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EADV 2017

Bessere Frühdiagnose, effektivere Immuntherapie, unbeliebter Sonnenschutz

<p class="article-intro">Im Rahmen des Jahrestreffens der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) in Genf erörterten viele Vorträge das Thema Hautkrebs, dessen Inzidenz stetig steigt. Dennoch scheitern Präventionsmaßnahmen – auch am Widerstand der Bevölkerung.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Registerdaten von sechs Populationen mit m&auml;&szlig;iger bis hoher Melanominzidenz zufolge nahmen zwischen 1982 und 2011 Melanome um mehr als 3 % pro Jahr zu, ein Trend, der sich mindestens bis zum Jahr 2022 fortsetzen wird. &bdquo;Die Melanome, die wir in Hochrisikogruppen entdecken, sind d&uuml;nne Melanome. Tragisch ist, dass sich die echten Killer, n&auml;mlich die dicken Melanome, bei Personen ohne N&auml;vi entwickeln&ldquo;, erkl&auml;rte Prof. Myrto-Georgia Trakatelli, Aristotle-Universit&auml;t, Thessaloniki, Griechenland. Histologisch gibt es Hinweise, welche die Unterscheidung zwischen einem N&auml;vus und einem Melanom erleichtern (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Derma_1704_Weblinks_s12_tab1.jpg" alt="" width="1099" height="781" /></p> <h2>Fr&uuml;he Diagnose mit dem Dermatoskop</h2> <p>Die Dermatoskopie spielt bei der fr&uuml;hen Diagnose eines Melanoms eine entscheidende Rolle, da so Melanome erkannt werden k&ouml;nnen, ehe sie klinisch verd&auml;chtig werden. F&uuml;r Patienten kann es lebensrettend sein, wenn ein fr&uuml;hes Melanom unter sehr vielen pigmentierten L&auml;sionen identifiziert wird. &bdquo;Das Dermatoskop ist das Stethoskop des Dermatologen, vor allem f&uuml;r junge Dermatologen gilt, sich so viele pigmentierte und nicht pigmentierte Hautl&auml;sionen anzusehen wie m&ouml;glich&ldquo;, so der Rat von Prof. Rana Anadolu, Dermatologische Klinik, Ankara, T&uuml;rkei. N&auml;vi zeigen oft vergleichbare Eigenschaften bei einem Patienten: Sie sind meistens symmetrisch, haben eine Farbe und eine Struktur. Im Gegensatz dazu unterscheiden sich Melanome vom Rest der pigmentierten L&auml;sionen eines Patienten. &bdquo;Suchen Sie nach dem Chaos: Eine Asymmetrie bez&uuml;glich der Farbe und Struktur sind typische Kennzeichen eines Melanoms&ldquo;, erkl&auml;rte Prof. Anadolu. Im Zweifel sollte lieber eine Zweitmeinung eingeholt oder exzidiert werden.</p> <h2>K&uuml;nstliche Intelligenz revolutioniert Fr&uuml;hdiagnose von Hautkrebs</h2> <p>&bdquo;Neue Hightech-Bildverfahren werden k&uuml;nftig zusammen mit k&uuml;nstlicher Intelligenz die fr&uuml;he Diagnose von Melanomen und Nichtmelanomhautkrebs neu definieren&ldquo;, erkl&auml;rte Prof. H. Peter Soyer, Dermatologisches Forschungszentrum an der Universit&auml;t Queensland in Woolloongabba, Australien, anl&auml;sslich der offiziellen EADVPressekonferenz. Im Februar dieses Jahres wurde hierzu eine Schl&uuml;sselpublikation ver&ouml;ffentlicht, die zeigt, wie leistungsstark die neue Technologie ist:<sup>1</sup> Hier wurde eine Maschine gepr&uuml;ft, die nach Dateneingabe mit konvolutionalen neuronalen Netzwerken (CNN) lernf&auml;hig ist und Melanome diagnostizieren kann. CNN sind k&uuml;nstliche neuronale Netzwerke und erlernen die Filter, die in traditionellen Algorithmen noch eingegeben werden m&uuml;ssen. Dies macht sie unabh&auml;ngig von Vorwissen. Die Gruppe an der Stanford-Universit&auml;t von Kalifornien benutzte nur Pixel und Krankheitskennzeichnungen, mit denen sie die Maschine &bdquo;f&uuml;tterten&ldquo; oder besser gesagt &bdquo;trainierten&ldquo;. Insgesamt wurde eine Datenmenge von 129 450 klinischen Bildern von &uuml;ber 2032 