
©
Getty Images
Ausgesuchte Kasuistiken in onkologisch-dermatologischen Entitäten
Jatros
30
Min. Lesezeit
24.05.2017
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">In der Therapie dermatologischer Tumoren kam es in den letzten Jahren zu einem Paradigmenwechsel, der nicht nur neue effektive Therapieoptionen, sondern auch die Herausforderung durch neue Nebenwirkungen und die Frage nach den individuell geeigneten Therapiesequenzen mit sich bringt. Bei der 49. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) wurden von diversen Universitätskliniken Kasuistiken präsentiert, die zum Erfahrungsschatz des neuen Therapiealltags beitragen. Weitere Fallbeschreibungen beschäftigten sich mit der Reaktivierung eines Melanoms durch TNF-a-Blocker, der Differenzialdiagnose des angioimmunoblastischen T-Zell-Lymphoms und dem Langzeitansprechen unter einer Elektrochemotherapie.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p><strong>1</strong> Lüth J et al: Anhaltende komplette Remission eines vorbehandelten metastasierten Melanoms auch nach halbjähriger Therapiepause von Anti-PD-1-Antikörper. DDG 2017, Poster P214 <strong>2</strong> Alhumam A et al: Komplette Remission eines metastasierten malignen Melanoms durch den PD-1-Antikörper Pembrolizumab nach BRAF-Inhibition und Ipilimumab. DDG 2017, Poster P217 <strong>3</strong> Cosgarea I et al: Späte Lymphknotenmetastasierung eines malignen Melanoms 17 Jahre nach Erstdiagnose unter Einleitung einer Therapie mit TNFa-Blockern. DDG 2017, Poster P206 <strong>4</strong> Ueberschaar S et al: Juckender Hautausschlag, Fieber, Vergrößerung der Milz und Lymphknoten: angioimmunoblastisches T-Zell-Lymphom als seltene Differentialdiagnose therapierefraktärer Exantheme. DDG 2017, Poster P208 <strong>5</strong> Kleemann J et al: Anhaltendes Therapieansprechen durch Elektrochemotherapie bei lokal metastasiertem malignem Melanom der Kopfhaut: mehr als ein palliativer Ansatz? DDG 2017, Poster P216</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: DDG 2017 – 49. Tagung der Deutschen Dermatologischen
Gesellschaft (DDG), 26.–29. April 2017, Berlin
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<h2>Schnelle komplette Remission unter PD-1-Blockade</h2> <p>Beim metastasierten Melanom führen PD-1-Inhibitoren zu raschen und anhaltenden Regressionen, auch bei vielfach vorbehandelten Patienten mit refraktärer Erkrankung. Nachweislich profitieren auch Patienten, die das Immuntherapeutikum aufgrund von Nebenwirkungen abbrechen müssen. Im Fall einer 36-jährigen Patientin, den Janine Lüth, Universitätsklinikum Rostock, präsentierte, wurde dieser Effekt auch für eine Therapiepause auf Patientenwunsch beobachtet.<sup>1</sup><br /> Bei der Patientin wurden zwei Jahre nach Exzision eines pT1a-Melanoms multiple subkutane, pulmonale, zerebrale und Lymphknotenmetastasen festgestellt. Die ZNS-Metastase wurde mit einer stereotaktischen Einzeitbestrahlung, eine schmerzhafte Lymphknotenmetastase mit Mehrzeitbestrahlung behandelt. Die Patientin erhielt drei Zyklen Chemotherapie mit Dacarbazin, nach Progress den CTLA4- Antikörper Ipilimumab und nach weiterem rasant progredientem Verlauf der Erkrankung den BRAF-Inhibitor Vemurafenib. Nach anfänglichem Ansprechen wurden nach vier Monaten der Progress der alten und das Auftreten von neuen Läsionen festgestellt.