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Gibt es einen Zusammenhang zwischen Rosazea und Morbus Alzheimer?
Jatros
Autor:
Univ.-Doz. Dr. Michael Rainer
Karl-Landsteiner-Institut für Gedächtnis- und Alzheimerforschung, SMZ Ost, Wien
Autor:
Univ.-Doz. Dr. Julia Valencak
Universitätsklinik für Dermatologie, MUW
30
Min. Lesezeit
15.09.2016
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<p class="article-intro">Eine aktuelle Studie von Egeberg et al, veröffentlicht in „Annals of Neurology“,1 beschreibt bei Patienten mit Rosazea ein erhöhtes Risiko, an einer Demenz zu erkranken – insbesondere an Morbus Alzheimer. Das Risiko war am höchsten bei älteren Patienten und bei solchen, deren Hauterkrankung von einem Dermatologen im Krankenhaus diagnostiziert wurde.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Rosazea ist eine chronisch-entzündliche Hauterkrankung, die durch erhöhte Expression von bestimmten Proteinen, inklusive Matrixmetalloproteinasen und antimikrobiellen Peptiden, charakterisiert ist. Diese sind auch bei verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimerkrankheit und anderen Demenzformen involviert. Dr. Alexander Egeberg von der Universität Kopenhagen und sein Team untersuchten aufgrund dieses vermuteten Zusammenhangs die Relation zwischen Rosazea und Demenz in dänischen Registern. Evaluiert wurden 5.591.718 Einwohner Dänemarks, älter als 18 Jahre, im Zeitraum zwischen 1997 und 2012. Darunter waren 82.439 Patienten mit Rosazea. 99.040 Personen entwickelten eine Demenz, davon erhielten 29.193 die Diagnose Morbus Alzheimer.<br /> Nach Anpassung verschiedener Störfaktoren hatten Rosazeapatienten ein um 7 % erhöhtes Risiko, an Demenz und ein um 25 % erhöhtes Risiko, an Alzheimer zu erkranken, im Vergleich zu Personen ohne Rosazea. Frauen hatten ein um 28 % erhöhtes Risiko, an M. Alzheimer zu erkranken, verglichen mit Männern (um 16 % erhöhtes Risiko). Nach Altersstratifizierung war das Risiko lediglich bei Personen älter als 60 Jahre signifikant erhöht. Betrachtete man nur die Patienten, die von einem Spitalsdermatologen diagnostiziert wurden, belief sich das erhöhte Risiko auf 42 % für Demenz und 92 % für Alzheimer.<br /> „Ein gewisser Subtyp von Patienten weist deutliche neurologische Symptome auf, wie Brennen und stechende Schmerzsensationen, Migräne und neuropsychiatrische Symptome, die auf eine Verbindung zwischen Rosazea und neurologischen Erkrankungen hindeuten“, erklärte Dr. Egeberg. „Mehr noch, es verdichten sich die Hinweise, dass Rosazea mit diversen neurologischen Krankheitsbildern inklusive M. Parkinson und nach neuesten Daten auch M. Alzheimer assoziiert sein könnte. Es gibt bestimmte Überschneidungen zwischen der dermatologischen und der neurologischen Erkrankung, die pathogenetischen Links sind jedoch noch ungeklärt.“<br /> Dr. Egeberg merkte an, dass es wichtig ist, Patienten darauf aufmerksam zu machen, dass nicht alle an Rosazea Erkrankten zwangsläufig eine Demenz vom Alzheimertyp entwickeln, allerdings können diese Ergebnisse neue Einblicke in die Zusammenhänge von dermalen und neurologischen Störungen eröffnen.</p> <h2>Kommentar von Univ.-Doz. Dr. Julia Valencak</h2> <p>Dass es Zusammenhänge zwischen der Neurologie und Entzündung in der Haut gibt, konnte schon die Studie von Langan et al (Clin Infect Disease 2014; 58: 1497-503) zeigen. In dieser konnten die Autoren ein 3-mal so hohes Risiko für einen Schlaganfall nach Herpes Zoster feststellen. Auch hier galt die Entzündung in den Gefäßen als pathogenetisch kausal. Einige Folgestudien konnten diese Ergebnisse auch reproduzieren.