verschiedenen Erkrankungen eingegeben. Im Anschluss wurde die Maschine im Vergleich zu 21 Dermatologen hinsichtlich ihrer F&auml;higkeit getestet, N&auml;vi von Melanomen und Keratinozytenkarzinomen (Basalzellkarzinome, spinozellul&auml;re Karzinome und aktinische Keratosen als In-situ- Karzinome) von benignen seborrhoischen Keratosen abzugrenzen. Beide Aufgaben bew&auml;ltigte die Maschine vergleichbar gut wie die Dermatologen. Sie war in der Lage, den Rat zu geben, &bdquo;Biopsie/Behandlung ist erforderlich&ldquo;, oder &bdquo;den Patienten zu beruhigen, da alles in Ordnung ist&ldquo;. Nach Ansicht der Studienautoren k&ouml;nnen solche Maschinen mithilfe mobiler Ger&auml;te die Reichweite von Dermatologen &uuml;ber die Klinik hinaus vergr&ouml;&szlig;ern. Unter Umst&auml;nden kann so eine Technik einen weltweiten Zugang zu dieser lebensrettenden Fr&uuml;hdiagnose erm&ouml;glichen. Diese Technologie k&ouml;nnte beispielweise in Dermatoskopen eingesetzt werden, welche zugleich eine automatische Analyse der Hautver&auml;nderungen abgeben. Dennoch werden diese Systeme nie den Dermatologen ersetzen, denn die Maschinen k&ouml;nnen zwar mit so vielen Bildern gef&uuml;ttert werden, wie sie ein erfahrener Dermatologe in seinem ganzen Leben kaum zu Gesicht bekommt, aber sie k&ouml;nnen keine konzeptionellen Informationen wie Familienanamnese oder andere Symptome beurteilen. &bdquo;Sie sehen nicht den ganzen Patienten&ldquo;, so der tr&ouml;stliche Schluss von Prof. Soyer.</p> <div id="fazit"> <h2>Sonnenschutz &ndash; hochwirksame, doch unbeliebte Pr&auml;vention</h2> <p>&bdquo;Es gibt eine enorme Evidenz f&uuml;r die Tatsache, dass ein regelm&auml;&szlig;iger Sonnenschutz sowohl Melanome als auch Plattenepithelkarzinome verhindern kann&ldquo;, erkl&auml;rte Prof. Soyer. In einer Studie wurden 800 Studienteilnehmer, die im Bereich Nambour in Queensland, Australien, wohnten, ausgew&auml;hlt. Sie sollten vier Jahre lang t&auml;glich ein Sonnenschutzmittel mit einem Lichtschutzfaktor von mindestens 15 auftragen. Eine Vergleichsgruppe aus demselben Wohnbezirk trug Sonnenschutzmittel nur wie &uuml;blich auf. Eine Nachuntersuchung nach 15 Jahren zeigte, dass in der Gruppe, die t&auml;glich Sonnenschutzmittel auftrug, 50 % weniger prim&auml;re Melanome und 73 % weniger invasive Melanome auftraten. Plattenepithelkarzinome kamen um 40 % weniger vor.<sup>2</sup> Eine weitere Berechnung geht davon aus, dass 1730 Melanome und 14 190 Plattenepithelkarzinome in Australien verhindert werden k&ouml;nnten, w&uuml;rde jeder Australier t&auml;glich Sonnenschutz verwenden. &bdquo;Trotz dieser starken Evidenz benutzt nur ein Drittel aller Australier Sonnencreme, wenn sie an den Strand gehen, viele lehnen diese ab, weil sie braun werden wollen&ldquo;, erkl&auml;rte Prof. Soyer. &Auml;hnlich beratungsresistent verhalten sich auch Bewohner n&ouml;rdlicher Gefilde: Hier erfreut sich der Solarienbesuch gerade in den Wintermonaten ungebrochener Beliebtheit. &bdquo;Wir haben viele Euros investiert, um die &Ouml;ffentlichkeit &uuml;ber die Gefahr von Solarien zu informieren &ndash; bisher leider nur mit geringem Erfolg&ldquo;, erkl&auml;rte Dr. Emilie van Deventer, Gruppenleiterin des Bestrahlungsprogramms der Weltgesundheitsorganisation, Genf, Schweiz, auf der EADV-Pressekonferenz. Solarien sind in den Vereinigten Staaten, Europa und Australien f&uuml;r mehr als 450 000 F&auml;lle von wei&szlig;em Hautkrebs und &uuml;ber 10 000 Melanome verantwortlich.<sup>3</sup> Der starke Zusammenhang zwischen Melanomen und Solarienbenutzung k&ouml;nnte auch daran liegen, dass gerade Menschen mit sehr hellem Hauttyp und Sommersprossen Solarien besuchen, wie eine aktuelle franz&ouml;sische Studie zeigte.