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Erfolg versprechende Strategien in der Dermatoonkologie
Jatros
Autor:
Tagungspräsident Prof. Dr. Claus Garbe
Universitätshautklinik<br> der Eberhard-Karls-Universität Tübingen
30
Min. Lesezeit
22.11.2018
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<p class="article-intro">Noch immer ist Hautkrebs mit rund 240 000 Neuerkrankungen im Jahr die häufigste maligne Erkrankung in Deutschland mit der größten Steigerungsrate. An erster Stelle steht das Basalzellkarzinom mit jährlich rund 140 000 Fällen, gefolgt vom Plattenepithelkarzinom mit rund 70 000 Neuerkrankungen und vom malignen Melanom mit rund 28 000 Fällen.</p>
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<p class="article-content"><p>Bis 2030 wird sogar noch eine Verdoppelung der Hautkrebsrate erwartet. Experten sehen darin die späten Folgen UV-bedingter Hautschäden in der Kindheit und Jugend und freizeit- und berufsbedingter langjähriger Sonneneinstrahlung. Zur Prävention, Diagnostik und Therapie wurden beim 28. Deutschen Hautkrebskongress vom 13. bis 15. September 2018 in Stuttgart vielversprechende aktuelle Erkenntnisse und Forschungsergebnisse vorgestellt. Tagungspräsident Prof. Dr. Claus Garbe, Universitätshautklinik der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, gab Einblicke in Schwerpunkte und Highlights des Kongresses.</p> <p><strong>Welche besonderen Akzente wurden beim diesjährigen Hautkrebskongress in Stuttgart gesetzt? In welchen Bereichen gibt es neue Impulse? </strong></p> <p><strong>C. Garbe:</strong> Ein wichtiger Schwerpunkt waren die aktuellen Entwicklungen in der Melanomdiagnosik. Wie eine internationale Studie um Holger Hänßle, Heidelberg, zeigt, bringt ein selbstlernendes Computerprogramm im Vergleich mit Fachärzten, die viel Erfahrung brauchen, um ein Melanom sicher zu erkennen, bessere Ergebnisse. Neue Computeralgorithmen ermöglichen eine automatisierte Melanomdiagnose, das heißt: Der Einsatz künstlicher Intelligenz zieht in die Diagnostik ein (siehe Kasten). Ein weiterer aktueller Schwerpunkt war, dass die Immuntherapie auch bei fortgeschrittenem Plattenepithelkarzinom erfolgreich durchgeführt wird. Kostenerstattungen werden schon jetzt von den Krankenkassen genehmigt, genauso auch beim Merkelzellkarzinom. Die europäische Arzneimittelagentur EMA prüft die Zulassung für den monoklonalen Antikörper gegen das Protein PD-1 (Cemiplimab) zur Behandlung von Patienten mit Plattenepithelkarzinom, das metastasiert oder so weit lokal fortgeschritten ist, dass es inoperabel ist.</p> <p><strong>Gibt es – abgesehen von den Ansätzen, die Effektivität des Hautkrebsscreenings zu verbessern – im Bereich Prävention und Früherkennung weitere Fortschritte? </strong></p> <p><strong>C. Garbe:</strong> Bisher wurde das Hautkrebsscreening von 30–35 % der Bevölkerung wahrgenommen und wir sind bestrebt, das weiter zu verbessern. In der Prävention gibt es keinen Fortschritt. Hautkrebs entsteht überwiegend durch Sonnenbaden. Es ist ein Irrglaube, dass die Haut durch Sonnenschutzmittel vor Hautkrebs geschützt werden kann, das ist nicht der Fall. Vor Sonnenbrand ja, vor Hautkrebs nicht. Schon sehr niedrige Dosen UV-Strahlung verursachen Mutationen in der Haut. Sobald die Haut braun wird, sind schon Mutationen ausgelöst worden. Bis 2030 erwarten wir eine Verdoppelung der Hautkrebsinzidenz. Der Hautkrebs wird kommen, weil diejenigen, die ihn entwickeln werden, sich ihre Bestrahlungsdosis schon abgeholt haben. Die Latenzzeit beträgt 20 bis 30 Jahre. Das für uns überraschende Resultat einer großen Studie mit 1800 Kindergartenkindern war, dass Sonnenschutzmittel keinerlei Effekt auf die Entwicklung von Hautmutationen haben, Kleidung dagegen einen hochsignifikanten Unterschied macht. Wir unterscheiden intentionale Sonne beim Sonnenbaden und nicht intentionale Sonne bei Körperbedeckungen, die vor Melanomen und Plattenepithelkarzinomen schützen.</p> <p><strong>Wie weit ist die Zulassung neuer Medikamente in der Dermatoonkologie? </strong></p> <p><strong>C. Garbe:</strong> Aktuelle Daten zur adjuvanten Therapie des Melanoms mittels zielgerichteter Therapie, „targeted therapy“, und Checkpoint-Inhibitoren belegen, dass die Rezidivwahrscheinlichkeit nach Entfernung eines Hochrisikomelanoms deutlich vermindert ist. Die Prognose ist verbessert. Neu ist, dass die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren in die adjuvante Therapie des Melanoms eingeführt wird. Aktuelle Studien zeigen, dass im Vergleich zu Placebo eine Absenkung des Rezidivrisikos von 40 bis 50 % erreicht werden kann. Weil die Ergebnisse so gut sind, übernehmen die Krankenkassen die Kosten für die Behandlung schon jetzt. Das erste Medikament zur adjuvanten Immuntherapie (Nivolumab) wurde Ende Juli zugelassen, zwei weitere Zulassungen (Dabrafenib + Trametinib, Pembrolizumab) erwarten wir bis Ende des Jahres. Positive Phase-III-Studien liegen für alle drei Medikamente vor.