
©
Getty Images
Herpes-zoster-assoziierte Schmerzen
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert Müllegger
Abteilung für Dermatologie und Venerologie<br> Landesklinikum Wiener Neustadt<br> Lehrkrankenhaus der Medizinischen<br> Universitäten Wien und Graz
30
Min. Lesezeit
20.09.2018
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Herpes zoster ist eine akute halbseitig-segmentale vesikulöse Hauterkrankung, an der rund 40 000 Menschen jährlich in Österreich erkranken. Nach der Primärinfektion mit dem Varicella-Zoster-Virus, zumeist in der Kindheit, tritt H. zoster als Zweiterkrankung nach latenter Persistenz des Virus aufgrund des Absinkens der zellulären Immunität und unspezifischer Trigger im Erwachsenenalter, insbesondere nach dem 50. Lebensjahr, auf und kann mit extrem belastenden neuropathischen Schmerzen assoziiert sein.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Epidemiologie</h2> <p>Die durchschnittliche Inzidenz liegt bei 4/1000 Einwohnern/Jahr. Das Gesamtlebensrisiko, an H. zoster zu erkranken, liegt bei 10–25 % . 50 % der Menschen, die das 85. Lebensjahr erreichen, waren bereits an H. zoster erkrankt. In der Regel heilt H. zoster nach vier bis sechs Wochen vollständig ab.<br /> Wenn das Immunsystem durch diverse Grunderkrankungen wie eine hämatoonkologische Erkrankung, einen Tumor, (Knochenmarks-)Transplantation, HIV-Infektion, Autoimmunerkrankungen wie rheumatoide Arthritis (insbesondere unter TNF-a-Blocker-Therapie) oder systemischen Lupus erythematodes geschwächt ist, liegt die Inzidenz deutlich – bis zu 40-fach – höher. Der wichtigste immunkompromittierende Faktor ist hohes Lebensalter (Immunseneszenz). Bei Immunsuppression kommt es häufiger zu Komplikationen mit schwererer Ausprägung und protrahiertem Verlauf. Die Prävalenz für eine postherpetische Neuralgie liegt bei 10–20 % . Die damit einhergehenden Schmerzen können so stark und quälend sein, dass sie Betroffene in den Suizid treiben. Zu den chronischen Komplikationen zählen neben der postherpetischen Neuralgie Narbenbildung, Hypopigmentierung, Meningoenzephalitis, Insult, Pneumonie und häufig ophthalmologische Affektionen, vor allem Keratitis und Skleritis.</p> <h2>Postherpetische Neuralgie</h2> <p>Die postherpetische Neuralgie entwickelt sich unmittelbar aus dem H. zoster oder tritt mit einer Latenz von Monaten bis zu Jahren auf, dann oftmals durch externe Trigger wie zum Beispiel eine Operation ausgelöst. Per definitionem muss eine postherpetische Neuralgie für mindestens 4 Monate persistieren. Die Behandlung ist schwierig und komplex. Je älter der Patient, umso häufiger kommt es dazu, und auch die Dauer verlängert sich mit steigendem Lebensalter. So sind bei über 70-jährigen Patienten mit H. zoster ca. 70 % von einer postherpetischen Neuralgie betroffen, die mittlere Dauer bei über 65-Jährigen beträgt 3,3 Jahre.<br /> Die Schmerzqualität wird als stechend, scharf, brennend beschrieben, die Schmerzen können permanent oder intermittierend sein, möglich sind Spontanschmerzen in Arealen mit eingeschränkter Sensibilität. Allodynie, ein Phänomen, das bei über 90 % der Betroffenen vorliegt, tritt vor allem in Arealen mit erhaltener Sensibilität auf. Die am häufigsten betroffenen Areale sind thorakale, trigeminale und zervikale Dermatome. 45 % der Patienten berichten über tägliche Schmerzen, 23 % leiden den ganzen Tag darunter und 42 % empfinden die Schmerzen als quälend. Die massive Beeinträchtigung der Lebensqualität liegt auf der Hand. Depression, Angstzustände, Schlafstörungen und Inappetenz sind die Folge. Postherpetische Neuralgie ist die häufigste Ursache für Suizid bei chronischen Schmerzpatienten über dem 70. Lebensjahr.<br /> Viele Patienten sind therapierefraktär, eine Kombination von unterschiedlichen analgetisch wirkenden Substanzen ist daher angezeigt.