
©
Getty Images/iStockphoto
Kinder ernst nehmen
Jatros
30
Min. Lesezeit
16.05.2019
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Die 1. Interaktive Kinderdermatologie-Tagung, welche Anfang März in Kitzbühel stattfand, setzte sich die Vernetzung verschiedener Disziplinen und die strukturelle Stärkung ihrer Fachrichtung zum Ziel. Wir sprachen mit Univ.-Prof. Dr. Johann Bauer, der die Tagung gemeinsam mit OÄ Dr. Sylvia Selhofer und Dr. Christine Prodinger möglich gemacht hat, über seine persönlichen Highlights, die größten Herausforderungen in der Behandlung von Kindern und neue Gentherapien.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p><em><strong>Was waren Ihrer Meinung nach die Höhepunkte der Fortbildung? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> Das Treffen diente der Vernetzung von Kinderfachärzten und Dermatologen, was so nun zum ersten Mal in Westösterreich stattgefunden hat. Es ist auch ein Zeichen dafür, dass wir im Uniklinikum Salzburg erstmalig eine Ambulanz für Kinderdermatologie geschaffen haben. Bis jetzt haben wir mehr oder weniger fakultativ zusammengearbeitet, aber noch nicht strukturell. Diese 1. Interaktive Kinderdermatologie- Tagung war Ausdruck davon, dass wir uns nun strukturell stärken und auch auf Westösterreich ausrollen wollen.</p> <p>Besonders gut aufgenommen wurde bestimmt die interaktive Gestaltung der Fortbildung, welche uns auch sehr wichtig war. Es gab während der Vorträge z. B. eine Art elektronischer Frage-und-Antwort- Möglichkeit, also Quizfragen, welche online beantwortet werden konnten. Diese wurden abschließend ausgewertet, und die Person mit den meisten richtigen Antworten erhielt sogar einen kleinen Preis – nämlich ein Kinderdermatologie- Buch.</p> <p>Ein weiteres Highlight war die Meet-the-Experts-Session, die es in dieser Form zum ersten Mal gab. Ich denke, diese ist ebenfalls ganz gut angekommen. Wir haben niedergelassene Ärzte gebeten, ungelöste Fälle aus der Praxis zu präsentieren. Es gab einige sehr interessante Fälle, über deren optimale Lösung angeregt diskutiert wurde. Da präsentierte etwa ein niedergelassener Kollege einen Fall, bei dem ungeklärte Gelenksschwellungen auftraten und Unsicherheit bzgl. der Diagnose bestand – Psoriasis, Arthritis oder etwas ganz anderes? Darüber haben wir uns durchaus unsere Köpfe zerbrochen. Doch genau das war auch Sinn der Sache – frei von der Leber weg diskutieren zu können.</p> <p><em><strong>Welcher Vortrag ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> Es gab eigentlich lauter spannende Vorträge. Ein paar Vortragende sind vielleicht aufgrund ihrer besonderen Vita herausgeragt, wie z. B. Prof. Dr. Fölster-Holst, die extra aus Kiel angereist ist und ja bekannt ist für ihre Vorträge in der Kinderdermatologie. Sie hat über ein paar sehr interessante Fälle gesprochen. Ebenso spannend war der Vortrag von Dr. Hilkenmeier, der Notfälle in der Kinderdermatologie anhand von praktischen Fallbeispielen erläutert hat. Er nimmt in seiner Praxis auch Hyposensibilisierungen auf Bienen- und Wespengift vor, und dabei muss man natürlich auch als Dermatologe auf Notfälle eingestellt sein. Dr. Hilkenmeier ist zusätzlich Notfallmediziner und konnte uns deshalb die richtige Reaktion auf derartige Fälle perfekt darlegen.</p> <p><em><strong>Was halten Sie aktuell für die größten Herausforderungen in der pädiatrischen Dermatologie? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> Eben genau das, was wir jetzt zu leben beginnen, nämlich die Interdisziplinarität – dass man mit den Pädiatern, Dermatologen und Kinderchirurgen gut zusammenarbeitet. Das haben wir immer schon fakultativ gemacht, „case by case“ für bestimmte Fälle sozusagen, aber nicht strukturell. Mit der neuen Kinderambulanz am Uniklinikum Salzburg können wir das nun auch strukturell unterlegen. Ich halte dies für einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, der die Qualität fördert. <br />Das zweite Thema ist sicher der Einsatz der vielen neuen Therapien, die in der Dermatologie zwar vorhanden sind, aber teilweise noch nicht für Kinder zur Verfügung stehen. Es geht hier um Fragen, ob bestimme Therapien „off-label“ einsetzbar sind, wer das Risiko übernimmt und ob schon Langzeitfolgen bekannt sind. Das wird sicher noch zu einigem Kopfzerbrechen führen, denn es gibt viele gute neue Medikamente, etwa für Psoriasis und Neurodermitis, welche aber noch nicht alle für Kinder zugelassen sind. Daran müssen wir auf jeden Fall noch arbeiten.