<br /> Im Rahmen eines EAP-Härtefallprogrammes wurde die Therapie mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab begonnen, unter dem die subkutanen Hautmetastasen bereits nach wenigen Wochen komplett ansprachen. Die Therapie wurde gut vertragen. Nach vier Zyklen waren im PET-CT keine Metastasen nachweisbar und nach 18 Monaten anhaltender kompletter Remission wurde auf Wunsch der Patientin eine Therapiepause vereinbart. In regelmäßigen Staging- Untersuchungen wurde auch nach aktuell 7 Monaten kein Anhalt für ein Rezidiv gesehen. Der Fall zeige eindrucksvoll die andauernde Wirksamkeit der PD-1-Antikörper- Therapie auch nach Pausieren der Behandlung, so Lüth. Nun würden klinische Studien benötigt, um die individuelle Therapieentscheidung für die erforderliche Dauer dieser Therapien zu standardisieren.<br /> Auch das Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf verwies auf einen Fall, in dem mit einem PD-1-Inhibitor eine komplette Remission bei einem Patienten mit BRAF-mutiertem, metastasiertem Melanom und rascher Progredienz unter multiplen Vortherapien erreicht wurde.<sup>2</sup> Der 71-jährige Patient stellte sich mit pulmonalen und multiplen Lymphknotenmetastasen nach mehrfacher therapeutischer Lymphknotendissektion vor. Auf eine Therapie mit Vemurafenib sprach der Patient nicht an, eine anschließende Ipilimumab- Therapie wurde nach zwei Wochen aufgrund einer Therapie-assoziierten Kolitis ausgesetzt und orales Prednisolon gegeben. Im Staging zeigte sich eine partielle Remission der lymphonodulären und pulmonalen Läsionen, aber bei weitergeführter Ipilimumab-Gabe kam es bereits nach einer Woche erneut zu einer Therapieassoziierten Kolitis und die Therapie wurde auf Pembrolizumab umgestellt. Bereits zwei Wochen nach der ersten Gabe wurde bei guter Verträglichkeit eine komplette Remission erreicht.</p> <h2>Reaktivierung eines Melanoms durch TN F-a-Blocker</h2> <p>TNF-a-Blocker werden in der Behandlung von Autoimmunerkrankungen eingesetzt, wobei zu den Nebenwirkungen auch Infektionen und die Induktion von Tumoren gehören. In einer Posterpräsentation führte Ioana Cosgarea, Universitätsklinikum Essen, einen Fall an, in dem bei einem Patienten 1998 ein amelanotisches Melanom mit einer Tumordicke von 11mm am rechten Unterschenkel diagnostiziert und operativ entfernt wurde.<sup>3</sup> Adjuvant erhielt der Patient eine Extremitäten-Chemoperfusion gefolgt von IFN-a über einen Zeitraum von 6 Jahren. Der Patient litt auch unter einer Psoriasis vulgaris, die sich unter der IFN-a-Therapie verschlimmerte und auch nach Therapieende nicht besser wurde. Da systemische Therapien mit Fumarsäure und Methotrexat nicht zufriedenstellend wirkten, wurde im Januar 2015 eine Therapie mit dem TNF-a-Blocker Adalimumab begonnen.<br /> Nach zwei Monaten kam es zu einer deutlichen Befundverbesserung, allerdings fiel ein vergrößerter Lymphknoten rechts inguinal auf. Adalimumab wurde abgesetzt und der Lymphknoten entfernt. Die Histologie identifizierte eine Lymphknotenmetastase des bekannten Melanoms. In einer radikalen Lymphadenektomie wurden eine weitere Metastase sowie acht tumorfreie Lymphknoten entfernt. Es wurde eine Radiatio der Leistenregion durchgeführt, seit der sich der Patient in unauffälliger Nachsorge befindet.<br /> Der dargestellte Fall zeige, dass die Indikation einer systemischen Therapie mit TNF-a-Blockern bei Patienten mit Tumorerkrankungen in der Vorgeschichte sorgfältig überdacht werden sollte, so die Autoren. Das Auftreten nicht melanozytärer Hauttumoren sei eine bekannte Nebenwirkung von TNF-a-Blockern, nicht so die Induktion maligner Melanome. Auch die späte Reaktivierung von Melanomen nach vielen Jahren tumorfreier Latenz sei bisher selten beschrieben worden, aber offensichtlich möglich.