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Psoriasis am EADV 2018

„Du darfst dir eine hohe Erwartung gönnen …“

<p class="article-intro">Seit einigen Jahren ist Bewegung in die Therapie von Psoriasispatienten gekommen. Heute steht eine breite Palette verschiedenster Biologika zur Verfügung, die nahezu Erscheinungsfreiheit und gute Langzeitwirkung garantieren. Dennoch erhalten nur rund 30 % der Patienten die modernen Systemtherapien. Prof. Kristian Reich analysierte den Status quo und aktuelle Herausforderungen in der Versorgung von Psoriasis.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Welches sind die aktuellen Herausforderungen in der Behandlung von Psoriasispatienten? </strong></p> <p><strong>K. Reich:</strong> Psoriasis ist eine chronische, systemische, immunmediierte entz&uuml;ndliche Hauterkrankung. Vielen ist nicht klar, was es im Alltag bedeutet, an Psoriasis zu leiden. Schon Menschen, bei denen nur 5 % der K&ouml;rperoberfl&auml;che betroffen ist, k&ouml;nnen sich nicht dauerhaft t&auml;glich 20 Minuten lang eincremen, das ist schlichtweg unpraktikabel. Eine Herausforderung ist, die bestm&ouml;gliche individualisierte Therapie f&uuml;r jeden Einzelnen zu finden. Und zumindest f&uuml;r Patienten, die an mittelschwerer bis schwerer Psoriasis erkrankt sind, ist das die Systemtherapie. Der klassische Leiter-Approach &ndash; zuerst topische Therapie, dann Phototherapie, Basismedikamente, dann Biologika &ndash; ist heutzutage nicht mehr zeitgem&auml;&szlig;. Meiner Meinung nach sollten Patienten, bei denen mehr als 10 % der K&ouml;rperfl&auml;che betroffen sind, oder Patienten mit geringerer K&ouml;rperoberfl&auml;che, aber Problemmanifestationen wie an der Kopfhaut und im Genitalbereich oder Patienten mit Nagelpsoriasis sofort eine Systemtherapie erhalten. Da m&uuml;ssen wir Dermatologen besser werden und unsere Patienten schneller einstellen.</p> <p><strong>Was w&uuml;nscht sich der Patient? </strong></p> <p><strong>K. Reich:</strong> Der Patient w&uuml;nscht sich, dass die Behandlung jahrelang wirkt, jahrelang sicher ist und alle Elemente seiner Erkrankung unterdr&uuml;ckt. Ich glaube, dass eine sichere Langzeitkontrolle und die hohen Ansprechraten wesentlich sind. Der Patient w&uuml;nscht sich zuallererst, dass man seine Erkrankung nicht mehr sieht. Da geht es weniger um komplette Clearance als technisches Therapieziel, er m&ouml;chte einfach wieder normal leben, unabh&auml;ngig davon, ob da oder dort noch ein T&uuml;pfel im Nagel oder ein kleiner Herd zu sehen ist.</p> <p><strong>Ist das Bewusstsein, dass Psoriasis gut und effektiv behandelbar ist, schon beim Gros der Patienten angekommen? </strong></p> <p><strong>K. Reich:</strong> Nein, deswegen brauchen wir dringend die mediale Aufkl&auml;rung. Wenn der Patient von 5 Dermatologen h&ouml;rt, man k&ouml;nne ihm nicht wirklich helfen, dann sinkt seine Erwartung und er &bdquo;ergibt sich seinem Schicksal&ldquo;. Darum brauchen wir auch eine breite &ouml;ffentliche Aufkl&auml;rungsarbeit durch Journalisten. Wir m&uuml;ssen die Botschaft unter die Leute bringen: Du darfst dir eine hohe Erwartung g&ouml;nnen, du darfst dir w&uuml;nschen, dass man deine Erkrankung nicht mehr sieht, denn heute k&ouml;nnen wir Psoriasis sehr gut und sicher behandeln. Dabei bringt auch die neue Klasse der IL- 23-Blocker noch einen wesentlichen zus&auml;tzlichen Vorteil.