
FOBI Digital 2020 – daran werden wir uns noch lange erinnern
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Zum ersten Mal in ihrer fast 60-jährigen Geschichte fand die „Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie“ (FOBI) virtuell statt. Nachfolgend eine kleine Auswahl von besonders interessanten Themen.
Ein Novum bei der „FOBI Digital“ war heuer das Format „What’s new“. Hier wurden indikationsbezogen die neuesten Erkenntnisse in der Dermatologie vorgetragen. Prof. Martin Schaller, Universitäts-Hautklinik der Eberhard-Karls-Universität, Tübingen, stellte in seinem Vortrag Neuigkeiten bei dermatologischen Infektionskrankheiten vor, wobei sich vor allem bei mykologischen Infektionen einiges getan hat.
Meerschweinchen – Kuscheln mit Konsequenzen
Nach Empfehlung von Prof. Schaller sollte bei Kindern, die stark entzündliche Erscheinungen im Gesicht zeigen, die Frage gestellt werden, ob ein Meerschweinchen im Haus lebt. „Solche mykologischen Dermatophytosen, die sich meist am Auge und Kinn manifestieren, werden fast immer durch das Schmusen mit Meerschweinchen verursacht“, so Prof. Schaller. Der zugrunde liegende Erreger ist Trichophyton benhamiae, der erstmals 1998 in Japan beschrieben wurde. Zunächst wurden solche Infektionen als T.-mentagrophytes- oder Microsporum-canis-Infektionen fehlgedeutet. Reservoir des Erregers sind vor allem Meerschweinchen, aber auch andere kleine Nager. Die Ausbreitung in Europa erfolgte vor allem durch den Import von Meerschweinchen aus Asien. „Früher war die häufigste Zoonose, die wir gesehen haben, eine Microsporum-canis-Infektion, vor allem Katzen fungieren als Erregerreservoir. Mittlerweile ist T. benhamiae viel häufiger“, erklärte Prof. Schaller. Auch in einer Analyse zur Prävalenz von Dermatophyten in Deutschland in den Jahren 2010 bis 2013, zu de Daten von 7680 Patienten herangezogen worden waren, konnte diese Pilzart bei 231 Patienten nachgewiesen werden, M. canis dagegen nur bei 114 Patienten.1 Die Meerschweinchen sind in der Regel völlig symptomfrei. Besonders beunruhigend sind nach Ausführung von Prof. Schaller die Ergebnisse einer Untersuchung, in der Proben von Meerschweinchen aus 15 Zoohandlungen in 7 Berliner Bezirken untersucht wurden. Hier konnte bei 55 von 59 Tieren, d.h. bei 93%, mikro- und/oder molekularbiologisch T. benhamiae nachgewiesen werden.2 In einer Untersuchung aus Dänemark waren 38% der 32 untersuchten Meerschweinchen und 6% von 34 Hamstern infiziert.3 Bei keinem der 32 untersuchten Kaninchen konnte der Pilz nachgewiesen werden.
Therapeutisch ist Terbinafin Mittel der ersten Wahl. Sollte sich der Erwerb von Meerschweinchen für die kleine Tochter oder den kleinen Sohn nicht vermeiden lassen, empfahl Prof. Schaller, die Tiere zumindest beim Tierarzt vorzustellen und auf Pilze untersuchen zu lassen.
Akne – welche Rolle spielt die Ernährung?
Der Einfluss der Ernährung auf Akne ist ein häufiges Thema in der Yellow Press und auch in der Aknesprechstunde der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. Doch was ist wissenschaftlich gesichert? Dieser Frage ging Ernährungsmedizinerin Anne Gürtler, München, in ihrem Vortrag „Akne und Ernährung“ auf den Grund. Leider gibt es hierzu kaum doppelblinde, randomisiert-kontrollierte Studien.
Unumstritten ist auch in der wissenschaftlichen Medizin, dass ein erhöhter Milchkonsum – egal welchen Fettgehalts – mit einem erhöhten Aknerisiko assoziiert ist.4 Hintergrund der Verschlechterung der Akne ist sowohl bei der Milch als auch bei anderen negativen Nahrungseinflüssen eine über Insulin und „Insulin-like growth factor 1“ (IGF-1) vermittelte Aktivierung des mTOR-Komplexes (mTORC1). Besonders ungünstig wirkt sich nach Ansicht der Ernährungsmedizinerin Molkenprotein aus, das vor allem in der Bodybuilderszene konsumiert wird. Dieses hat nicht nur eine anabole Wirkung auf Muskelzellen, sondern wirkt auch auf Zellen des Talgdrüsenfollikels.
