
Effektive Therapie nach jahrzehntelangem Leidensdruck
Autor:
Dr.med. Leo Richter
Ordination in Wien und Baden
Eine junge Frau präsentiert sich mit schwerer atopischer Dermatitis samt quälendem Juckreiz; die Krankheit besteht seit Jahrzehnten und ist nach wie vor unkontrolliert. Nach einer Empfehlung für die systemische Therapie fällt die Entscheidung zunächst auf einen Januskinase-Inhibitor, doch aufgrund des ausbleibenden Erfolgs wird nachfolgend der IL-4-Hemmer Dupilumab eingeleitet. Unter dieser Therapie zeigt sich nach wenigen Monaten eine Erscheinungsfreiheit, die Patientin ist hochzufrieden – und überwindet für diese Therapie sogar ihre ausgeprägte Spritzenphobie.
Eine 35-jährige Frau wird im August 2022 erstmals vorstellig. Anamnestisch ist seit frühester Kindheit eine schwere atopische Dermatitis (AD) bekannt, ohne wirkliche Krankheitspausen (im Gegensatz zu manchen Patient:innen, die über langjährige Ruhepausen – etwa nach der Pubertät – berichten). Zusätzlich liegen Allergien gegen Gräser und Pollen vor, aber keine Nahrungsmittelunverträglichkeiten und auch keine sonstigen Begleiterkrankungen. Die Patientin ist abgesehen von der AD in einem sehr guten Allgemeinzustand, gibt aber aufgrund der Erkrankung und diesbezüglich vor allem wegen des starken Juckreizes eine massive Beeinträchtigung der Lebensqualität an.
Wie so oft bei der AD ist das Gesicht auch hier sehr stark betroffen; in Abb. 1 und 2 sind an Gesicht sowie Arm die Kratzartefakte aufgrund des starken Juckreizes zu sehen (wobei Fotos bei der AD häufig nicht das ganze Ausmass der Belastung durch die Krankheit widerspiegeln).
Bezüglich Vorbehandlungen erklärt die Patientin, bereits «jede mögliche Lokaltherapie mit und ohne Kortison» sowie als Phototherapie mehrmalige Schmalband-UVB-Bestrahlungen erhalten zu haben; bei einem kurz vorher wahrgenommenen Arzttermin auf der Dermatologischen Abteilung des Krankenhauses St. Pölten erhält sie aufgrund des Schweregrads der AD die Empfehlung zu einer Systemtherapie.
Kein echter Therapieerfolg unter JAK-Inhibitoren (JAKi)
Klassische Immunsuppressiva wie Cyclosporin A kommen für die Langzeittherapie einer doch jungen Patientin nicht wirklich infrage. Im gemeinsamen Gespräch mit der Patientin fällt die erste Entscheidung daher auf einen JAK-Inhibitor (JAKi), die Therapie mit Baricitinib beginnt nach entsprechender Voruntersuchung Mitte August 2022. Mehrere Faktoren zeichneten für diese Entscheidung verantwortlich, doch an erster Stelle ist eine wirklich stark ausgeprägte Spritzenphobie zu nennen, die trotz aufgezeigter Vorteile der Biologikatherapie (und der sicher vorhandenen Nachteile des JAKi) den Ausschlag gibt.
Circa neun Wochen später ist unter Baricitinib die Verträglichkeit zwar sehr gut, Nebenwirkungen waren nicht aufgetreten und das Labor ist ohne Befund. Jedoch ist eine nur leichte Verbesserung eingetreten, ein wirklicher Behandlungserfolg ist nicht festzustellen, und auch der Juckreiz ist mit einem Score von 5 immer noch vorhanden. Daher erfolgt im Oktober 2022 die Einleitung des IL-4/13-Blockers Dupilumab.
Dupilumab erlaubt Rückkehr zum normalen Leben
Bei der ersten Kontrolle wenig später (November 2022) zeigt sich eine Verbesserung ohne Nebenwirkungen, und mit dem Therapieerfolg geht es sukzessive weiter aufwärts: Im März 2023 sind die Ergebnisse als ausgezeichnet einzustufen, wenige Wochen später, im August, ist die Patientin praktisch erscheinungsfrei und damit das Erscheinungsbild so gut wie perfekt. Nebenwirkungen sind auch zu diesem Zeitpunkt nicht zu beobachten, die Patientin steigt von der Fertigspritze auf den Pen um. Beim letzten Kontrolltermin im Juli 2024 läuft es immer noch (seit jetzt fast zwei Jahren) exzellent unter Dupilumab, und die Patientin berichtet, endlich wieder ein normales Leben führen zu können.
An diesem Fall ist gut ersichtlich, wie die modernen Wirkstoffe auch Betroffenen mit wirklich starkem, jahrzehntelangem Leidensdruck aufgrund einer chronischen Erkrankung wieder zur Normalität verhelfen können. Im vorliegenden Fall wird der Therapieerfolg übrigens auch durch die – nach wie vor vorhandene – Spritzenphobie nicht getrübt: Vor dem Blutabnehmen hat die Patientin zwar laut eigener Aussage nach wie vor eine fürchterliche Angst, die Dupilumab-Spritze nimmt sie allerdings mittlerweile sehr gern in Kauf.
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Quelle:
Interaktives Online-Format: Abendvisite für die Schweiz, August 2024
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