</p> <p><strong>Sind niedergelassene Dermatologen in Deutschland bereit, Biologika zu verordnen, oder werden die Patienten an spezialisierte Zentren weiter&uuml;berwiesen? </strong></p> <p><strong>K. Reich:</strong> Das Problem heute ist weniger, dass wir den Pathomechanismus der Psoriasis nicht verstehen oder zu wenige gute Medikamente zur Verf&uuml;gung h&auml;tten, womit wir die Erkrankung therapieren k&ouml;nnen, oder dass wir nicht w&uuml;ssten, wie es geht. Das Problem ist, dass die Systemtherapien nicht eingesetzt werden. Man ben&ouml;tigt daf&uuml;r Zeit, die Medikamente sind teuer, der Arzt bekommt aber zum Beispiel in Deutschland bei Kassenpatienten nur etwa 15 Euro pro Quartal f&uuml;r seinen Patienten und tr&auml;gt das Risiko einer Regresspr&uuml;fung. Die Realit&auml;t sieht leider so aus, dass Patienten bereit sind, lange Wegstrecken und Anfahrtszeiten in Kauf zu nehmen, und trotzdem vielfach keinen Arzt finden, der sich ihrer annimmt. Wir m&uuml;ssen vielleicht die Therapien ein bisschen g&uuml;nstiger machen oder anderswo Einsparma&szlig;nahmen treffen, aber es kann nicht sein, dass wir heute keinen Weg finden, diesen schwer betroffenen Patienten effektiv zu helfen. In Hamburg bauen wir gerade ein spezielles Zentrum f&uuml;r entz&uuml;ndliche Hauterkrankungen auf, um diese Probleme besser zu l&ouml;sen.</p> <p><strong>Glauben Sie, dass Aufkl&auml;rung &uuml;ber die Sicherheit dem Kollegen in der Praxis hilft, diese Medikamente zu verschreiben? </strong></p> <p><strong>K. Reich:</strong> Tats&auml;chlich gibt es Studien, die belegen, dass nur 20&ndash;30 % der schwer betroffenen Psoriasispatienten leitliniengerecht behandelt werden. Der Arzt muss nat&uuml;rlich bestens informiert sein und er braucht den n&ouml;tigen Rahmen, um Systemtherapien zu verschreiben. Vielleicht w&auml;re es hilfreich, nicht nur Fortbildungen zum Thema Psoriasis anzubieten, sondern zwei oder drei dermatologische Themen zusammenzufassen, um die Kollegen st&auml;rker zu Fortbildungen zu motivieren. Der Kollege muss zwar nicht alles bis ins letzte Detail verstehen, doch er muss ausreichend informiert sein, um sich im Dschungel an Therapien zurechtzufinden.</p> <p><strong>Empfinden Sie es als Vorteil, dass mehrere IL-23p19-Antagonisten in der Pipeline zu erwarten sind? </strong></p> <p><strong>K. Reich:</strong> Klar, Konkurrenz belebt den Markt und wird mittelfristig auch dazu f&uuml;hren, dass wir &uuml;ber Therapiepreise diskutieren. Ich glaube aber, man kann es sich als Hautarzt, der Patienten mit Psoriasis therapieren will, nicht leisten, die Klasse der IL-23-Hemmer in der Praxis zu ignorieren.</p> <p><strong>Risankizumab hat erstaunliche Ergebnisse in der Phase II versus Ustekinumab gezeigt (77 % PASI-90-Ansprechen unter Risankizumab nach 12 Wochen im Vergleich zu 40 % unter Ustekinumab). Wie sehen die Phase-III-Daten aus? </strong></p> <p><strong>K. Reich:&nbsp;</strong>Die guten Wirksamkeitsund Sicherheitsdaten, die hohen PASI- 90- und -100-Ansprechraten, die hohe stabile Wirksamkeit &uuml;ber die Zeit &ndash; bislang &uuml;berblicken wir lediglich die 1-Jahres- Daten, aber die 2-Jahres-Daten werden kommen &ndash;, all das ist wirklich spannend