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Immuntherapie und zielgerichtete Substanzen revolutionieren die Hautkrebstherapie
Jatros
30
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20.09.2018
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<p class="article-intro">In der Plenarsitzung Onkologie gaben Experten einen Überblick über aktuelle Entwicklungen bei der Therapie von hellem Hautkrebs und malignem Melanom. Beim hellen Hautkrebs gibt es durch die Immuntherapie neue Behandlungsmöglichkeiten, sogar bei ausgesprochen behandlungsresistenten Tumoren wie dem Merkelzellkarzinom; beim metastasierten malignen Melanom kann heute fast die Hälfte der Patienten durch innovative Kombinationen von Immuntherapeutika, aber auch von zielgerichteten Substanzen ein Langzeitüberleben erreichen.</p>
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<p class="article-content"><p>Wir haben in neuester Zeit die ‚Programmed death ligand 1 (PD-L1)‘- Inhibitoren, die in die Interaktion antigenpräsentierender Zellen und Tumorzellen eingreifen“ erklärte Prof. Dr. Axel Hauschild, Hautklinik des UKSH Campus Kiel. PD-1 ist ein Membranprotein aus der Familie der T-Zell-Regulatoren, das sich auf der Oberfläche von T- und B-Zellen sowie von Makrophagen findet und einen ausgeprägten negativen Einfluss auf die Immunantwort aufweist. Durch die Blockade dieser Liganden verstärken PD-L1-Inhibitoren, die auch als Checkpoint-Inhibitoren bezeichnet werden, die Immunantwort körpereigener T-Zellen, sodass die Krebszellen abgetötet werden.<br /> Die PD-L1-Inhibitoren Pembrolizumab und Nivolumab werden auch bezüglich ihres Einsatzes beim hellen Hautkrebs untersucht.<br /> Bereits seit einigen Jahren ist bekannt, dass Tumoren zahlreiche Mutationen aufweisen. „Je mehr Mutationen sie aufweisen, desto besser sprechen sie auf die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren an. Am besten wirkt die Immun-Checkpoint- Blockade daher bei UV-induzierten Tumoren wie dem malignen Melanom“, erklärte Prof. Hauschild. Auch Basalzell-, Plattenepithel- und Merkelzellkarzinome haben eine hohe Mutationslast und sind daher aussichtsreiche Kandidaten für die Immuntherapie.<br /> Dank der PD-L1-Inhibitoren werden heute Langzeitüberlebensraten beim malignen Melanom (MM) erreicht, wie sie vor wenigen Jahren noch undenkbar waren. Zwar wurde auch mit der Chemotherapie ein gutes Ansprechen erzielt, doch die Dauer des Ansprechens betrug lediglich zwei bis drei Monate. Im Rahmen des Jahrestreffens der American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2017 wurden Daten zu dem in der Entwicklung befindlichen PD-L1-Inhibitor Avelumab vorgestellt, wonach bei Patienten mit Merkelzellkarzinom eine Remissionsrate von 62,6 % erreicht wurde; fast 20 % der Patienten erreichten eine vollständige Remission. Zwei Patienten mussten die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abbrechen, dennoch blieben die Remissionen bestehen. „Dies ist ein wirklich schönes Ergebnis, und wir können davon ausgehen, dass Patienten dauerhaft von dieser Therapie profitieren“, erklärte Prof. Hauschild. Die Immuntherapie wird sich nach Ansicht von Prof. Hauschild daher als neuer Therapiestandard beim Merkelzellkarzinom etablieren: In einer Studie mit Pembrolizumab konnte damit eine Gesamtansprechrate von 56 % erzielt werden, 16 % erreichten ein vollständiges Ansprechen: Gerade bei diesem Karzinom ist die Chemotherapie aufgrund der sehr kurzen Ansprechraten ein weitgehend wirkungsloser Standard. Avelumab ist seit September 2017 für die Monotherapie des metastasierten Merkelzellkarzinoms zugelassen.