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Therapiebedingte Hautveränderungen

Dermatotoxizität in der Onkologie

Onkologika-induzierte Veränderungen an der Haut, deren Anhangsgebilden und der Mukosa sind vielfältig. Sie sind oft lang andauernd und klinisch signifikant, da sie medizinische und psychosoziale Folgen haben. Patientinnen und Patienten sowie das multidisziplinäre Behandlungsteam sind durch die Entwicklung der onkologischen Therapiemöglichkeiten direkt mit Dermatotoxizitäten konfrontiert. Diesfordert einen interdisziplinären und interprofessionellen Managementansatz und entsprechende fachliche Kompetenzen.

Keypoints

  • Herausforderungen für das gesamte onkologische Behandlungsteam bedingen eine sorgfältige Absprache untereinander und ein proaktives Vorgehen.

  • Wird Dermatotoxizität, assoziiert mit onkologischen Therapien, nicht frühzeitig und adäquat behandelt, kann diese weitreichende Auswirkungen zeigen.

  • Dermatologische Nebenwirkungen gefährden die Therapie-Adhärenz, die Durchführung der wirksamen Antitumortherapie sowie die Lebensqualität der Patienten und Patientinnen und erhöhen die Behandlungskosten.

  • Eine systematische, gemeinsame Herangehensweise innerhalb des Behandlungsteams zeigt grossen Einfluss auf die Betreuungsqualität, die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten sowie auf die Kosteneffizienz und sollte daher zwingend angestrebt werden.

Neue Therapien – neue Herausforderungen

Neue Erkenntnisse in der Krebsbiologie haben zu bedeutenden Entwicklungen in der Krebsbehandlung geführt. Neue Therapieansätze wie Antineoplastika, einschliesslich neuartiger Kombinationen klassischer Zytostatika, zielgerichtete Therapien wie Tyrosinkinase-Inhibitoren, Immuntherapien in Form von Checkpoint-Inhibitoren und zellulären Therapien (CAR-T) haben sich etabliert. All diese Arzneimittel beeinflussen die normalen homöostatischen Funktionen der Haut und der Schleimhäute, was zu Beeinträchtigungen von Haut, Nägeln, Haaren und Mukosa führt. Insbesondere bei Kombinationstherapien stehen Patientinnen und Patienten und das multidisziplinäre Behandlungsteam vor dermatologischen Herausforderungen.1

Auswirkungen klassischer Zytostatika auf Haut, Haare, Nägel und Mukosa

Die Auswirkungen klassischer Zytostatika auf Haut, Haare, Nägel und Mukosa resultieren aus deren Fähigkeit, DNA-Schäden zu verursachen oder die Ausbildung des Spindelapparates zu hemmen. Diese Arzneimittel wirken auf proliferierende Zellen, wobei die dermatologischen Reaktionen stark vom Wirkmechanismus, der Dosierung und der Kombination der eingesetzten Substanzen abhängen. Zu den häufigsten Dermatotoxizitäten gehören Exantheme, das Hand-Fuss-Syndrom, mukosale Toxizitäten, Alopezie und Nagelveränderungen.2,3

Zielgerichtete Therapien und ihr dermatologisches Nebenwirkungsprofil

Zielgerichtete Therapien, die gezielt biochemische Abläufe in Tumorzellen hemmen, können eine breite Palette dermatologischer Reaktionen auslösen. Diese Reaktionen resultieren aus der Hemmung oder Abschaltung von Zielmolekülen, die für das Wachstum und Überleben von Krebszellen entscheidend sind. Die Art der dermatologischen Reaktionen hängt von der Art der Zielmolekül-Blockade ab und kann verschiedene Wachstumsstörungen, entzündliche Veränderungen, etwa die Hand-Fuss-Haut-Reaktion, Exantheme, die Induktion von Sekundärneoplasien der Haut, Schleimhautschädigungen, Nagelveränderungen und geringgradige Alopezie umfassen.3

