
Haare – manchmal will man sie erhalten, manchmal sollen sie weg
Bericht:
Mag. Ruth Maria Streibl, PhD
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Anfang des Jahres fand zum 12. Mal die dermatologische Fortbildungsreihe Swiss Derma Day statt. Der Einblick in persönliche Erfahrungen aus Klinik und Praxis, ein Austausch der alltäglichen Herausforderungen sowie neueste Therapien standen im Zentrum der Veranstaltung. Hier stellen wir zwei interessante Vorträge über die aktuellen Behandlungsoptionen bei der Alopecia areata sowie die wichtigsten Grundlagen der Laserhaarentfernung vor.
Keypoints
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Baricitinib ist seit 2022 EU-weit zur Behandlung von Alopecia areata zugelassen, der Einsatz von JAK-Inhibitoren soll bei Risikogruppen aber vermieden werden.
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Eine Inspektion der Nägel liefert Hinweise auf Ätiologie und Verlauf der Alopecia areata.
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Die Wahl von Wellenlänge, Spotgrösse und Pulsdauer bei der Laserhaarentfernung hängt vom Haar- und Hauttyp sowie vom zu behandelnden Areal ab.
Alopecia areata
Pathogenese und Diagnostik
Die Alopecia areata entspricht einem Anageneffluvium, wobei die Pathogenese bis heute nicht vollständig geklärt ist, berichtet Dr. med. Stephanie Marie Huber vom Universitätsspital Basel. Die Assoziationen zu anderen Autoimmunerkrankungen (insbesondere Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis) sowie zu Immunphänomenen wie der atopischen Dermatitis oder zirkulierenden Autoantikörpern lässt vermuten, dass die Alopecia areata selbst eine Autoimmunerkrankung ist. Da die Alopecia areata signifikant häufiger bei Dunkelhaarigen auftritt, werden die follikulären Melanozyten als Ziel der Autoimmunreaktion vermutet.1 Klinisch findet man meist scharf begrenzte, rund-ovale alopezische Herde, teils mit isolierten Resthaaren, die sich klassischerweise zentrifugal ausbreiten. Kopfhautbiopsien sind nur in Ausnahmefällen bei Verdacht bei jeder Form der vernarbenden Alopezie oder bei Verdacht auf eine Alopecia areata diffusa indiziert.
Mögliche Trigger und Verlauf
Klinisch zeigt die Alopecia areata ein sehr breites Spektrum, es reicht vom lokalisierten, umschriebenen Haarausfall bis zum vollständigen Verlust der Kopfbehaarung (Alopecia totalis) oder der gesamten Körperbehaarung (Alopecia universalis).2,3
Als Trigger werden Virusinfektionen (z.B. HPV), aber auch Rauchen diskutiert.4,5 Es ist zu beachten, dass eine Nagelbeteiligung (am häufigsten Tüpfelnägel oder Sandpapiernägel) mit einer durchschnittlichen Prävalenz von ca. 30% auftritt und auf ein erhöhtes Progressionsrisiko zu Alopecia areata totalis oder universalis hinweist.6
Therapeutische Überlegungen
Die Therapie ist abhängig vom Schweregrad und vom Alter. Bei Patienten unter 10 Jahren und/oder bei geringer Betroffenheit (<30%) kann eine abwartende Haltung aufgrund der Tendenz zur Spontanremission eine gängige Praxis sein. Alternativ können topische Kortikosteroide +/-5%ige Minoxidil-Lösung zum Einsatz kommen.7
Der Goldstandard bei Patienten über 10 Jahren und >30% Betroffenheit ist die topische Immuntherapie (Diphenylcyclopropenon, DPCP). Bei erwachsenen Patienten mit einem Haarverlust von mehr als 50% sind auch JAK-Inhibitoren, die bei chronisch entzündlichen Erkrankungen erfolgreich eingesetzt werden, eine Option.7 DPCP und JAK-Inhibitoren zeigen beide eine höhere Remissionsrate gegenüber dem Spontanverlauf.