<br /> Inwieweit die Entzündung, die sich um die oberflächlichen und tiefen Gefäßplexus der Dermis bei Patienten mit Rosazea abspielt, eine kausale Rolle in der Entstehung des Morbus Alzheimer hat, lässt sich schwer ableiten. Die Autoren diskutieren den Zusammenhang zwischen einer Erhöhung der Matrixmetalloproteinasen (MMP) bei Alzheimerpatienten im Liquor und in der Haut. Da diese Proteasen aber als Teil eines „Gewebeumbaus“ bei verschiedensten biologischen Prozessen erhöht sind, bleibt die Frage nach einem kausalen Zusammenhang offen. Die MMP haben unterschiedliche Funktionen bei der Prozessierung von Signalmolekülen und bei der Rosazea kommt es auch nicht in allen Fällen zu einer Erhöhung dieser MMP in der Haut, was die zum Teil sehr unterschiedliche Klinik der verschiedenen Subtypen der Rosazea auch deutlich macht. Was den vermuteten Zusammenhang betrifft, sollte man vielmehr der Zytokinerhöhung und der Betaamyloid- und Tauproteinexpression bei Alzheimerpatienten nachgehen, die nicht sicher aus einem chronischen oder entzündlichen Prozess heraus entstehen.<br /> Unter diesen Gesichtspunkten erscheint eine Kausalität zwischen der chronischen Entzündung in und um die Hautgefäße bei Rosazeapatienten und dem Risiko, an M. Alzheimer zu erkranken, eher unwahrscheinlich.<br /> Die Tatsache, dass ältere Patienten, bei denen in einem Krankenhaus von einem Dermatologen die Diagnose Rosazea gestellt wurde, ein höheres Alzheimerrisiko aufwiesen, lässt auch die Vermutung aufkommen, dass diesen Patienten mehr Aufmerksamkeit gewidmet wurde und sie einer intensiveren Diagnostik unterzogen wurden. Weitere Studien sind sicher notwendig, um zu erforschen, ob die langjährige Behandlung der Rosazea auch das Risiko modifizieren bzw. reduzieren könnte, eine Demenz zu entwickeln.</p> <h2>Kommentar von Univ.-Doz. Dr. Michael Rainer</h2> <p>Rosazea ist eine chronische inflamma­torische Hauterkrankung und es ist seit Längerem bekannt, dass einige der Patienten, die daran leiden, auch neuropsychiatrische Symptome und sogar neurodegenerative Erkrankungen aufweisen können. Ein möglicher Zusammenhang zwischen Rosazea und Alzheimerkrankheit wurde erstmals 1955 im Rahmen eines Einzelfallberichtes über monozygote Zwillinge publiziert.<br /> In dieser neuen Studie wurde zwischen 1997 und 2012 das dänische Health Registry System mit ca. 5,6 Mio. Männern und Frauen analysiert. 82.000 Personen aus dem Register litten an Rosazea. Die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, war um 7 % höher bei Rosazea­patienten und das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, um 25 % höher als bei jenen, die nicht als Rosazea litten. Auch das Alter spielte eine wesentliche Rolle. So stieg das Risiko um 20 % für jene, die älter als 60 Jahre alt waren. Der Autor merkt an, dass zwar eine Assoziation zwischen Demenz und Rosazea wahrscheinlich ist, dass aber bisher noch kein kausaler Link zwischen den beiden Erkrankungen existiert. Interessant ist auch der von Egeberg gefundene Zusammenhang von Rosazea und einer erhöhten „incidence risk ratio“ (IRR) von 1,71 für M. Parkinson. Hier war es egal, ob es sich um leichte oder schwere Rosazeafälle handelte. Ob die rechtzeitige