Als gesichert gilt weiterhin, dass eine westliche Ernährung mit einem hohen Anteil an schnell verfügbaren Kohlenhydraten eine Akne verschlimmert. Auch eine große Umfrage unter Aknepatienten zeigte, dass diese im Vergleich zu Kontrollen nicht nur mehr Milch, sondern auch mehr Softdrinks, Backwaren, Kuchen oder Gebäck sowie Desserts und Eiscreme verzehrten. Durch eine Reduktion der glykämischen Last, z.B. durch Auswahl von Lebensmitteln mit niedrigem glykämischem Index (wie etwa Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte sowie die meisten Obst- und sämtliche Gemüsesorten) lässt sich oft eine Besserung der Akne erreichen.
Alle anderen Erkenntnisse zum Thema Akne und Ernährung sind weit weniger gut gesichert. Im Tiermodell kann die mTORC1-Aktivität durch Epigallocatechingallat, den Hauptbestandteil von grünem Tee, verringert werden. Allerdings müsse ein möglicher Effekt durch eine Studie abgesichert werden.
„Wir Dermatologen sollten die Akne als Systemerkrankung auffassen und ihren metabolischen Marsch in Richtung ernsthafter mTORC-vermittelter Zivilisationserkrankungen wie Adipositas oder Diabetes durch frühzeitige diätische Interventionen verhindern“, empfahl Gürtler. Eine mögliche Aknediät besteht aus Nahrungsmitteln mit niedrigem glykämischem Index, Wasser, Tee, schwarzem Kaffee, Gemüse, Obst, gesunden Fetten sowie in Maßen gereiftem Käse.
Psoriasis – Systemtherapeutika haben nach wie vor einen Stellenwert
Biologika sind in aller Munde, wenn es um die Therapie der mittelschweren und schweren Psoriasis geht. Allerdings ist und bleibt die konventionelle Systemtherapie die Erstlinienoption, so Prof. Dr. Jörg C. Prinz, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, LMU München, bei seinem Vortrag „Konventionelle Systemtherapie der Psoriasis: Was muss ich beachten?“.
„Die konventionelle Systemtherapie ist nicht ganz so verlässlich wie Biologika, aber oft eine gute therapeutische Möglichkeit“, erklärte Prof. Prinz. Methotrexat (MTX) spielt als sichere Langzeittherapie der Psoriasis und der Psoriasisarthritis eine Rolle. Allerdings nur bei Patienten mit normaler Nierenfunktion, da es bei verzögerter renaler Ausscheidung zu einer intrazellulären MTX-Akkumulation mit der Folge einer Myelosuppression kommen kann. Auch Interaktionen mit anderen Arzneimitteln, z.B. mit nichtsteroidalen Antirheumatika, können zu einer vermehrten intrazellulären MTX-Aufnahme führen. Schleimhaut- und Hauteinblutungen können Anzeichen einer beginnenden Agranulozytose sein, in deren Folge sich eine nekrotisierende Angina und Gingivitis ausbilden kann. In so einem Fall kann sich rasch eine lebensbedrohliche Sepsis entwickeln.
Auch Acitretin hat nach Ansicht von Prof. Prinz vor allem in Kombination mit der Phototherapie oder Biologika bei der chronischen Plaque-Psoriasis einen Stellenwert. Zudem gilt es als Mittel der ersten Wahl für papulopustulöse Psoriasisformen. Dieses Retinoid ist wie alle Retinoide ein starkes Teratogen und sollte daher nie Frauen im gebärfähigen Alter verordnet werden.