</p> <h2>Fortgeschrittenes Plattenepithelkarzinom: Die Ära der Chemotherapie ist vorbei</h2> <p>Beim fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinom (SCC) und Basalzellkarzinom (BCC) müssen nach Ausführung von Prof. Hauschild zwei verschiedene Patientengruppen unterschieden werden: solche mit lokal fortgeschrittenem SCC/BCC, die keine Kandidaten für eine OP und/oder Strahlentherapie sind, und solche mit metastasiertem SCC/BCC. Auch hier steht mit den PD-L1-Antikörpern eine wirksame Behandlungsmethode zur Verfügung, wie erste Studiendaten mit Cemiplimab zeigten: Die Hälfte der Patienten erreichten mit dieser Therapie ein vollständiges oder partielles Ansprechen. „Ich bin überzeugt davon, dass dies der neue Standard für diese Patienten sein wird“, erklärte Prof. Hauschild. Bei diesen Tumoren handelt es sich ausnahmslos um ältere Patienten, die durchwegs weit über 70 bzw. beim Merkelzellkarzinom fast 80 Jahre alt sind. Dennoch tolerieren sie die Therapie mit PD-L1-Antikörpern recht gut. Auch Pembrolizumab ist beim fortgeschrittenen SCC/BCC wirksam, wie die französische CARSKIN-Studie zeigte. Hier wurden Ansprechraten zwischen 50 und 60 % erreicht, ungefähr die Hälfte der Patienten profitiert also von der Immuntherapie.<br /><br /> Zudem erwies sich die Behandlung mit dem Inhibitor des „epidermal growth factor“ (EGFR) Cetuximab bei diesen Tumoren als günstig. „Hier haben wir ein sehr gutes Ergebnis in der neoadjuvanten Situation, das heißt, wir können die Patienten operabel machen“, so Prof. Hauschild.<br /> Das BCC ist der häufigste nicht benigne Hauttumor, der zwar sehr langsam wächst, dennoch entwickelt sich bei rund 1 % der Patienten ein fortgeschrittenes Basalzellkarzinom. Es gibt Patienten mit riesigen Tumoren, die nicht operabel sind und für die es früher keine Behandlungsmöglichkeiten gab. Dies änderte sich mit der Zulassung von Inhibitoren des Hedgehog- Signalwegs wie Vismodegib und Sonidegib. Allerdings gibt es häufig Probleme mit der Verträglichkeit dieser Substanzen bzw. entwickelten sich Resistenzen. „Auch für Patienten, die einen Hedgehog- Inhibitor nicht vertragen, könnte die Therapie mit PD-L1-Inhibitoren eine wertvolle weitere Behandlungsoption darstellen“, erklärte Prof. Hauschild. Derzeit wird eine Zulassungsstudie mit Cemiplimab zum Hedgehog-Inhibitor-refraktären BCC durchgeführt, in die Patienten eingeschlossen werden, die auf eine Therapie mit einem Hedgehog-Inhibitor nicht ansprachen, diese nicht vertrugen oder darunter eine Krankheitsprogression erlitten. Primärer Studienendpunkt wird die Gesamtansprechrate sein.<br /> Verschiedene Fallberichte zeigen, dass die Immuntherapie auch bei Xeroderma pigmentosum aktiv ist. „Ich denke, dass die Immuncheckpoint-Blockade ihren Einzug in die Dermatologie gehalten hat, die Chemotherapie dürfte damit bei hellem Hautkrebs out sein“, so das Fazit von Prof. Hauschild.</p> <h2>Dramatische Behandlungsfortschritte beim malignen Melanom</h2> <p>Das Gesamtüberleben von Melanompatienten im Primärtumorstadium hat sich zwischen 2009 und 2017 drastisch verbessert, umso deutlicher, je höher das Stadium ist: Betrug die Überlebensrate nach 10 Jahren im Stadium T4b im Jahr 2009 39 % , so lag sie 2017 bei 75 % . Auch das Überleben von Melanompatienten mit lokoregionaler Metastasierung im Stadium III hat sich dramatisch verbessert, von 25 % im Jahr 2009 auf 57 % im Jahr 2017.