
Hautinfektionen: unbekannte Erreger und neue Resistenzen
Infektiologische Dermatosen sind im klinischen Alltag häufig. Durch klimatische und geografische Veränderungen verbreiten sich Pathogene rascher und gänzlich neue Erreger treten auf. Wie der Wandel von Erregern und Resistenzen die Behandlung erschwert und was man dagegen tun kann.
Infektionen durch Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten spielen in der Dermatologie eine wichtige Rolle. Behandelt werden sie unter anderem mit desinfizierenden und entzündungshemmenden Salben oder Umschlägen. Wenn Bakterien die Ursache sind, werden Antibiotika und bei einigen Parasiten entsprechend gegen diese gerichtete Substanzen verabreicht. Bei Pilzerkrankungen werden Antimykotika und bei einigen viralen Erkrankungen antivirale Mittel eingesetzt.
Resistenzen nehmen zu
«In der näheren Zukunft werden uns Resistenzen gegen Antiinfektiva, sexuell übertragbare Infektionen und aufkommende virale Infektionen stärker beschäftigen», sagt Professor Dr. med. Mario Fabri von der Arbeitsgemeinschaft für Dermatologische Infektiologie und Tropendermatologie der DDG. Der Experte vom Universitätsklinikum Köln sieht verschiedene Faktoren, die diese Entwicklung beeinflussen: eine weltweit ausgeprägte Reiseaktivität, die Ausbreitung von Mücken, Zecken, Flöhen, Vögeln und anderen Lebewesen (auch Vektoren genannt), die für den Menschen gefährliche Krankheitserreger verbreiten, und die Anpassung von Keimen an die Therapie in Form von Resistenzen.
Von Vektoren werden beispielsweise Flaviviren übertragen. Die von Mücken verbreiteten Viren sind auf allen Erdteilen vertreten, allerdings in unterschiedlichem Ausmass. Für Deutschland vermuten Expertinnen und Experten, dass einige dieser Erkrankungen endemisch werden könnten. «Zudem sollten wir mit neuen Virusinfektionen rechnen», gibt Fabri zu bedenken. Es gibt laut Schätzungen mindestens 10000 Viren, die aktuell stumm zirkulieren, aber die Fähigkeit besitzen, Menschen zu infizieren. «Angesichts der klimatischen und geografischen Veränderungen kann man davon ausgehen, dass es vermehrt zu einer Übertragung von Viren zwischen verschiedenen Spezies, auch ‹zoonotic spillover› genannt, kommt», vermutet Fabri. Aktuelle Beispiele sind das SARS-CoV-2-Virus und Ausbrüche mit dem Ebolavirus. Gleichzeitig nehmen Resistenzen gegen Antiinfektiva zu. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht darin eine der Top-Ten-Gefahren der globalen Gesundheit.
Antiinfektiva zielgerichtet einsetzen
Im klinischen Alltag spielen multiresistente Keime allerdings für die meisten dermatologischen Infektionen noch eine untergeordnete Rolle. Daten aus den USA zeigen jedoch, dass die Dermatologie bei Verordnungsmengen von Antiinfektiva im Vergleich zu anderen Fachrichtungen vorne liegt. «Es braucht ein Umdenken. Wir sollten in den grossen Bereichen der Haut- und Geschlechtskrankheiten, in denen sehr regelmässig Antibiotika eingesetzt werden, die Verwendung genauer prüfen und die Antiinfektiva optimiert einsetzen», fordert der Kölner Dermatologe.
Bei einfachen kutanen Infektionen ist, neben einer adäquaten Diagnostik, die Leitlinien-gerechte, zielgerichtete, schmale und in ihrer Dauer optimale Behandlung mit Antiinfektiva entscheidend. Chirurgische Eingriffe benötigen Konzepte für die Antibiotikagabe im Umfeld der Operation, die bei Risikoeingriffen auf eine gezielte, perioperative Einmalgabe setzen und auf prolongierte Antibiotikagaben verzichten.Bei entzündlichen Dermatosen wie Akne inversa, Akne vulgaris, Rosazea, bullösem Pemphigoid etc. bieten alternative therapeutische Optionen ein Einsparungspotenzial. «An Bedeutung werden ausserdem bei Infektionen alternative Behandlungsstrategien gewinnen, wie Immunsystem-verbessernde, Wirt-gerichtete Therapien und passive Antikörpertherapien», erklärt Fabri.
Dynamik in der Strategie
«Wie gross der Einfluss von Infektionskrankheiten auf unseren Alltag ist, haben wir in der Coronapandemie und den Zeiten der Lockdowns hautnah erlebt», merkt Professor Dr. med. Michael Hertl, Präsident der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), an. «Die deutsche Dermatologie muss sich auf diese Dynamiken vorbereiten. Das heisst in Bezug auf die Resistenzbildung von Keimen, dass wir unsere Leitlinien-Empfehlungen rascher anpassen müssen und zugleich die Forschung zu Erregern und Resistenzen intensivieren sollten», fasst der DDG-Präsident zusammen. (red)
Quelle:
Medieninformation zur 52. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), 26.–29. April 2023 Berlin
Literatur:
• Fabri M et al.: Infektionen der Dermatovenerologie. JDDG 2023; 21(4): 359-62 • Fabri M: Kutane Infektionen durch Staphylokokken und Streptokokken. hautnah dermatologie 2021; 37(Suppl 1): 34-42
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