Immuntherapie-assoziierte Dermatotoxizität

Immuncheckpoint-Inhibitoren können durch eine unspezifische Immunaktivierung zu autoimmunbedingten Reaktionen führen, die eine Vielzahl dermatologischer Nebenwirkungen verursachen. Entzündungsreaktionen wie makulopapulöse Exantheme, Pruritus, psoriasiforme und lichenoide Eruptionen sind häufig. Schwere immunvermittelte Nebenwirkungen wie das Stevens-Johnson-Syndrom wurden ebenfalls in Verbindung mit Checkpoint-Blockaden gebracht. Interessanterweise korrelieren Hautreaktionen mit höheren Raten von krankheitsfreiem Überleben und einer besseren Gesamtüberlebensrate, was auf eine Verbindung zwischen immunvermittelten Hautnebenwirkungen und dem Tumoransprechen hinweist.1,3,4

Konsequenzen dermatologischer Reaktionen

Dermatologische Reaktionen können je nach Schweregrad oder psychosozialer Belastungssituation zu Therapieunterbrechungen oder -abbrüchen führen, was das Gesamtüberleben beeinträchtigen kann.5,6 Begleiterscheinungen wie Pruritus, Brennen, Spannungsgefühl und Schmerzen haben besonders negative Auswirkungen auf die Lebensqualität.7 Der kosmetische Effekt kann das Selbstwertgefühl beeinflussen.6,8,9 Patientinnen und Patienten können dermatologische Toxizitäten in der Regel besser akzeptieren, wenn sie ein gutes Therapieansprechen zeigen.10 Dabei sollte die finanzielle Belastung durch unerwünschte dermatologische Wirkungen unbedingt berücksichtigt werden, da viele dermatologische Therapeutika nicht von der Krankenkasse abgedeckt sind.11 In finanzieller Hinsicht lohnen sich daher präventive und frühtherapeutische Interventionen bei erwarteter dermatologischer Toxizität, da die reaktive Behandlung in der Regel teurer ist.3,12,13

Proaktive präventive und therapeutische Strategien

Eine proaktive präventive und therapeutische Herangehensweise ist entscheidend. Das frühzeitige Erkennen und das systematische Erfassen von Effloreszenzen, vor allem bei immuntherapieassoziierten Effekten, sind von grosser Bedeutung, da sie in einigen Fällen die ersten Anzeichen schwerwiegender unerwünschter Ereignisse sein können.4,13 Zielgerichtete Therapien und Immuntherapien werden in der Regel langfristig verabreicht. Dementsprechend sind die Baseline-Einschätzung bei Therapiebeginn und die regelmässige Reevaluation des klinischen Zustands unerlässlich, um notwendige präventive oder frühtherapeutische Interventionen zu ermöglichen.14

Interdisziplinärer und interprofessioneller Managementansatz

Um ein patientenzentriertes Symptommanagement bei Dermatotoxizität sicherzustellen, ist ein interdisziplinärer und interprofessioneller Ansatz unerlässlich, der Pflegefachpersonen, Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Fachpersonen aus verschiedenen Fachrichtungen wie Radioonkologie, Dermatologie, Pharmazie, Podologie und Wundmanagement einschliesst. Diese Prozesse müssen dem Setting angepasst und gemeinsam abgesprochen sein, vor allem auch um Redundanzen zu vermeiden. Eines der in der Literatur genannten Probleme ist beispielsweise die Heterogenität, mit der unerwünschte Ereignisse bewertet werden: Im Interesse einer sicheren und wirksamen klinischen Praxis erscheint es daher von grösster Bedeutung, eine Standardisierung durch eine einheitliche Überwachung der Toxizität zu erreichen.4 In diesem Zusammenhang hat das Nationale Krebsinstitut der USA die Common Terminology Criteria for Adverse Events entwickelt, ein Instrument, das eine Reihe von Kriterien zur Klassifizierung unerwünschter Ereignisse bei antineoplastischen Arzneimitteln enthält.14

