
Das atopische Ekzem im Kindes- und Jugendalter
Prophylaxe
Studiendaten zum frühzeitigen Einsatz einer prophylaktisch anzuwendenden Basistherapie bei Risikokindern noch ohne Ekzem aus atopischen Familien zeigen uneinheitliche Ergebnisse. Nach ersten vielversprechenden kleineren Studien 2014 zeigten grösser angelegte prospektive Studien jetzt unerwartet ernüchternde Ergebnisse.7
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Das atopische Ekzem/die atopische Dermatitis ist eine der häufigsten Erkrankungen im Kindesalter. Ursachen sind ein angelegter Hautbarrieredefekt und eine immunologische Überreagibilität. Frühe altersangepasste Therapiemassnahmen haben das Ziel eines anhaltend und früh zu erreichenden ekzemfreien Status.
Keypoints
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Ursachen der atopischen Dermatitis sind zentral ein genetisch bedingter Hautbarrieredefekt und eine Neigung zur immunologischen Fehlreaktion.
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Triggerfaktoren können zwar zusätzlich die Stärke und Schubhäufigkeit der Ekzeme beeinflussen, sind aber nicht ursächlich für die Erkrankung. Eine Heilung der Veranlagung zur atopischen Dermatitis ist nicht möglich.
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Basistherapeutische Massnahmen dienen vor allem der dauerhaften Stabilisierung der Hautbarriere und der Prophylaxe neuer Ekzemschübe.
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Entzündliche Veränderungen der Haut verlangen grundsätzlich nach einer angepassten antientzündlichen Therapie.
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Im Kindesalter ist in den allermeisten Fällen eine topische Therapie für das Erreichen eines weitestgehend ekzemfreien Verlaufs ausreichend.
Das atopische Ekzem (Synonyme: atopische Dermatitis, endogenes Ekzem, etwas unvorteilhaft auch als «Neurodermitis» bezeichnet) ist eine chronische oder chronisch rezidivierende entzündliche, meist mit Juckreiz verbundene Haut- und Immunerkrankung, die gehäuft in Familien mit weiteren atopischen Erkrankungen vorkommt. Mit bis zu 20% betroffener Kinder ist das atopische Ekzem eine der häufigsten Erkrankungen im Kindesalter, ist mit ca. 2(–8)% bei den Erwachsenen aber auch noch bei Jugendlichen und Erwachsenen regelmäßig anzutreffen. Zentraler Pathogenesefaktor ist ein Zusammentreffen vo sich ungünstig gegenseitig verschlechternden Hautbarrieredefekten und immunologischer Fehlreaktion. Diese werden durch verschiedene Umgebungsfaktoren (Tab. 1) weiter verstärkt, was in Chronifizierungsprozesse münden kann. Es erklärt auch, dass es in der Regel nicht «den einen» Auslöser gibt, sondern multiple Einflussfaktoren. Auch wenn alles optimiert wurde, persistiert dennoch die angelegte vermehrte Hautbarriereempfindlichkeit. Die Barrierereparatur und eine frühe vollständige und anhaltende Symptomkontrolle sind daher zentrales therapeutisches Ziel.1–5
Merke
Triggerfaktoren (Tab.1) können das Ekzem verschlechtern, sind aber nicht die Ursache der atopischen Dermatitis. Eine Meidung dieser Triggerfaktoren (soweit möglich) führt allenfalls zu einer Verbesserung, aber fast nie zur Abheilung der atopischen Dermatitis.
Diagnosestellung
Die Diagnose der atopischen Dermatitis basiert vor allem auf der Anamnese und einer genauen klinischen Untersuchung. Typische Morphe ist das Ekzem. Im Säuglingsalter besteht oft ein mehr generalisierter Befund (Abb.1) und es können sowohl Streck- als auch Beugeseiten der Extremitäten betroffen sein. Der Windelbereich ist oft ekzemfrei. Die Wangen können dafür umso stärker entzündet sein. Bei Kleinkindern sind dann häufig Beugenekzeme vorherrschend (Abb.2). Später im Jugend- und Erwachsenenalter sind vermehrt Kopf, Hals und Hände betroffen. Juckreiz ist in der Regel vorhanden, kann aber in den ersten Lebensmonaten noch wenig ausgeprägt sein. Eine Variante der atopischen Dermatitis, die bei ca. 10–15% der Kinder auftritt, ist das nummuläre atopische Ekzem (Abb.3). Nummuläre Läsionen sind häufig therapieresistenter als typische flächige Ekzeme und bedürfen nicht selten intensiverer Therapiemassnahmen.