Fumarsäureester haben ebenfalls einen hohen Stellenwert bei der Therapie der Psoriasis. Allerdings ist das Finden der richtigen Dosis nach Ausführung von Prof. Prinz eine echte Herausforderung. Gastrointestinale Beschwerden wie Bauchschmerzen und Diarrhö, aber auch Flushing können eine Dosisreduktion erforderlich machen. Wichtig ist auch der Blick auf das Blutbild. Eine Eosinophilie ist in der Regel unbedenklich. Bei einem Anteil von über 20% sollte aber die Dosis reduziert, gegebenenfalls die Therapie beendet werden. „Es müssen nicht sechs Tabletten am Tag sein“, erklärte Prof. Prinz. Gerade bei Fumarsäureestern gebe es keine erkennbare Beziehung zwischen Dosis, Wirkung und Nebenwirkungen, die Dosis müsse für jeden Patienten individuell ermittelt werden.
Kurzfristig kann Ciclosporin bei schwerer Psoriasis zur Remissionsinduktion eingesetzt werden, wenn eine herkömmliche Therapie nicht geeignet oder nicht wirksam ist. Zu beachten ist auch hier die richtige Dosierung. Empfohlen wird eine Dosis von 2,5mg bis 5mg/kg KG, bezogen auf das Idealgewicht entsprechend der Körpergröße, nicht auf das Realgewicht. Prinz empfahl eine Startdosis von 3,5 bis 4mg/kg Idealgewicht, um ein rascheres Ansprechen zu erreichen, mit anschließender Dosisreduktion. „Ciclosporin ist aber nicht geeignet für die Langzeittherapie“, so ein Hinweis des Dermatologen.
Können Biologika die Erkrankung langfristig „abschalten“?
„Die Kommunikation von zwei Arten von Zellen, nämlich T-Zellen und dendritischen Zellen, ist für die Entstehung der Psoriasis verantwortlich“, erklärte Prof. Kristian Reich, Translational Reserach in Inflammatory Skin Diseases, University Medical Center Hamburg-Eppendorf, bei seinem Vortrag „What is new – bei entzündlichen Hauterkrankungen“. Während des Kontakts dieser Zellen spielt das Zytokin Interleukin (IL) 23 eine entscheidende Rolle. Sehr vereinfacht gesprochen wandelt sich die
T-Zelle nach Kontakt mit diesem Zytokin in eine Th17-Zelle um, die in der Folge das proinflammatorische Zytokin IL-17 produziert. Gemeinsam mit TNF stimulieren sie Keratinozyten, die so selbst zur wichtigen Produktionsquelle von proentzündlichen Botenstoffen werden. „Wir gewinnen zunehmend Erkenntnisse über das sogenannte Entzündungsgedächtnis bei Psoriasis“, erklärte Prof. Reich. Bei diesen Zellen handelt es sich um CD8-positive Zellen, die in der Epidermis sitzen und auch bei klinisch nicht aktiven psoriatischen Läsionen erhöht bleiben. Diese Zellen sorgen dafür, dass es bei einem erneuten Schub zu Effloreszenzen an derselben Stelle kommt, zudem können sie auch selbst IL-17 und IL-23 freisetzen. Diese Gedächtniszellen brauchen allerdings IL-23 zum Überleben. „Wenn wir eine Chance hätten, die Gedächtniszellen zu eliminieren, dann wäre es möglich, die Patienten auch ohne Therapie oder zumindest mit langen Injektionsintervallen erscheinungsfrei zu halten“, erklärte Prof. Reich. Allererste ermutigende Erkenntnisse lieferte jetzt die ECLIPSE-Studie, eine direkte Kopf-an-Kopf-Studie zwischen dem IL-23-Blocker Guselkumab und dem IL-17-Blocker Secukinumab: In dieser Studie führte der IL-17 Blocker zu einem stärkeren Absinken der Zahl an Gedächtniszellen
Bericht:
Dr. Susanne Kammerer
Medizinjournalistin
Quelle:
FOBI 2020 Digital, 27. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie, 7.–11. Juli 2020
Literatur:
1 Uhrlass S et al.: Hautarzt 2015: 66: 855-62 2 Kupsch C et al.: Hautarzt 2017; 68: 827-30 3 Tekin HG et al.: Mycoses 2019; 62: 584-7 4 Melnik MC.: Clin Cosmet Investig Dermatol 2015; 8: 371-88 5 Kerob B et al.: Late breaking abstract No D3T01.1G. EADV 2019; 9-13 Oct, Madrid, Spain