</p> <p><em><strong>Meinen Sie damit auch, dass Kinder in klinischen Studien oft nicht miteinbezogen werden? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> So ist es. Denn von Firmenseite her zielt man initial natürlich auf den größeren und bezüglich klinischer Studien einfacher zu bespielenden Markt, wohingegen Kinderstudien ja extrem schwierig abzuwickeln sind. Aber dieses Thema gibt es ja schon länger in der Medizin.</p> <p><em><strong>Würden Sie sagen, dass Kinder schwieriger zu behandeln sind als Erwachsene? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> Eher schon, denn es gibt wie gesagt bei Kindern nicht viele zugelassene Medikamente. Zudem ist Kinderhaut sensibler als die von Erwachsenen, deshalb muss mit Cremen und Lokalpräparationen, die wir verwenden, viel vorsichtiger umgegangen werden. Inhaltsstoffe, die durch die Haut von Erwachsenen gar nicht so schnell in den Körper eindringen, nimmt die Kinderhaut viel rascher auf, was zu toxischen Erscheinungen führen kann. Hier ist Vorsicht geboten. Zudem gibt es spezifische Kinderdermatosen, die oft sehr selten sind und dadurch auch schwierig in der Diagnose – also seltene, genetische Erkrankungen, die auch in der allgemeinen Ausbildung von Medizinern nicht wirklich vorkommen. In dieses Feld muss man sich erst hineindenken und hineinbewegen, und genau das ist auch der Sinn der spezifischen Kinderdermatologie.</p> <p><em><strong>Zählen Sie zu diesen seltenen Erkrankungen auch die Epidermolysis bullosa, an der Sie derzeit forschen? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> Ja, und das ist natürlich ein ganz spezielles Thema, denn für diese Erkrankung gibt es eigentlich noch keine Behandlung im engeren Sinn. Wir arbeiten u. a. an einer sehr komplexen Gentherapie für die Haut. Dies hat zwar schon funktioniert, ist aber noch nicht bei der breiten Masse anwendbar. Aber auch einfachere Therapien interessieren uns, z. B. mit bestimmten Cremen die Folgen der Erkrankung etwas zu lindern, ohne die Ursache zu beheben, da dies ja sehr schwierig ist. Es bewegt sich einiges weiter, und wir konnten schon kleinere Erfolge erzielen. Der große Durchbruch ist aber noch nicht gelungen.</p> <p><em><strong>„Gene editing“ mittels CRISPR/Cas9 ist derzeit in vieler Munde. Nutzen Sie diese besonders komplexe Technologie? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> So ist es. Wir forschen auch daran und haben schon erste Daten aus der Zellkultur. Allerdings ist die Therapie noch nicht für den Einsatz am Patienten bereit. An einer etwas älteren Technologie, „transcription activator-like effector nuclease“ (TALEN), die aber auch ihre Vorteile hat, haben wir ebenfalls geforscht. Momentan interessieren wir uns jedoch eher für CRISPR/Cas9, da dieses System um einiges flexibler ist als TALEN.</p> <p><em><strong>Als abschließende Frage: Haben Sie vielleicht einen Geheimtipp für die Behandlung von Kindern? </strong></em><br /><em><strong>J. Bauer:</strong></em> Da gibt es natürlich die üblichen Tricks. Zwei Punkte halte ich für besonders wichtig: Man sollte ein Kind nie zu sehr wie ein Kind behandeln, sondern dieses ernst nehmen. Kinder merken sehr rasch, wenn sie nur als Anhängsel wahrgenommen werden und man immer nur mit den Eltern über sie spricht anstatt direkt mit ihnen. In diese Grube fällt man leicht. Es sollte deshalb darauf geachtet werden, auch mit den Kindern eine Kommunikation aufzubauen. Bestimmte Dinge müssen ohnehin mit den Eltern besprochen werden, aber es ist sehr wichtig, die Kinder ernst zu nehmen. Zweitens ist es hilfreich, mit kleinen Tricks zu arbeiten, z. B. altersentsprechender Ablenkung durch Stofftiere oder Möglichkeiten zum Zeichnen oder Stempeln.</p> <p><em><strong>Vielen Dank für das Gespräch!</strong></em></p></p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Narbenbehandlung ohne Devices
Für die Behandlung von Narben hat sich der Einsatz moderner Lasertechnologien als effektiv erwiesen. Doch wie kann man den Betroffenen helfen, wenn kein ablativer fraktionierter CO2- ...
Update atopisches Ekzem
In den vergangenen Jahren haben sich das Verständnis des atopischen Ekzems (AE) sowie die therapeutischen Möglichkeiten deutlich weiterentwickelt. Und der Weg ist noch nicht zu Ende ...
Die menschliche Haut in der modernen Kunst
Dr. Ralph Ubl, Professor für neuere Kunstgeschichte an der Universität Basel, stellte sich der schwierigen Herausforderung, einem Raum voller erwartungsvoller Dermatologen das Organ Haut ...