<br /><br /> <strong>Risikofaktoren</strong><br /> Zu den Risikofaktoren für die Ausbildung einer postherpetischen Neuralgie zählen Alter >50 Jahre, weibliches Geschlecht, kraniale oder sakrale Lokalisation und schwere Hautveränderungen (>50 Läsionen, hämorrhagische Bläschen), prodromale und starke initiale Schmerzen, weiters auch Dysästhesien und Hyperästhesien zu Beginn des H. zoster, die Dauer der Hautveränderungen vor Therapie, Fieber >38°C, psychosoziale Faktoren und vermutlich Immunsuppression. Eine rasch einsetzende antivirale Therapie des H. zoster ist essenziell, um Spätkomplikationen hintanzuhalten.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Die Basistherapie des H. zoster umfasst eine systemische antivirale Therapie in Form von (oralen) Nukleosidanaloga (Brivudin, Valaciclovir, Famciclovir; Tab.), die innerhalb von 72 Stunden nach Bläschenbeginn einsetzen soll und in der Akutphase dazu beiträgt, die Schmerzen zu lindern. Durch diese Maßnahmen ist die Ausbildung einer postherpetischen Neuralgie in ungefähr der Hälfte aller Fälle zu verhindern bzw. kann sie damit signifikant verkürzt werden (um 25–50 % ). Bei komplikativen Situationen muss intravenös mit Aciclovir behandelt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1803_Weblinks_s64_tab1.jpg" alt="" width="686" height="430" /><br /><br /> <strong>Nukleosidanaloga</strong><br /> Hinsichtlich der Schmerzmedikation ist Folgendes zu beachten: Infrage kommen peripher und zentral wirksame Analgetika wie Metamizol, nichtsteroidale antiinflammatorische Medikamente, Opioide, aber auch sog. Co-Analgetika, also trizyklische Antidepressiva und Antikonvulsiva (Gabapentin, Pregabalin) und schließlich lokal wirksame Schmerzpflaster, die Lidocain (Versatis<sup>®</sup>) oder hochprozentiges Capsaicin aus der Chilischote (Qutenza<sup>®</sup>) enthalten. Mit Letzterem erreicht man nach nur einer Stunde Applikationsdauer bei der Hälfte der Patienten eine Schmerzreduktion von mindestens 50 % . Eine Langzeittherapie ist bei postherpetischer Neuralgie wegen der Schmerzchronifizierung meist erforderlich. Antikonvulsiva wirken besonders gut bei lanzinierenden Schmerzen. In jedem Fall ist eine individuelle Schmerzmittelkombination erforderlich.</p> <h2>Impfung als Altersvorsorge</h2> <p>Mit Zostavax<sup>®</sup> steht ein Impfstoff gegen H. zoster zur Verfügung, der die 14-fache Dosis des attenuierten Lebendimpfstoffes enthält, welcher bei Kindern zur Prophylaxe gegen Varizellen verabreicht wird. Der Impfstoff kann ca. die Hälfte der Fälle von H. zoster und ca. zwei Drittel der Fälle von postherpetischer Neuralgie verhindern. Die Impfung ist laut österreichischem Impfplan ab dem 50. Lebensjahr empfohlen. Die Schutzwirkung hält nach derzeitigem Wissensstand 8 bis 10 Jahre an. In Zukunft soll mit Shingrix<sup>®</sup> (Glykoprotein E Subunit Vakzine mit dem Adjuvans AS01B) eine Schutzwirkung von >90 % , auch bei alten Patienten, zu erreichen sein.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1803_Weblinks_s64_abb1.jpg" alt="" width="1457" height="881" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>Literatur beim Verfasser</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
KI in der Dermatologie
Die Dermatologie zählt zu den Fachgebieten der Medizin, in denen visuelle Befunde eine zentrale Rolle spielen. Die Haut als grösstes Organ des Menschen erlaubt oftmals eine Vorhersage ...
Systemtherapie des HER2-low fortgeschrittenen Mammakarzinoms
HER2-low- und HER2-ultralow-Mammakarzinome stellen besondere Herausforderungen dar, da sie sich sowohl in ihrer Prognose als auch im Therapieansprechen von HER2-positiven und HER2-zero- ...
Die menschliche Haut in der modernen Kunst
Dr. Ralph Ubl, Professor für neuere Kunstgeschichte an der Universität Basel, stellte sich der schwierigen Herausforderung, einem Raum voller erwartungsvoller Dermatologen das Organ Haut ...