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Die Dermatoonkologie ist im Aufschwung
Jatros
30
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23.11.2017
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<p class="article-intro">Beim Dermatologie-Tag, der heuer zum 4. Mal von der Krankenanstalt Rudolfstiftung veranstaltet wurde, lag ein Schwerpunkt auf den therapeutischen Strategien beim malignen Melanom, beim Sézary-Syndrom und bei Mycosis fungoides. Fazit ist: Neue Therapieoptionen finden Einzug in die Behandlung dieser Tumorentitäten!</p>
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<p class="article-content"><p>Das maligne Melanom (MM) war für viele Jahre das „Stiefkind“, was therapeutische Fortschritte im Sinne einer Verbesserung der Outcomes anbelangt. Erst mit der Einführung der Immuntherapie (IO) konnten wesentliche Fortschritte verzeichnet werden. Während initial der Hype groß war, als die IO die Chemotherapie (CTx) bei dieser Tumorentität verdrängt hat, sind wir inzwischen erfolgsverwöhnt und müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir zwar immer noch eine weitere Verbesserung des klinischen Benefits erzielen können, die Schritte aber nicht mehr so bahnbrechend sein werden, wie das mit der Einführung der Checkpoint-Inhibitoren (CPI) der Fall war.<br /> Dem MM wurde im Rahmen des Dermatoonkologie- Teils am Wiener Dermatologie- Tag ein hoher Stellenwert zugeordnet: Gleich mehrere Vorträge waren dieser Tumorentität gewidmet. U.a. berichtete Univ.- Prof. Dr. Christoph Höller, Universitätsklinik für Dermatologie/ Hauttumorzentrum, Medizinische Universität Wien, über aktuelle Entwicklungen und Status quo in der IO des MM; OA Dr. Felix Weihsengruber, leitender Oberarzt der Pigment/ Tumorambulanz der dermatologischen Abteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien, präsentierte die Daten zur systemischen MM-Therapie an der Krankenanstalt Rudolfstiftung seit dem Jahr 2000.</p> <h2>Melanomtherapie an der Krankenanstalt Rudolfstiftung</h2> <p>Mit der Übernahme der Abteilung für Dermatologie und Venerologie durch Univ.-Prof. Dr. Klemens Rappersberger im Jahr 2000 wurde an der Krankenanstalt eine dermatoonkologische Ambulanz etabliert. Seitdem sind 3000 Patienten betreut und 600 mit systemischer Therapie behandelt worden. „Im Jahr 2000 waren wir noch weit von der Einführung effektiver MM-Therapien entfernt und nur 25 % der Patienten haben das erste Jahr nach Diagnosestellung überlebt“, berichtete Weihsengruber.<br /> 111 Patienten konnten einer Therapie mit innovativen Substanzen im Sinne einer Behandlung mit CPI oder zielgerichteten Therapien zugeführt werden.<br /> Von den Patienten, die mit CPI behandelt wurden, erhielten 50 Ipilimumab (IPI), 23 Nivolumab (Nivo), 37 Pembrolizumab (Pembro) und 5 Patienten eine Kombination bestehend aus IPI + Nivo. 13 Patienten wurden mit einem BRAF-Inhibitor, 30 mit einer dualen Therapie im Sinne eines BRAF- und eines MEK-Inhibitors therapiert. Die Patienten zeigten ein teilweise hervorragendes Ansprechen, wobei sich bei den Outcomes Korrelationen mit den publizierten Studien zu den einzelnen Substanzen bzw. den Kombinationsstrategien fanden.<br /> Dass es manchmal notwendig ist, ungewöhnliche Schritte bei den therapeutischen Entscheidungen zu wagen, zeigt der Fall einer Langzeitüberlebenden, deren Erstdiagnose im Jahr 2007 erfolgt ist und die gegenwärtig dank moderner Therapiestrategien komplett erscheinungsfrei ist (siehe Kasten).