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Die Qual der Wahl bei der Behandlung der Psoriasis
Jatros
Autor:
Dr. Susanne Kammerer
Quelle: 25. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie (FOBI), 23. bis 29. Juli 2016, München
30
Min. Lesezeit
15.09.2016
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<p class="article-intro">In den letzten Jahren hat sich das therapeutische Spektrum bei der Behandlung der Psoriasis enorm verbreitert. Die Versorgung sollte sich stets an den Bedürfnissen der Patienten orientieren.</p>
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<p class="article-content"><p>Selbst Patienten mit leichten Psoriasisformen fühlen sich schwer belastet. Dennoch wird nur die Hälfte aller Psoriatiker beim Dermatologen behandelt. „Die technologische Entwicklung der letzten 10 Jahre war so dicht wie die in den letzten 100 Jahren davor nicht“, erklärte Prof. Dr. Matthias Augustin, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen mit universitärem Psoriasis-Zentrum in Hamburg, Deutschland. Versorgungsziel sei immer, den Menschen zu einer besseren Lebensqualität zu verhelfen. Eine Versorgungsstudie unter der Autorenschaft von Prof. Augustin zeigte, dass für Patienten Folgendes besonders wesentlich ist: Der Hautzustand soll schnell besser werden und es soll weniger Zeit für die tägliche Behandlung aufgewendet werden. Zudem fühlen sich Patienten durch den Juckreiz besonders be­lastet.</p> <h2>Was bringt die Zukunft?</h2> <p>„Ich bin optimistisch, was die künftige Versorgung der Patienten mit Psoriasis betrifft, da wir dank der Arzneimittelinnovationen ein großes Potenzial haben“, so Augustin. 2–3 % der Bevölkerung haben eine schwere Psoriasis, ihre Lebenserwartung ist vier Jahre geringer als diejenige von Patienten ohne Psoriasis. „Wir können Patienten heute so behandeln, dass 70 % gar nicht mehr wissen, dass sie die Erkrankung haben“, erklärte Prof. Kristian Reich, Dermatologikum Hamburg, Deutschland. Möglich wurde dies durch Innovationen bei den Biologika, die gezielt an einzelnen Zytokinen angreifen. Dabei spielen IL-17 und IL-23 bei der Immunpathogenese der Psoriasis die bedeutendste Rolle.</p> <h2>Vollständige Abheilung als erreichbares therapeutisches Ziel</h2> <p>Mit den IL-17-Blockern Secukinumab und Ixekizumab erreichen doppelt so viele Patienten ein PASI-75-Ansprechen wie mit Etanercept. Zudem wird damit die vollständige Abheilung möglich: 7 von 10 Patienten sieht man die Schuppenflechte nicht mehr an, dementsprechend ist ihre Lebensqualität durch die Erkrankung nicht mehr eingeschränkt. „Ich will ein Mittel haben, das bei allen Manifestationen der Psoriasis hilft“, erklärte Prof. Reich. Auch dieser Anspruch wird von den IL-17-Hemmern erfüllt: Sie sind auch bei Manifestationen an Kopfhaut, Nägeln sowie bei Psoriasisarthritis aktiv.<br /> Ein weiteres lohnendes Therapieziel bei der Psoriasis ist die Blockade von IL-23. Ustekinumab ist ein humaner IgG-Antikörper, der an die gemeinsame p40-Proteinuntereinheit von ungebundenem IL-12 und -23 bindet und deren Andocken an den gemeinsamen Rezeptor IL-12R, der auf der Oberfläche naiver T-Zellen gefunden wird, hemmt. Damit wirkt die Substanz auf beide Zytokine, wobei die Wirksamkeit vor allem durch die Blockade von IL-23 entsteht. Ustekinumab hat nach Ausführung von Prof. Reich vor allem drei Vorteile:</p> <ul> <li>ein angenehm langes Applikationsintervall (12 Wochen)</li> <li>unterschiedliche Dosierungen zum selben Preis, wodurch der Arzt eine Variationsmöglichkeit hat</li> <li>eine angenehme Spritztechnik</li> </ul> <p>Im PHOENIX-2-Studienprogramm zeigte Ustekinumab eine stabile Wirksamkeit über 5 Jahre. „Ab Jahr 1 durften die Ärzte mit der Dosis ‚spielen‘; um solche stabile Langzeitdaten zu haben, müssen wir Patienten individuell behandeln können“, erklärte Prof. Reich.<br /> Die Effizienz der IL-23-Blockade wird durch neue, selektive Substanzen, die derzeit im klinischen Studienprogramm sind, noch weiter zunehmen: Eine Studie zeigte, dass 60 % der Patienten, die mit dem IL-23-Inhibitor Guselkumab behandelt werden, einen PASI 90 erreichen. Mit dem ebenfalls in der Pipeline befindlichen Risankizumab wurde nach einem Jahr bei nahezu der Hälfte der Patienten ein PASI 90 erreicht – die letzte Spritze wurde nach 16 Wochen verabreicht. Die lange Wirkdauer ist ein typisches Kennzeichen dieser Substanzen.