<br /> Dasselbe Bild zeichnet sich bei fernmetastasierten Melanomen ab: Im Jahr 2009 waren nach zwei Jahren nur noch 26 % aller Melanompatienten mit Fernmetastasen am Leben. Für einen Durchbruch sorgte die Immuntherapie, der erste Vertreter dieser Substanzklasse war der CTLA4- Antikörper Ipilimumab: Mit dieser Therapie konnte einer Auswertung von 12 Studien zufolge ein 3-Jahres-Überleben von 22 % erreicht werden. „Wir können heute davon ausgehen, dass ungefähr ein Fünftel der Patienten mit MM durch Ipilimumab- Therapie langfristig überlebt“, erklärte Prof. Stephan Grabbe, Hautklinik der Universitätsmedizin Johannes-Gutenberg- Universität Mainz (Deutschland). Für Ipilimumab liegen heute Daten von einer Beobachtungszeit von über 10 Jahren vor: Sie zeigen, dass Patienten, die zwei bis drei Jahre überleben, langfristig tumorfrei bleiben. Ähnlich sieht es bei Therapie mit dem PD-L1-Inhibitor Nivolumab aus: Hier betrug die Überlebensrate bei Monotherapie nach drei Jahren 41 % , nach vier bis fünf Jahren kommt es zu einer Abflachung der Kurve, sodass bei Monotherapie von ungefähr 35 % Langzeitüberlebenden ausgegangen werden kann. Ein noch besseres Behandlungsergebnis wird durch eine Kombination von Nivolumab und Ipilimumab erzielt – hier überleben mehr als die Hälfte der Patienten langfristig (Abb. 1).<br /> „Wir haben beim malignen Melanom auch zusätzlich noch zielgerichtete Therapien, zum Beispiel eine Kombination von Kinase-Inhibitoren“, erklärte Prof. Grabbe. Durch die Behandlung mit Dabrafenib und Trametinib wurde ein 3-Jahres-Überleben von 38 % erreicht. Von dieser Therapie profitieren besonders MM-Patienten mit bestimmten Voraussetzungen; diese erreichen ein 3-Jahres-Überleben von über 60 % . Dazu zählen Patienten mit normalen LDL-Werten (3-Jahresüberleben 62 % ), solche, die unter Therapie eine Komplettremission erlangen (3-Jahres-Überleben 63 % ), und Patienten im Stadium M1a/b (3-Jahres-Überleben 68 % ).<br /> Beim diesjährigen ASCO wurden Daten der Kombinationstherapie mit dem BRAFInhibitor Encorafenib und dem MEK-Inhibitor Binimetinib vorgestellt: Hier wurde bei Patienten mit metastasiertem BRAFmutiertem Melanom eine 3-Jahres-Überlebensrate von ca. 50 % erreicht.<br /> Nach Ansicht von Prof. Grabbe gibt es durch eine korrekte Patientenselektion sogar noch ein weiteres Verbesserungspotenzial: Als Prädiktoren für ein Therapieansprechen haben sich normale LDH-Werte, eine Lymphozytenzahl >10,5 % , eine Monozytenzahl >650/µl sowie eine Eosinophilenzahl von >50/µl herausgestellt. Mit diesen Parametern kann man Patienten selektieren, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Therapie ansprechen. Abhängig von den LDH-Werten und der Tumorlast als Prognoseparameter variiert das 3-Jahres-Überleben zwischen 7 und 70 % (Abb. 2).<br /> Ein weiterer Weg, um die Effizienz zu verbessern, ist die frühzeitige Therapie im adjuvanten Stadium. Durch die Therapie mit Dabrafenib und Trametinib konnte das Risiko für ein Rezidiv oder Tod bei Patienten mit BRAF-mutiertem MM im Stadium III im Vergleich zu Placebo um 53 % reduziert werden. „Die Frage, ob das metastasierte Melanom heilbar ist, muss also mit ‚ja‘ beantwortet werden – bei einem immer größer werdenden Prozentsatz der Patienten“, so das Fazit von Prof. Grabbe.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1803_Weblinks_s39_abb1.jpg" alt="" width="1457" height="1015" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1803_Weblinks_s39_abb2.jpg" alt="" width="1454" height="958" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 26. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und
Venerologie (FOBI), Plenarsitzung Onkologie, 25. Juli
2018, München
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