</p> <h2>Onkolytische Immuntherapie – T-VEC</h2> <p>Talimogen laherparepvec (T-VEC; Imlygic<sup>®</sup>) ist ein attenuiertes Herpes-simplex- Virus, das derartig modifiziert ist, dass es im Tumor noch replizieren kann. T-VEC produziert außerdem GM-CSF, wodurch eine Verstärkung der systemischen Immunresponse bewirkt wird. Die Substanz wurde Ende 2015 für die Behandlung von Erwachsenen mit nicht resezierbarem, lokal oder entfernt metastasiertem MM (Stadium IIIB, IIIC und IVM1a) ohne Knochen-, Hirn-, Lungenoder andere viszerale Beteiligung als erste onkolytische Immuntherapie zugelassen.<sup>1</sup> In der Phase-III-Studie wurden unter T-VEC signifikant höhere dauerhafte Responseraten verzeichnet als im Vergleichsarm mit GM-CSF (16,3 vs. 2,1 % ; p<0,001), wobei der Effekt bei therapienaiven Patienten am stärksten ausgeprägt war. Mit Cellulitis als einziger Nebenwirkung der Grade 3/4 zeigte T-VEC ein ausgezeichnetes Verträglichkeitsprofil. Die Substanz wird direkt in die MMLäsionen injiziert. Aus persönlicher Erfahrung berichtete Prof. Höller, dass er bei vielen Patienten ein sehr gutes Ansprechen beobachtet.</p> <h2>IO: Kombinationsstrategien sind im Vormarsch</h2> <p>Für das metastasierte MM sind mit Nivo und Pembro aktuell zwei PD-1-Inhibitoren zugelassen, die Höller von ihrer Effektivität her als vergleichbar gut einstuft und die besser wirksam sind als der im Jahr 2011 zugelassene CTLA4-Antikörper IPI.<br /> Kombinationsstrategien sind zunehmend auf dem Vormarsch: In der dreiarmigen Studie CheckMate 067 werden Nivo + IPI versus Nivo bzw. IPI als Monotherapie untersucht. Die aktuellsten, am ESMOKongress 2017 präsentierten Ergebnisse zum 3-Jahres-PFS, -OS und zur Response bestätigen die Trends, die bereits von Larkin am AACR-Kongress 2017<sup>3</sup> präsentiert worden sind: Zwar schneidet in allen Endpunkten die Kombination am besten ab, die Überlegenheit versus die Nivo-Monotherapie ist aber nicht so ausgeprägt, wie vielleicht erwartet worden ist. Das 3-Jahres- OS für Nivo/IPI, Nivo bzw. IPI als Monotherapie beträgt 58, 52 bzw. 34 % . Die Ergebnisse für das PFS liegen bei 39, 32 bzw. 10 % und die Responseraten bei 58,3, 44,3 bzw. 18,7 % .<sup>4</sup> „Wir sind ein wenig enttäuscht, dass sich das Plateau unter der Kombination nicht auf einem höheren Level einpendelt, und müssen uns wohl daran gewöhnen, dass die Fortschritte in der Therapie des MM etwas bescheidener werden, als wir es gewohnt sind“, kommentierte Höller die Ergebnisse.<br /> Angesichts der Tatsache, dass unter Nivo/ IPI eine wesentlich höhere Toxizitätsrate verzeichnet wird, stellt sich die Frage nach dem Stellenwert der Kombination. In diesem Zusammenhang wies Höller auf den Prozentsatz an Patienten hin, die nach 3 Jahren noch keine Folgetherapie benötigten. Dieser lag bei 32 % (vs. 46 % unter Nivo und 63 % unter IPI) (Abb. 1)<sup>4</sup>.<br /> „Das bedeutet, dass die 60 Prozent an Überlebenden im Kombiarm aufgrund der dualen Therapie noch am Leben sind und ein Unterschied zur Nivo-Monotherapie besteht, den man vermutlich über die Zeit hinweg immer besser sieht“, sprach sich Höller pro Kombination aus.