Primär ist eine Labor- und/oder allergologische Diagnostik nicht grundsätzlich notwendig. Sollte sich das Ekzem unter einer optimierten Basis- und vorübergehenden spezifischen Therapie gut zurückbilden, müssen keine weiteren Abklärungen erfolgen. Eine Labor- und allergologische Diagnostik (ges. IgE und spezifische IgE, z.B. Nahrungsmittel- und/oder Umgebungsallergenmischungen), ist jedoch sinnvoll bei:
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Hinweisen auf allergische Soforttyp-Reaktion,
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eindeutigen anamnestischen Zusammenhängen zwischen Ekzemverschlechterung und Allergenkontakt,
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mittelschweren und schweren Ekzemen mit einem längerfristigen hohen Bedarf an antientzündlicher Therapie ohne vollständig symptomfreie Zeiten (z.B. keine Ekzemkontrolle nach 4–8 Wochen trotz optimierter Therapie).
Merke: Impfungen
Es gibt keine fundierten Erkenntnisse, die ein Auslassen von Impfungen bei Kindern mit atopischer Dermatitis rechtfertigen. Kinder mit schwerem atopischem Ekzem sollten sogar frühzeitig gegen Erkrankungen wie z.B. Varizellen geimpft werden, da aufgrund der gestörten Hautbarriere ein erhöhtes Risiko für eine verstärkte Narbenbildung und bakterielle Haut- und Weichteilsuperinfektionen besteht.
Therapie
Ziel der Therapie ist immer das Erreichen einer möglichst vollständigen Symptomfreiheit, gefolgt von einem dauerhaften Erhalten des ekzemfreien Zustandes und der frühzeitigen Kontrolle neuer Ekzemschübe.
Erst nach Abheilung der Entzündungen/Ekzeme kann mithilfe einer Basistherapie die epidermale Barriere optimal intakt gehalten werden. Die Therapie basiert auf folgenden Prinzipien6:
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Wiederherstellung der epidermalen Barriere mittels angepasster Basistherapie (Hautreinigung und rückfettende Pflege)
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Konsequente antientzündliche Therapie mit dem Ziel, Ekzemschübe prompt zur Abheilung zu bringen und weitere Schübe zu verhindern
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Prophylaxe und Behandlung kutaner Superinfektion mittels angepasster Basistherapie inklusive regelmässiger Hautreinigung und ggf. eines kurzzeitigen Einsatzes von Antiseptika/Antibiotika bei Superinfektion/stark bakteriell besiedelten Ekzemen
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Reduktion von Triggerfaktoren (Tab. 1), soweit möglich
Basistherapie
Die barrierestabilisierende Basistherapie und weitestmögliche Reduktion von Triggerfaktoren sind grundsätzliche Bestandteile der Therapie der atopischen Dermatitis, unabhängig vom aktuellen Stadium oder Verlauf der Erkrankung.
Zur Basistherapie gehört die an Stadium, Lokalisation des Ekzems und Alter des Kindes angepasste Anwendung von Reinigungsmassnahmen und rückfettenden Pflegeprodukten (Tab. 2). Welches Produkt zur Basistherapie eingesetzt wird, ist individuell festzulegen; der Lipidgehalt kann dabei der aktuellen Ausprägung der Entzündung und Trockenheit der Haut angepasst werden. Je akuter, nässend-geröteter, umso weniger Lipidgehalt (hydrophile Cremes oder Kombinationen mit Schwarztee- oder ggf. antiseptischen Umschlägen), je trockener, subakut-chronischer, umso mehr Lipidgehalt (Fett-Cremes bis ggf. Salben) sollten die verwendeten Produkte aufweisen.