und best&auml;tigt die guten Daten der Phase II. Ebenso die langen Intervalle von 3 Monaten zwischen den Injektionen. Wenn man den EADV aufmerksam verfolgt und die Daten aus dem Phase- III-Studienprogramm betrachtet, zeigt sich: Risankizumab ist in der Wirksamkeit Ustekinumab (ultIMMa-1- und -2-Studie) klar &uuml;berlegen. Die IMMvent- Studie belegt zudem die &Uuml;berlegenheit von Risankizumab gegen&uuml;ber Adalimumab. In Deutschland lief au&szlig;erdem eine Vergleichsstudie mit Fumaderm, eine weitere Vergleichsstudie mit Methotrexat wird in Brasilien durchgef&uuml;hrt. Auch zu Secukinumab ist eine Vergleichsstudie im Gange. Alles spricht daf&uuml;r, dass dieses Pr&auml;parat gegen&uuml;ber verschiedenen bisher verf&uuml;gbaren Therapien deutliche Vorteile bringt. Sehr vielversprechend erscheinen auch die Daten zur Krankheitskontrolle nach Absetzen des Medikaments bei ansprechenden Patienten. Vielleicht gibt es eine Subgruppe von Patienten, die Risankizumab nur mehr einmal im halben Jahr ben&ouml;tigen. Das und vieles mehr wird Inhalt weiterer Studien sein, aber die Substanz scheint wirklich gut zu sein.</p> <p><strong>Wie ist die Vertr&auml;glichkeit? Gibt es Hinweise auf Malignomentwicklung oder Tb? </strong></p> <p><strong>K. Reich:</strong> Biologika insgesamt k&ouml;nnen in der Therapie der Psoriasis als sicher gelten. In Bezug auf Infekte und Malignome zum Beispiel sind die Raten allesamt sehr niedrig. Dar&uuml;ber hinaus ist es die &bdquo;target-specific safety&ldquo;, die uns interessiert, also die Sicherheitsdaten, die mit dem spezifischen Wirkmechanismus assoziiert sind. Bei TNF-Blockern betrifft das zum Beispiel das Tuberkuloserisiko, demyelinisierende Erkrankungen oder &bdquo;Lupus-like&ldquo; Syndrome, bei IL-17-Inhibitoren sehen wir ein erh&ouml;htes Risiko von Candida-Infektionen und eine fehlende Wirksamkeit bei chronisch-entz&uuml;ndlichen Darmerkrankungen. IL-23-Blockade scheint dagegen zum Beispiel nicht mit einem erh&ouml;hten Tuberkuloserisiko einherzugehen, aber die Behandlungsdauer und die Zahl der behandelten Patienten sind nat&uuml;rlich bisher noch relativ klein. Wir haben bisher bei Hemmung von IL-23 eigentlich kein &bdquo;Target specific safety&ldquo;-Problem identifizieren k&ouml;nnen. Andererseits liegt f&uuml;r diese Gruppe von Medikamenten bisher keine Zulassung f&uuml;r die Psoriasisarthritis vor, sodass meiner Ansicht nach f&uuml;r Patienten mit aktiver PsA von den zielgerichteten Therapien weiterhin TNF-Blocker oder IL-17A-Inhibitoren derzeit erste Wahl bleiben. <br />Wir &Auml;rzte in Deutschland und &Ouml;sterreich haben nat&uuml;rlich auch eine Kostenverpflichtung gegen&uuml;ber den Krankenkassen. Meine Botschaft lautet jedoch, nicht zu lange zuzuwarten, bevor man ein Biologikum verordnet, wenn nur diese Therapiegruppe eine realistische Aussicht auf einen Therapieerfolg verhei&szlig;t.</p> <p><em><strong>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></em></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Interview mit Prof. Dr. Kristian Reich, Dermatologikum Berlin und Leiter des Entzündungszentrums Skinflammation<sup>®</sup> in Hamburg (Eröffnung 2019), im Rahmen des EADV, 13. September 2018, Paris, Palais de Congres </p>
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