</p> <div id="fazit"> <h2>Erfolgreiche Reinduktion einer BRAF-MEK-Inhibition</h2> <p>Bei einer 21-jährigen Patientin wurde im Jahr 2007 im Bereich der rechten Schulter ein superfiziell spreitendes MM im Stadium IIIA diagnostiziert. Sie erhielt eine Hochdosis-Interferontherapie und war bis 2013 beschwerdefrei. Im Mai 2013 wurde eine pulmonale Metastase detektiert und chirurgisch saniert. Der Patientin wurden 6 Zyklen Dacarbazin verabreicht. Bis zum Jänner 2014 hatte sie eine Metastase im rechten Fibulaköpfchen entwickelt, die reseziert werden konnte. Die Patientin erhielt 4 Zyklen Ipilimumab. Im Mai 2014 wurden Sekundaria an multiplen Lokalisationen (renal, pulmonal, ossär, …) festgestellt, bei denen histologisch eine BRAF-Positivität nachgewiesen wurde. Daraufhin wurde die Patientin in die damals laufende Studie zur kombinierten BRAF-/MEK-Inhibition mit Dabrafenib/ Trametinib eingeschlossen, sie entwickelte aber im September 2016 erneut ausgedehnte Metastasen im Bereich der rechten Fibula. Eine Therapie mit IPI/Nivo (bis April 2017) führte zu keinem Ansprechen. Nach 4-wöchiger Therapiepause wurde erneut die duale zielgerichtete Therapie mit Dabrafenib/Trametinib initiiert, woraufhin die Patientin nach kurzer Zeit beschwerdefrei war.</p> </div> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1704_Weblinks_s8_abb1.jpg" alt="" width="2150" height="909" /></p> <h2>IO zeigt auch hohe intrazerebrale Effektivität</h2> <p>Zunehmend mehr Studien zur IO werden auch bei MM-Patienten mit zerebralen Metastasen durchgeführt: In CheckMate 204 wurde eine Induktionstherapie mit Nivo und IPI gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit Nivo bei Patienten mit =1 asymptomatischen Hirnmetastase untersucht. Die Patienten durften eine stereotaktische Therapie, nicht aber eine Ganzhirnbestrahlung erhalten haben. Die Vorbehandlung mit einem BRAF-/MEK-Inhibitor war erlaubt. Am diesjährigen ASCO-Kongress wurden die Ergebnisse nach einem medianen Follow-up (FU) von 9,2 Monaten präsentiert: Mit einer klinischen Benefitrate (CBR) von 60 % und einer objektiven Responserate (ORR) von 66 % sind die intrakraniellen Effekte dieser Strategie als bemerkenswert einzustufen. Aber auch der extrakranielle Benefit war beeindruckend (CBR: 52 % , ORR: 49 % ). Bezüglich des PFS hat sich sowohl für den intra- als auch für den extrakraniellen Verlauf nach ca. 6 Monaten ein Plateau eingependelt. „Die IO stellt bei diesem Patientenkollektiv, das bislang eine äußerst schlechte Prognose aufwies, den neuen Standard dar und ist bei uns inzwischen bei Patienten mit asymptomatischen Hirnmetastasen die Therapie der Wahl“, so die Conclusio von Prof. Höller.</p> <h2>Mycosis fungoides und Sézary- Syndrom</h2> <p>Univ.-Prof. Dr. Franz Trautinger, Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, St. Pölten, berichtete über neue Therapieansätze bei Mycosis fungoides (MF) und Sézary-Syndrom (SS). „Die Therapie des MF gestaltet sich gar nicht so einfach, da die Erkrankung sehr vielgestaltig ist und extrem unterschiedlich ausgeprägt sein kann“, erklärte Trautinger zu Beginn seines Vortrags. Sowohl in den USA<sup>6</sup> als auch in Europa<sup>7</sup> sind neue Therapierichtlinien für die beiden Erkrankungen erarbeitet worden: Gemeinsam ist den beiden Guidelines, dass Patienten in frühen Erkrankungsstadien mit topischen Therapien behandelt werden sollen. An der Entwicklung der europäischen Guidelines war federführend mit Prof. Trautinger neben europäischen Experten ein starkes österreichisches Team maßgeblich mitbeteiligt.<br /> „Neu“ in dem Sinn ist bei MF eine seit den 1940er-Jahren verwendete alkylierende Substanz als neue Formulierung für die topische Anwendung eingeführt worden: Mechlorethamin wurde in einer randomisierten Studie als Fertigprodukt in Form eines 0,02 % igen Gels mit der alten galenischen Formulierung bei MF-Patienten in den Stadien IA–IIA verglichen: Die Nichtunterlegenheit des Gels konnte bestätigt werden, in der Zeitspanne bis zum Ansprechen war das Gel sogar der Behandlung im Kontrollarm überlegen (p<0,01).