Die Rolle der onkologischen Fachpflege

Die onkologische Fachpflege kann eine Schlüsselrolle im Symptommonitoring und -management einnehmen, was sich positiv auf die Zufriedenheit, Therapieadhärenz, Betreuungsqualität und Kosteneffizienz auswirkt.15,16 Eine effektive Versorgung von dermatologischen Reaktionen kann durch erfahrene Pflegefachpersonen, zum Beispiel innerhalb von pflegegeleiteten («nurse-led») Sprechstunden, übernommen werden.14,17,18 Diese beinhalten die frühzeitige und individualisierte Edukation von Patientinnen, Patienten und ihren Zugehörigen zu spezifischen evidenzbasierten Interventionen, die gemeinsam mit dem Betroffenen festgelegt werden, die dann darin geschult werden.19–21

Klinische Expertise und fachliche Grundlagen

Dieses interprofessionelle Management dermatologischer Reaktionen fordert auch von der onkologischen Fachpflege spezifische Fertigkeiten und fachliche Grundlagen, die beispielsweise im sechstägigen Weiterbildungslehrgang «Dermatologische Reaktionen in der Onkologie» erworben werden können. Dieser wird jährlich durch die Onkologiepflege Schweiz für Pflegefachpersonen im deutschsprachigen Raum aus den Bereichen Onkologie, Radioonkologie, Wundmanagement, Dermatologie und spitalexterner Betreuung im Hybridformat angeboten ( www.onkologiepflege.ch ). Die Fertigkeiten können kostenfrei in den halbjährlichen Online-Netzwerktreffen trainiert werden. Konkrete Praxisempfehlungen zu präventiven und therapeutischen Interventionsstrategien müssen verfügbar sein und sollten systematisch in den klinischen Alltag implementiert werden. Dazu bietet das neu erschienene Buch «Dermatologische Reaktionen bei onkologischen Therapien – präventive und therapeutische Strategien in der Pflege» eine geeignete Grundlage. Es richtet sich insbesondere an Fachpersonen, die in ihrem klinischen Praxisfeld Menschen mit einer Krebserkrankung betreuen, beraten und begleiten. Es bietet umfassendes Fachwissen und konkrete Handlungsempfehlungen für eine kompetente Versorgung von dermatologischen Reaktionen. Die erfahrenen Autorinnen und Autoren zeigen, mit welchen präventiven und therapeutischen Konzepten und Arzneimitteln die Erkrankten individuell und effektiv unterstützt werden können.