</p> <p><strong>Gibt es nach den immensen Fortschritten der letzten Jahre in der Behandlung von Melanomen und anderen Hauttumoren durch zielgerichtete Therapien, Immuncheckpoint-Inhibitoren und Kombinationstherapien auch schon vielversprechende Weiterentwicklungen? </strong></p> <p><strong>C. Garbe:</strong> In die Behandlung des metastasierten Melanoms wurde die Tripeltherapie eingeführt – die Kombination von drei unterschiedlich wirkenden Medikamenten. Es gibt noch keine harten Ergebnisse, aber zwei fortgeschrittene Studien, die diskutiert werden. Die innovativen Therapiemöglichkeiten sind in vielen Fällen sehr wirksam, werden aber nicht immer gut vertragen. Nebenwirkungsstrategien sind ein großes Forschungsthema. Klinische Schwerpunkte liegen beim optimalen Therapiemanagement von Nebenwirkungen. Wir hatten bisher viel zu selten ein standardisiertes Management zur Erfassung der Nebenwirkungen. Diese können heftig auftreten, vor allem bei der kombinierten Immuntherapie, oft mit unspezifischen Symptomen wie Schwindel und Kopfschmerz. Die Forschung ist dabei, Instrumente zu entwickeln, wie beispielsweise computergeleitete Rückmeldungen von Patienten auf täglicher Basis. Ich hoffe, dass diese Entwicklung schnell kommt und auch allgemein finanzierbar ist.</p> <p><strong>Welches waren für Sie die Kongress- Highlights? </strong></p> <p><strong>C. Garbe:</strong> Wir hatten drei hochkarätige Keynote Lectures. Hans-Georg Rammensee aus Tübingen stellte seine Untersuchungen zur individualisierten Immuntherapie mit Antitumorimpfungen vor. Bisher gibt es unspezifische Immuntherapien, und die spannende Frage ist: Kann man die Lymphozyten noch speziell stimulieren, sodass für jeden Patienten eine gezielte, individuell wirksame Therapie entwickelt werden kann? <br />Laurence Zitvogel vom Institut Gustave Roussy in Paris, dem größten Krebsforschungszentrum in Frankreich, stellte klinische Konsequenzen translationaler Forschung zur Immuncheckpoint-Inhibition vor. In ihren spannenden Untersuchungen zum Mikrobiom zeigte sie, dass der Erfolg einer Krebstherapie auch durch eine veränderte Zusammensetzung der Darmflora bestimmt wird. Je nach Zusammensetzung des Darmmikrobioms wird die Immunantwort moduliert. Das kann heißen, dass bei bestimmten Zusammensetzungen des Mikrobioms starke oder schwache Immunantworten entstehen und die Behandlung der Darmflora der Schlüssel zum Therapieerfolg sein könnte. <br />Ashfaq Marghoob vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York präsentierte neue diagnostische Methoden und diskutierte den Einsatz von Computerprogrammen mit artifizieller Intelligenz, die heute bereits Dermatologen mit Spezialisierung in Dermatoonkologie in der Diagnose des Melanoms schlagen können.</p> <p><strong>Welche Limitationen sind nach wie vor gegeben? </strong></p> <p><strong>C. Garbe:</strong> Bei all den Fortschritten der letzten Jahre haben wir nach wie vor Problemfälle. Nicht alle Hautkrebspatienten können erfolgreich behandelt werden. Ich bin gespannt auf neue Forschungsergebnisse für Patienten mit Hirnmetastasen. Es gibt Erfolg versprechende Studien zu einer Kombination aus stereotaktischer Bestrahlung und kombinierter Immuntherapie, die Evidenz steht bisher noch aus. Ein weiterer Problempunkt sind Schleimhautmelanome. Diese sind nicht durch UV-Strahlung verursacht, also gibt es nicht so viele Mutationen als Angriffspunkte für die Immuntherapie. Interessant ist auch die Frage, welche Fortschritte es für Patienten mit okulären Melanomen gibt. Etwa 5 % aller Melanome entwickeln sich im Auge. Hier gibt es keine Lymphversorgung und keine Lymphknotenmetastasierung, sondern die okulären Melanome metastasieren alle primär über die Blutbahnen in die Leber.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 28. Deutscher Hautkrebskongress der Arbeitsgemeinschaft
Dermatologische Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft
(ADO), 13.–15. September 2018, Stuttgart,
www.ado-kongress.de
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Hänßle HA, Fink C et al.: Man against machine: diagnostic performance of a deep learning convolutional neural network for dermoscopic melanoma recognition in comparison to 58 dermatologists. Ann Oncol 2018; 29(8): 1836-42. https://doi.org/10.1093/annonc/mdy166</p>
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