Seit 2022 ist erstmals auch ein JAK1/2-Inhibitor, Baricitinib, in der EU zur Behandlung von Alopecia areata zugelassen. Unter der Behandlung mit Baricitinib zeigt sich ein signifikant reduzierter SALT-Score.8 Es gibt allerdings bereits Hinweise, dass mit JAK-Inhibitoren langfristig behandelt werden muss.9
Risikogruppen bei JAK-Inhibitoren
Die möglichen Nebenwirkungen von JAK-Inhibitoren sind generell gut bekannt. Es besteht ein erhöhtes Risiko für eine Varicella-Zoster-Virus-Reaktivierung, weshalb vor Therapiestart eine Impfung erfolgen sollte.10 Die EMA empfiehlt den JAK-Inhibitor Tofacitinib aufgrund einer erhöhten Inzidenz von schwerwiegenden unerwünschten kardiovaskulären Ereignissen und malignen Erkrankungen bei Risikogruppen (über 65, Raucher und Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren oder erhöhtem Krebsrisiko) nicht oder nur dann, wenn keine Behandlungsalternative möglich ist.11 Dieser Hinweis sollte bei der Therapieentscheidung bei schweren Formen der Alopecia areata unbedingt berücksichtigt werden.
Dos and Don’ts der Laserhaarentfernung
Grundlagen
Das Ziel der Laserhaarentfernung sind immer die Stammzellen, erklärt Roberta Vasconcelos-Berg, MD, PhD, Leiterin der ästhetischen Dermatologie am Universitätsspital Basel, in ihrem Vortrag. Da diese aber keine Pigmentierung aufweisen und kein Melanin enthalten, muss genug Hitze zur melaninreichen Matrix gelangen, um auch die Stammzellen zu erhitzen.12 Um dabei das Melanin der Haut nicht zu treffen, muss der Laserstrahl tief genug gehen – je dunkler die Haut, desto länger sollte die Wellenlänge sein.13 Weitere relevante Faktoren, auf die je nach Areal und Haartyp geachtet werden soll, sind die Spotgrösse des Lasers und die Pulsdauer.13
Erfolge und Kontraindikationen
Eine realistische Erwartung liegt bei 40–80% Haarentfernung nach mehreren Behandlungen, wobei die behandelten Haare nach einigen Jahren wieder zu wachsen beginnen können.12 Phäomelanin in hellem oder rotem Haar ist schwer zu behandeln, weshalb Laserhaarentfernungen für diesen Haartyp nicht geeignet sind. Eine aktive Herpes- oder Bakterieninfektion, kürzliche UV-Exposition, Pigmentstörungen oder Tätowierungen sollten nicht im zu behandelnden Areal vorhanden sein. 14,15
Darauf ist zu achten
Eine geeignete Schutzbrille, spezielle Lasermasken und Laserrauchabsauger werden dringend empfohlen.16,17 Zur Einschätzung der Behandlung helfen Vorher-nachher-Fotos und weisse Linien zur Begrenzung der Behandlungsbereiche. Beruhigende oder cortisonhaltige Cremes werden zur Nachbehandlung verwendet und ein Sonnenschutz (LSF 50+) wird nach dem Eingriff empfohlen. Bei einer Neigung zu Herpes kann ausserdem Valaciclovir verabreicht werden.
Quelle:
Swiss Derma Day and STI reviews and updates, 11.–12. Januar 2023, Luzern
Literatur:
1 1 Yousaf A. et al.: JAMA Dermatol 2021; 157:1007-1008 2 Trüeb RM.: Praxis (Bern 1994) 2003; 92:1488-96 3 Zhou C et al.: Clin Rev Allergy Immunol 2021; 61: 403-23 4 Tu TY et al.: J Autoimmun 2021; 119: 102618 5 Dai YX et al.: Am J Clin Dermatol 2020; 21: 901-11 6 Chelidze K et al.: Int J Dermatol 2018; 57(7): 776-83 7 Messenger AG et al.: Br J Dermatol 2012; 166: 916-26 8 King B et al.: N Engl J Med 2022; 386: 1687-99 9 Peeva E et al.: J Am Acad Dermatol 2022; 87: 390-3 10 Chiu HY et al.: Ther Adv Chronic Dis 2022; 13: 20406223221091188 11 Rote-Hand-Brief zu Xeljanz (Tofacitinib) – Juli 2021 12 Bodendorf M et al.: Dermatological laser therapy laser epilation, KVM, 2013; 978-3-940698-80-3 (ISBN) 13 Farkas JP et al.: Aesthet Surg J 2013; 33: 1059-64 14 Khatri KA et al.: Dermatol Surg 2006; 32: 875-7 15 Khatri KA et al.:J Cosmet Laser Ther 2009; 11: 56-60 16 Youker SR et al.: Facial Plast Surg 2001; 17: 155-63 17 Georgesen C et al.: J Am Acad Dermatol 2018; 79: 746-55
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