Für einen zusätzlichen Rehydrierungseffekt können z.B. Glycerin oder bei älteren Kindern Harnstoff zu Basisprodukten zugesetzt werden. Harnstoff (Urea) kann gerade bei Säuglingen und Kleinkindern und bei noch stark geröteten Ekzemen zu einem vorübergehenden Brennen («Stinging»-Effekt) auf der Haut führen. Er sollte erst ab dem Vorschulalter verwendet werden. Stark ausgedehnte, impetiginisierte Ekzeme und Pyodermien bedürfen bei Therapiestart einer spezifischen systemisch-antibakteriellen Behandlung. Hier hat sich der Einsatz von Amoxicillin mit Clavulansäure oder von Cephalosporinen der ersten (ggf. zweiten) Generation (z.B. Cefaclor) p.o. bewährt. Flankierend muss immer eine antientzündliche Ekzemtherapie (s.u.) erfolgen!
Spezifische Therapie
Für die topische Behandlung der atopischen Dermatitis sollten bei Kindern vor allem topische Steroide der Klassen II und III mit vorteilhaftem Wirkungs/Nebenwirkungsspektrum (z.B. Hydrocortison-17-Butyrat, Prednicarbat, Methylprednisolonaceponat oder Mometasonfuroat) verwendet werden. Das schwach wirksame nichtveresterte Hydrocortison (Klasse 1) ist aufgrund seiner transkutanen Resorption schlechter geeignet. Bei sehr jungen Kindern und Säuglingen oder der Notwendigkeit einer grossflächigen Behandlung bei generalisiertem Ekzem lassen sich die Präparate (z.B. Prednicarbat Klasse II–III [0,08% bis 0,25%] oder Mometasonfuorat Klasse III [0,02% bis 0,1%]) über Individualrezepturen zusätzlich niedriger konzentriert rezeptieren.1,8 Eine Behandlung einmal täglich ist ausreichend (Depotbildung der topischen Steroide im Stratum corneum), idealerweise sollte diese abends nach dem Bad erfolgen.
Die Behandlung erfolgt in zwei Phasen. Die Induktionstherapie (ca. 1 bis 3 oder 4 Wochen) hat das Ziel, alle betroffenen Ekzemstellen vollständig zur Abheilung zu bringen. Therapie aller betroffenen Stellen z.B. 1 x täglich an 5 Tagen pro Woche.
Nach Erreichen eines vollständig ekzemfreien Zustandes kann mit der zweiten Phase – Intervalltherapie/Erhaltungstherapie/proaktive Therapie – die Behandlung fortgesetzt werden. Ziel ist das Erhalten eines vollständig ekzemfreien Zustandes. Die vormals betroffenen Stellen werden trotz jetzt nicht mehr ekzemveränderter Haut weiter an 2 Tagen pro Woche behandelt. Diese Phase ist je nach Bestandsdauer des Ekzems und Ausprägung der Entzündung unterschiedlich lange fortzusetzen. Leichte und/oder erst kurz bestehende Ekzemstellen können ggf. nur wenige Wochen, chronisch schon lange bestehende oder zu Beginn sehr stark entzündliche Ekzeme müssen ggf. viele Monate nachbehandelt werden. Der Übergang zu einer sog. proaktiven Therapie ist hier fliessend.
Merke
Bei Beginn einer Therapie sollte ein ausreichend dosiertes Kortikosteroidpräparat gewählt werden, um eine Abheilung möglichst innerhalb von 3 (bis max. 4) Wochen zu erreichen. Beim Ausschleichen der Therapie kann dasselbe Präparat zur Intervalltherapie verwendet werden. Wird in der Induktionsphase kein ekzemfreier Befund erreicht, sind Rezidive vorprogrammiert.
Proaktive Therapie
Bei häufigen Rezidiven/Schüben oder wenn diese schon aufgrund z.B. einer langen Ekzemvorgeschichte zu erwarten sind, sollte immer eine anschliessende proaktive Therapie erfolgen. Hierbei wird vorbeugend über längere Zeit, z.B. (3–) 6 (–12) Monate, eine Therapie an vormals betroffenen Arealen an z.B. 2 Tagen/Woche fortgesetzt.9 Gerade für lang anhaltende Therapien bieten Calcineurininhibitoren ein vorteilhaftes Nutzen-Risiko-Profil. Calcineurininhibitoren hemmen die T-Zell-Aktivierung und greifen spezifischer in den Entzündungsprozess des atopischen Ekzems ein. Vorteile der Calcineurininhibitoren gegenüber den topischen Steroiden ist, gerade bei Langzeitanwendungen, dass sie keine Risiken bezüglich einer Hautatrophie bergen. Sie eignen sich damit insbesondere für problematische Areale (Gesicht, intertriginöse Bereiche, anogenital), an denen topische Kortikosteroide ein erhöhtes Potenzial für unerwünschte Nebenwirkungen aufweisen, und auch für die proaktive Therapie. Auch bei Säuglingen und Kleinkindern <2 Jahren (off-label) mit hartnäckigen Lid-, Wangen- oder perioralen Ekzemen sind sie für eine erfolgreiche Langzeitkontrolle und Ausheilung gut geeignet.