<sup>8</sup> Das topische Chemotherapeutikum in Form des Gels wurde basierend auf diesen Ergebnissen im März dieses Jahres unter dem Handelsnamen Ledaga® für die Behandlung des MF vom Typ des kutanen T-Zell-Lymphoms zugelassen.<sup>9</sup><br /> Für fortgeschrittene Stadien mit Organbeteiligung ist die CTx die Therapie der Wahl. Alemtuzumab, ein humanisierter CD52-Antikörper, der eigentlich für Multiple Sklerose zugelassen und initial für die Behandlung von Lymphomen entwickelt worden war, wurde ebenfalls in die europäischen Richtlinien aufgenommen: Nachdem der Antikörper eine stark ausgeprägte immunsuppressive Wirkung aufweist und in Dosierungen von 30mg 3x wöchentlich mit schweren opportunistischen Infektionen einhergeht, werden niedrigere Dosierungen empfohlen.<sup>7</sup><br /> Als vielversprechende neue Therapieoption bei MF hat sich Brentuximab Vedotin (BV) im Rahmen einer offenen randomisierten Phase-III-Studie erwiesen. BV, ein gegen CD30 gerichtetes Antikörper- Wirkstoff-Konjugat, ist bereits bei Morbus Hodgkin und dem systemischen anaplastischen großzelligen Lymphom zugelassen (ALCL).<sup>9</sup> Die Patienten mit MF und kutanem ALCL wurden zum Erhalt von BV bzw. zur Therapie nach Wahl des Prüfarztes randomisiert. Als primärer Endpunkt war der Anteil an Patienten definiert, die eine mindestens 4 Wochen anhaltende globale Response aufwiesen. Dieser Prozentsatz lag nach einem FU von 22,9 Monaten unter BV versus den Kontrollarm bei 56,3 vs. 12,5 % , was einem Unterschied von 43,8 % zugunsten von BV gleichkommt (p<0,0001). Nur 2 der 48 MF-Patienten hatten eine Progression entwickelt (Abb. 2).<sup>10</sup> BV ist für diese Indikation bereits bei der EMA<sup>9</sup> (European Medicines Agency) eingereicht worden, die Zulassung wird für 2018 erwartet.<br /> Die hämatologische Stammzelltransplantation (SZT) stellt bei MF und SS die einzige Therapie mit kurativer Intention dar, wobei die allogene der autologen SZT hinsichtlich der Chance auf eine Remission überlegen ist. Das 7-Jahres-OS lag in einer Studie mit 300 Patienten bei 44 % . Allerdings ist die SZT-assoziierte Mortalität mit 20 % nicht unbeträchtlich.<sup>11</sup> „Die Durchführung einer SZT muss im individuellen Fall gut überlegt werden. Leider fehlen uns Daten zu Konditionierungsschemata, die die Toxizität reduzieren könnten“, äußerte sich Trautinger zu dieser therapeutischen Strategie.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1704_Weblinks_s8_abb2.jpg" alt="" width="2150" height="952" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 4. Wiener Dermatologie-Tag, 7. Oktober 2017, Wien
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<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Fachinformation T-VEC, Stand Juni 2016 <strong>2</strong> Andtbacka RH et al.: J Clin Oncol 2015; 33: 2780-2788 <strong>3</strong> Larkin J et al.: AACR 2017; Abstract #CT075 <strong>4</strong> Grob J et al.: ESMO 2017; Abstract #1222PD <strong>5</strong> Tawbi H et al.: ASCO 2017; Abstract #9507 <strong>6</strong> https://www.nccn.org/professionals/physician_ gls/default.aspx (Zugriff nur mit Login) <strong>7</strong> Trautinger F et al.: Eure J Cancer 2017; 77: 57-74 <strong>8</strong> Lessin SR et al.: JAMA Dermatol 2013; 149: 25-32 <strong>9</strong> http://www.ema.europa.eu/ema/ <strong>10</strong> Fachinformation Brentuximab Vedotin, Stand: August 2017 <strong>11</strong> Prince HM et al.: Lancet 2017; 390: 555-56 <strong>12</strong> Virmani P et al.: Dermatol Clin 2015; 33: 807-818</p>
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