1 Lacouture ME et al.: Prevention and management of dermatological toxicities related to anticancer agents: ESMO Clinical Practice Guidelines. Ann Oncol 2020; 32(2) 157-60 2 Sanmartín O et al.: Clinical Management of Cutaneous Adverse Events in Patients on Chemotherapy: a National Consensus Statement by the Spanish Academy of Dermatology and Venereology and the Spanish Society of Medical Oncology. Actas Dermosifiliogr 2019; 110(6): 448-59 3 Thallinger C et al.: Dermatologische Reaktionen in der Onkologie im Überblick. In: Kern Fürer C et al.: Dermatologische Reaktionen unter onkologischen Therapien. Präventive und therapeutische Strategien in der Pflege. (Praxishandbuch und Lehrmittel). Heidelberg: Springer, 2023 4 Geisler AN et al.: Immune checkpoint inhibitor-related dermatologic adverse events. J Am Acad Dermatol 2020; 83(5): 1255-68 5 Du R et al.: Experience of patients with lung cancer and with targeted therapy-related skin adverse drug reactions: a qualitative study. Asia Pac J Oncol Nurs 2022; 9: 10 6 Matzka M et al.: Toxische Hautreaktionen und Unterstützungsbedarf von KrebspatientInnen im Zuge einer EGFR-Antikörpertherapie. Pflege 2017; 30(1): 9-17 7 Burtness B et al.: NCCN Task Force Report: Management of dermatologic and other toxicities associated with EGFR inhibition in patients with cancer. J Natl Compr Canc Netw 2009; 7(Suppl. 1): S5-21 8 Wollenberg A et al.: Hautreaktionen unter EGFR-Inhibitoren – Klinik und Management. Dtsch Med Wochenschr 2010; 135(4): 149-54 9 Eilers RE Jr. et al.: Dermatologic infections in cancer patients treated with epidermal growth factor receptor inhibitor therapy. J Natl Cancer Inst 2010; 102: 47-53 10 Krawiec K et al.: Subjective evaluation of skin toxicity and quality of life in patients undergoing anti-cancer treatment at the Department of Cancer Chemotherapy. Med Res J 2021; 6(2): 99-107 11 Giuliani J, Bonetti A: The pharmacological costs for the management of skin toxicity in patients with cancer treated with epidermal growth factor receptor-inhibitors. Clin Lung Cancer 2016; 17(6): 471-3 12 Kashiwa M, Matsushita R: Cost-effectiveness of preemptive skin treatment to prevent skin-toxicity caused by panitumumab in third-line therapy for KRAS wild type metastatic colorectal cancer in Japan. JPharm Health Care Sci 2021; 7(1): 35 13 Muntyanu A et al.: Kutane immunbedingte unerwünschte Ereignisse (irAEs) bei Immun-Checkpoint-Inhibitoren. Eine dermatologische Perspektive für das Management. J Cutan Med Surg 2021; 25(1): 59-76 14 Musholt M, Kern Fürer C: Klinisches Assessment und Anamnese in der Dermatologie. In: Kern Fürer C et al.: Dermatologische Reaktionen unter onkologischen Therapien. Präventive und therapeutische Strategien in der Pflege. (Praxishandbuch und Lehrmittel). Heidelberg: Springer, 2023 15 Kelly D et al.: The effectiveness of nurse-led interventions for cancer symptom management 2000-2018: a systematic review and meta-analysis. Health Sci Rev 2022; 4: 100052 16 Mohile SG et al.: Praktische Beurteilung und Management von Schwachstellen bei älteren Patienten, die eine Chemotherapie erhalten: ASCO-Leitlinie für geriatrische Onkologie. J Clin Oncol 2018; 36: 2326-47 17 Menjak IB et al.: Evaluation of a multidisciplinary immunotherapy toxicity monitoring program for patients receiving ipilimumab for metastatic melanoma. JCO Oncol Pract 2021; 17(11): e1631-8 18 Hirata M et al.: Challenge of skin treatment led by nurses and pharmacists for advanced colorectal cancer patients treated with anti-EGFR antibodies. Gan To Kagaku Ryoho 2022; 49(4): 421-4 19 Hammond-Thelin LA: Cutaneous reactions related to systemic immunomodulators and targeted therapeutics. Dermatol Clin 2008; 26: 121-59 20 Hirsh V: Managing treatment-related adverse events associated with egfr tyrosinekinase inhibitors in advanced non-small-cell lung cancer. Curr Oncol 2011; 18(3): 126-38 21 Li T, Perez-Soler R: Skin toxicities associated with epidermal growth factor receptor inhibitors. Target Oncol 2009; 4(2): 107-19

Buchtipp

Dermatoxizität richtig versorgen

Dieses Buch richtet sich an Fachpersonen, die in ihrer klinischen Tätigkeit Menschen mit einer Krebserkrankung betreuen, beraten und begleiten. Es bietet umfassendes Fachwissen und konkrete Handlungsempfehlungen für eine kompetente Versorgung von dermatologischen Reaktionen.Werden sie nicht adäquat behandelt, haben sie einen negativen Einfluss auf die Therapieakzeptanz und die Lebensqualität der Patient:innen.

Die erfahrenen Autorinnen und Autoren zeigen, mit welchen Konzepten und Arzneimitteln die Erkrankten individuell und effektiv unterstützt werden können.

C. Kern Fürer, H. Titzer, I. Bachmann-Mettler: Dermatologische Reaktionen bei onkologischen Therapien Präventive und therapeutische Strategien in der Pflege
Springer Verlag, Heidelberg, 2023
248 Seiten, 61 Abbildungen, 57 Abbildungen in Farbe, broschiert
Buch: CHF 28.–, ISBN Buch: 978-3-662-66605-0
E-Book: CHF 22.–, ISBN E-Book: 978-3-662-66606-7

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