Therapie schwerer Ekzemverläufe
Ca. 95% aller Patienten mit atopischem Ekzem im Kindesalter können mit einer adäquaten topischen Therapie gut behandelt werden. Nur ein kleiner Teil zeigt schwere therapieresistente Verläufe und bedarf dann weiterer Therapiemöglichkeiten. Der Einsatz von ultraviolettem Licht ist in der Therapie der atopischen Dermatitis für erwachsene Patienten etabliert und wirksam. Dazu stehen v.a. die UVB-Schmalband- sowie die UVA1-Therapie zur Verfügung. Aufgrund von Bedenken hinsichtlich Langzeitauswirkungen (Hautalterung, Karzinogenese) ist jedoch im Kindesalter eine Therapieindikation sehr zurückhaltend zu stellen. Eine UV-Therapie kann aber bei Jugendlichen >12 Jahren erwogen werden. Mit Dupilumab (monoklonaler Antikörper, Hemmung der Signalwege für Interleukin4 und 13) steht neu zur Systemtherapie eine In-label-Option für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren (in Deutschland ab 6 Jahren) zur Verfügung.10,11 Eine Systemtherapie der atopischen Dermatitis bei Kindern sollte dabei unter Aufsicht durch kinderdermatologisch entsprechend erfahrene Kolleginnen und Kollegen oder Zentren erfolgen.
Literatur:
1 Pleimes M: Das atopische Ekzem im Kindes- und Jugendalter. Pädiatrie up2date 2020; 15: 31-52 2 Langan SM et al.: Atopic dermatitis. Lancet 2020; 396: 345-60 3 Werfel T et al.: S2k guideline on diagnosis and treatment of atopic dermatitis - short version. J Dtsch Dermatol Ges 2016; 14: 92-105 4 Wollenberg A et al.: Consensus-based European guidelines for treatment of atopic eczema (atopic dermatitis) in adults and children: part I. J Eur Acad Dermatol Venereol 2018; 32: 657-82 5 Wollenberg A et al.: Consensus-based European guidelines for treatment of atopic eczema (atopic dermatitis) in adults and children: part II. J Eur Acad Dermatol Venereol 2018; 32: 850-78 6 Pleimes M et al.: Neurodermitis im Kindesalter. Dermatologie Praxis 2013; 1: 8-12 7 Chalmers JR et al.: Daily emollient during infancy for prevention of eczema: the BEEP randomised controlled trial. Lancet 2020; 395: 962-72 8 Deplazes C et al.: Dermatologische Magistralrezepturen der Schweiz. Dermatologische Magistralrezepturen c/o C. Deplazes; 2010 9 Schmitt J et al.: Efficacy and tolerability of proactive treatment with topical corticosteroids and calcineurin inhibitors for atopic eczema: systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Br J Dermatol 2011; 164(2)415-28. doi:10.1111/j.1365-2133.2010.10030 10 Werfel T et al.: Aktualisierung «Systemtherapie bei Neurodermitis» zur Leitlinie Neurodermitis [atopisches Ekzem; atopische Dermatitis]. 2020 11 compendium.ch. [cited 31 Jan 2021]. Available: https://compendium.ch/product/1411258-dupixent-inj-los-300-mg-2ml-fertspr-safe-sys/mpro
Prophylaxe
Studiendaten zum frühzeitigen Einsatz einer prophylaktisch anzuwendenden Basistherapie bei Risikokindern noch ohne Ekzem aus atopischen Familien zeigen uneinheitliche Ergebnisse. Nach ersten vielversprechenden kleineren Studien 2014 zeigten grösser angelegte prospektive Studien jetzt unerwartet ernüchternde Ergebnisse.7