;r CRISPR/Cas9, da dieses System um einiges flexibler ist als TALEN.</p> <p><em><strong>Als abschlie&szlig;ende Frage: Haben Sie vielleicht einen Geheimtipp f&uuml;r die Behandlung von Kindern? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> Da gibt es nat&uuml;rlich die &uuml;blichen Tricks. Zwei Punkte halte ich f&uuml;r besonders wichtig: Man sollte ein Kind nie zu sehr wie ein Kind behandeln, sondern dieses ernst nehmen. Kinder merken sehr rasch, wenn sie nur als Anh&auml;ngsel wahrgenommen werden und man immer nur mit den Eltern &uuml;ber sie spricht anstatt direkt mit ihnen. In diese Grube f&auml;llt man leicht. Es sollte deshalb darauf geachtet werden, auch mit den Kindern eine Kommunikation aufzubauen. Bestimmte Dinge m&uuml;ssen ohnehin mit den Eltern besprochen werden, aber es ist sehr wichtig, die Kinder ernst zu nehmen. Zweitens ist es hilfreich, mit kleinen Tricks zu arbeiten, z. B. altersentsprechender Ablenkung durch Stofftiere oder M&ouml;glichkeiten zum Zeichnen oder Stempeln.</p> <p><em><strong>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></em></p></p>
Back to top