Behandlung mit Tetrazyklinen die Inzidenzrate für Parkinsonkrankheit senken kann, muss erst nachgewiesen werden. <br /> Spezifische Proteine, die in der entzündeten Haut bei Rosazeapatienten in erhöhtem Ausmaß gefunden werden, sind auch bei Demenzpatienten erhöht, insbesondere bei Alzheimerdemenzpatienten. Bei der Alzheimerkrankheit liegt eine chronische Entzündung vor. Um die senilen Plaques findet man aktivierte Mikrogliazellen, Zytokine und Komplementfaktoren bzw. Interleukin 1 im Blut. Interleukin 1 ist ein zentrales Zytokin für die Amyloid- Precursor-Protein(APP)-Prozessierung. <br /> Betaamyloid ist ein antimikrobielles Peptid (AMP) mit proinflammatorischen Eigenschaften. MMP (Matrixmetalloproteinasen) und AMP sind sowohl bei Rosazea als auch bei Alzheimerdemenz erhöht. Die Hypothese zur inflammatorischen Ursache der Alzheimerkrankheit geht davon aus, dass die Progression durch die Entzündungsmediatoren bedingt wird. AMP und MMP sind im Liquor von Alzheimerpatienten und Pa­tienten mit vaskulärer Demenz invers korreliert mit den kognitiven Leistungen. Der Zusammenhang beider Erkrankungen besteht also in bestimmten Proteinen und inflammatorischen Prozessen, die sowohl in der Haut von Rosazeapatienten als auch im Gehirn von Alzheimerpatienten zu finden sind. <br /> Da die schädlichen Proteine zusätzlich fehlgefaltet sind, kommt es zu weiteren Entzündungsreaktionen. Genomweite Assoziationsuntersuchungen legen eine Mitbeteiligung von inflammatorischen Prozessen nahe, die die Neurodegeneration bedingen oder sie zumindest aufrechterhalten. Auch epidemiologische Zusammenhänge unterstützen die Entzündungshypothese der Alzheimerkrankheit: Bei Polyarthritispatienten, die jahrzehntelang mit NSAR behandelt wurden, zeigt sich eine nur halb so hohe Prävalenzrate für die Alzheimerdemenz. Ob Tetrazykline, die bei Rosazea verschrieben werden, auch ein therapeutisches Potenzial bei Alzheimerdemenzpatienten haben, kann noch nicht bestätigt werden. Die Annahme einer Therapieoption ist derzeit nur hypothesengeneriert. <br /> Tetrazykline könnten nicht nur für Rosazeapatienten wertvoll sein, sondern aufgrund der Hemmung der MMP-Expression in den endothelialen Zellen sowie der Unterdrückung der Betaamyloidproduktion und der Tauproteinexpression auch neuroprotektive Eigenschaften haben. Ein anderer möglicher Zusammenhang zwischen den beiden Erkrankungen ist eine Schwächung des Immunsystems. Zur Beruhigung aller Rosazeapatienten kann gesagt werden, dass das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, nach den Zahlen der National Rosazea Society nur gering erhöht zu sein scheint. Da der Zusammenhang zwischen den beiden Erkrankungen noch nicht restlos geklärt und vor allem die Kausalität derzeit noch nicht nachgewiesen ist, empfiehlt es sich nicht, Patienten, die an Rosazea leiden, unnötig zu verunsichern. Derzeit genügt ein kritischer Blick darauf, ob über 60-jährige Rosazeapatienten Kurzzeitgedächtnisprobleme oder kognitive Beeinträchtigungen haben; ist dies der Fall, so ist eine Überweisung an den Facharzt zu empfehlen.</p> <p>Lesen Sie auch: <a href="7561">Rosazea – der Erkrankung auf der Spur</a></p></p>
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<p><strong>1</strong> Egeberg A et al: Patients with rosazea have increased risk of dementia. Annals of Neurology 2016; DOI:10.1002/ana.24645</p>
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