</p> <h2>Differenzialdiagnose angioimmunoblastisches T-Zell- Lymphom</h2> <p>Den Fall eines 73-jährigen Mannes, der sich mit neu aufgetretenem juckendem Exanthem präsentierte, welches unter der Einnahme von Methylprednisolon weiter zunahm und sich auch unter intensiver topisch-steroidaler Therapie nicht besserte, stellte Simon Ueberschaar, Universitätsklinikum Würzburg, beim DDG-Kongress in Berlin vor.<sup>4</sup> Drei Jahre zuvor war aufgrund einer schmerzlosen Lymphadenopathie eine Lymphknotenexstirpation zervikal vorgenommen worden, welche histologisch als unspezifische Lymphadenitis eingestuft wurde.<br /> Das Exanthem war stammbetont und kleinpapulös, es zeigte sich aber auch eine ausgeprägte Lymphadenopathie zervikal, axillär und inguinal. Der Patient war intermittierend febril. Im Routinelabor wurden eine Erhöhung der Laktatdehydrogenase und des C-reaktiven Proteins sowie eine geringe Anämie und relative Lymphopenie festgestellt. Im Ultraschall und CT fielen pathologisch vergrößerte Lymphknoten und eine Splenomegalie auf. Mit einer Biopsie von Haut und Lymphknoten wurde schließlich die Diagnose eines angioimmunoblastischen T-Zell-Lymphoms (AITL) mit mäßiger EBV-assoziierter BZell- Lymphoproliferation gestellt. Die Therapie mit R-CHOP (Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednisolon) induzierte eine partielle Remission. Das Exanthem heilte ab.<br /> Das AITL geht mit einer schlechten Prognose einher. Das mediane Überleben ab Diagnose beträgt weniger als drei Jahre. Aufgrund der EBV-assoziierten B-Zell- Proliferation wird in frühen Stadien oft die Fehldiagnose einer entzündlichen Lymphadenopathie gestellt. Bei etwa der Hälfte der Fälle kommt es zur kutanen Beteiligung, welche den extrakutanen Lymphommanifestationen vorausgehen kann. Bei früher exanthemischer Manifestation wird das Exanthem häufig als Arzneimittel- oder Virusexanthem fehlinterpretiert.</p> <h2>Anhaltendes Ansprechen durch Elektrochemotherapie</h2> <p>Im Fall eines 79-jährigen Patienten mit einem ulzerierten, malignen Melanom an der Stirn konnte mit einer Elektrochemotherapie ein außergewöhnliches Langzeitansprechen erreicht werden, wie Johannes Kleemann, Universitätsklinikum Frankfurt, berichtete.<sup>5</sup> Die verwendete Elektrochemotherapie mit Bleomycin ist eine kombinierte palliative Tumortherapie, bei der durch die lokale Applikation elektrischer Impulse in Tumoren die intrazelluläre Aufnahme des Zytostatikums erhöht wird. Der Nutzen dieser Therapie bei der lokalen Kontrolle des malignen Melanoms wurde in zahlreichen Studien beschrieben, allerdings bestehen wenige Daten zum Langzeitansprechen. Im April 2014 wurde das 6,5mm dicke Melanom mit multiplen metastasensuspekten Raumforderungen frontal und parietal am Capillitium erstdiagnostiziert. Es lagen keine Hinweise auf Lymphknotenoder Fernmetastasen vor. Aufgrund des disseminierten Verteilungsmusters der Tumoren und multipler internistischer Vorerkrankungen des Patienten entschieden sich die Behandler in Abstimmung mit dem Patienten gegen ein chirurgisches Vorgehen. Eine Systemtherapie mit Ipilimumab wurde seitens des Patienten nicht gewünscht.<br /> Im September 2014 wurde daher eine Elektrochemotherapie des Capillitiums mit Bleomycin durchgeführt, welche ein gemischtes Tumoransprechen bewirkte. Im Januar 2015 folgte eine zweite Elektrochemotherapie, die innerhalb von 2 Monaten zu einer kompletten Remission ohne Hinweis auf neue Metastasen führte. Auch 22 Monate nach der Behandlung bestand zum Zeitpunkt der Falldarstellung kein Hinweis auf ein Tumorrezidiv oder eine weitere Metastasierung. Der dargestellte Fall zeige eine effektive Anwendung des beschriebenen Verfahrens mit einem außergewöhnlichen Langzeitansprechen, folgerte Kleemann.</p>
</div>
</p>