</p> <h2>Gutes Sicherheitsprofil</h2> <p>Die neuen Biologika haben insgesamt ein sehr gutes Sicherheitsprofil. „Das sind keine Immunsuppressiva, sondern immunologische Präzisionswaffen, die einzelne Botenstoffe senken“, erklärte Prof. Reich. Im PsoBest-Register zeigte sich kein erhöhtes Risiko für Malignome bei der Therapie mit Biologika, auch bei nicht melanozytärem Hautkrebs gibt es keine großen Abweichungen. Die Infektionsrate ist bei Biologika geringfügig erhöht. Risikofaktoren hierfür sind höheres Alter, Diabetes mellitus, Rauchen sowie eine Infektion in der Anamnese. „Wir müssen 200 Patienten behandeln, um bei einem Patienten eine schwere Infektion zu erleben“, erklärte Reich. Das geringe Risiko erklärt sich seines Erachtens dadurch, dass mit Biologika ja keine gesunden Menschen behandelt werden, sondern Patienten, die zu viele Botenstoffe haben, welche durch die Behandlung normalisiert werden.</p> <h2>„Small molecules“ bringen Zytokine in Balance</h2> <p>Die Phosphodiesterase(PDE)-4 spielt eine wesentliche Rolle bei Entzündungsvorgängen der Psoriasis. Apremilast hemmt die PDE-4, wodurch die intrazellulären cAMP-Spiegel steigen (Abb. 1). Dies bremst die entzündliche Reaktion, indem die Expression der proentzündlichen Zytokine TNF-α, Interleukin(IL)-23 und IL-17 unterdrückt wird und diejenige von antiinflammatorischen Zytokinen wie IL-10 erhöht wird. Apremilast ist also ein Immunmodulator. Das „small molecule“ ist hinsichtlich des PASI-Rückgangs zwar IL-17-Blockern unterlegen, zeichnet sich jedoch durch eine gute Verträglichkeit aus: Im klinischen Alltag bestehen die häufigsten Nebenwirkungen in Diarrhö sowie Übelkeit und Erbrechen.<br /> Ein besonderer Vorteil der Behandlung ist zudem ihre einfache Durchführbarkeit: Bis zu 2 Jahre nach Therapie gibt es keine Veränderungen des Blutbilds, daher sind keine Laborkontrollen nötig. Viele Patienten bevorzugen zudem die orale Applikation. „Der Gewichtsverlust bei Behandlung mit Apremilast ist meines Erachtens nicht als unerwünschte Wirkung zu sehen, sondern als etwas, was dem Patienten zugutekommt. Wir sehen hier doch deutliche Effekte. 80 % halten ihr Gewicht und 12 % verlieren 5–10 % des Körpergewichts“, erklärte Dr. Andreas Pinter, Universitätsklinikum Frankfurt, Deutschland.<br /> Apremilast stellt nach Erfahrung von Dr. Pinter auch gerade für jene Patienten eine Behandlungsmöglichkeit dar, die Fumarsäure nicht tolerieren oder für die es wegen Depressionen, zahlreicher Komorbiditäten oder Malignome kaum andere Behandlungsmöglichkeiten gibt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Derma_1603_Weblinks_Seite34.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Alt, aber gut</h2> <p>Trotz aller Innovationen sollten bewährte Verfahren nicht vergessen werden. So ist die Phototherapie bei der Psoriasis rasch wirksam und wird auch von den Patienten sehr gut akzeptiert. Zudem besteht hier eine jahrelange Erfahrung. „Natürlich gibt es keinen direkten Vergleich zwischen Biologika und Phototherapie“, erklärte Prof. Percy Lehmann, Zentrum für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie in Wuppertal, Deutschland. Aber aus Registerdaten liegt ein indirekter Vergleich vor, bei dem die IL-17-Blocker allerdings noch nicht enthalten sind (Abb. 2).<br /> „Danach ist bezüglich der Abheilung die PUVA mindestens so wirksam wie Biologika, bezüglich der Kosten haushoch überlegen“, erklärte Prof. Lehmann. Ein Nachteil der Phototherapie ist ihre limitierte Praktikabilität, die Patienten müssen zu häufig zum Arzt. Mangels Sponsoring gibt es zudem keine klinischen Studien. Insgesamt wird die Phototherapie heute seltener als früher eingesetzt. „Wenn wir dem gegenwärtigen Trend folgen, verlieren wir ein ganz wichtiges therapeutisches Instrument bei Psoriasis; die Phototherapie ist ein Oldie, aber ein Goodie“, so die Ansicht von Prof. Lehmann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Derma_1603_Weblinks_Seite36.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <div id="fazit"> <h2>Topische Psoriasistherapie – ein wesentlicher Behandlungspfeiler</h2> <p>Die topische Therapie ist ein wesentlicher Bestandteil des Armamentariums gegen Psoriasis. Auch in diesem Bereich gibt es wertvolle Innovationen. In diesem Jahr erhielt ein topisches Präparat die europäische Zulassung. Dieser neuartige Sprühschaum mit den Wirkstoffen Calcipotriol 50µg/g und Betamethason-Dipropionat 0,5mg/g wurde entwickelt, um Patienten eine komfortable und einfach anwendbare Behandlungsoption zur Verfügung zu stellen. In der klinischen PSO-FAST-Studie erreichten mehr als die Hälfte der mit diesem Präparat behandelten Patienten nach Woche 4 eine „vollständige“ oder „nahezu vollständige“ Abheilung der Hautläsionen, gemessen am Investigator Global Assessment (IGA) Improvement Score. Zusätzlich erreichten mehr als die Hälfte der so behandelten Patienten eine 75 % ige Verbesserung des PASI(Psoriasis Area and Severity Index)-Scores im Vergleich zur Baseline.</p> </div></p>
<p class="article-quelle">Quelle:
25. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und
Venerologie (FOBI), 23. bis 29. Juli 2016, München
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