<sup>4</sup> Allen Aufkl&auml;rungskampagnen zum Trotz haben immer noch viele medizinische Laien irrige Vorstellungen. Viele halten den Besuch eines Solariums f&uuml;r wichtig f&uuml;r ihre Sch&ouml;nheit und sogar f&uuml;r &bdquo;gesund&ldquo;, da sie sonst zu niedrige Vitamin-D-Spiegel bef&uuml;rchten.</p> </div> <h2>Immuntherapie: Werden k&uuml;nftig noch mehr Patienten profitieren?</h2> <p>Dank der Immuntherapie mit Checkpoint- Inhibitoren wie Ipilimumab, Pembrolizumab und Nivolumab haben sich die Behandlungsm&ouml;glichkeiten von Patienten mit metastasiertem Melanom deutlich verbessert. &bdquo;Leider hat derzeit jedoch nur ungef&auml;hr ein Drittel der Patienten mit metastasiertem Melanom durch diese Therapie einen deutlichen Vorteil&ldquo;, erkl&auml;rte Prof. David E. Fisher, Direktor des Melanomprogramms am Massachusetts General Hospital Cancer Center in Boston, MA/USA. Neue Forschungsergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass die Effizienz der Checkpoint- Inhibitoren durch Eingriffe in den Pigmentweg erh&ouml;ht werden k&ouml;nnte. Allgemein bekannt ist, dass Patienten mit vielen UV-bedingten Mutationen am besten auf Checkpoint-Inhibitoren ansprechen. Prof. Fisher testete dies an einem Mausmodell: 75 % der M&auml;use mit UV-mutierten Melanomen, die behandelt, geheilt und nach einigen Monaten wieder mit nicht mutierten Melanomen konfrontiert wurden, stie&szlig;en die nicht UV-mutierten Melanome ab. Die initiale Immunantwort, die durch die UVMutation verst&auml;rkt wird, geht also &uuml;ber die UV-Mutationen hinaus und kann damit auch andere Melanome erkennen, ein Prozess, der in der Immunologie als &bdquo;epitope spreading&ldquo; bekannt ist. &bdquo;Die T-Zellen unserer M&auml;use konnten normale Melanozytenproteine erkennen&ldquo;, erkl&auml;rte Prof. Fisher. Diese Experimente k&ouml;nnten einen enormen Einfluss darauf haben, wie Melanompatienten k&uuml;nftig behandelt werden. Patienten, die nicht gut auf Checkpoint-Inhibitoren ansprechen, tun dies vermutlich, da sie zu wenige Mutationen haben. Eventuell k&ouml;nnte die Erkrankung durch das Immunsystem auf nicht mutierte Proteinepitope ausgeweitet werden. &bdquo;Wir glauben, dass Mutationen wichtig sind, aber nur um die erste inflammatorische Antwort zu triggern &ndash; im sp&auml;teren Verlauf werden die Mutationen dann nicht mehr ben&ouml;tigt&ldquo;, schloss Prof. Fisher.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 26th European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 13.–17. September 2017, Genf, Symposium „Melanom“ sowie Vortrag von Prof. Soyer „Can sunscreens prevent skin cancer and ageing?“, offizielle EADV-Pressekonferenz sowie Vortrag von Prof. Fisher „Do we need pigment to develop melanoma?“ </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Esteva A et al.: Dermatologist-level classification of skin cancer with deep neural networks. Nature 2017; 542(7639): 115-18. doi: 10.1038/nature21056. Epub 2017 Jan 25 <strong>2</strong> Green AC et al.: Reduced melanoma after regular sunscreen use: randomized trial follow-up. J Clin Oncol 2011; 29(3): 257-63. doi: 10.1200/JCO.2010.28.7078. Epub 2010 Dec 6 <strong>3</strong> www.apps.who.int/iris/bitstream/10665/255695/1/9789241512596- eng.pdf, zuletzt aufgerufen am 29. September 2017 <strong>4</strong> Grange F et al.: Prevalence of sunbed use, and characteristics and knowledge of sunbed users: results from the French population-based Edifice Melanoma survey. J Eur Acad Dermatol Venereol 2015; 29(Suppl 2): 23-30</p> </div> </p>
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