
Aktinische Keratosen: wann und wie behandeln?
Bericht:
Mag. Dr. med. Anita Schreiberhuber
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Aktinische Keratosen (AK) sind Vorstufen des kutanen spinozellulären Karzinoms (cSCC) und treten in zunehmender Häufigkeit im höheren Lebensalter auf. Therapeutisch kommen hauptsächlich die photodynamische Therapie sowie diverse topische medikamentöse Substanzen zum Einsatz. Im Rahmen des diesjährigen «Swiss Derma Day» hat Prof. Dr. med. Dr. phil. nat. Robert Hunger, Leiter Hauttumorzentrum, Inselspital Bern, über Risikofaktoren und Behandlungsmöglichkeiten für AK referiert.
Aktinische Keratosen sind die Vorstufen des auch als Spinaliom bekannten cSCC. In einer Analyse von 2149 invasiven cSCC (icSCC) von 1434 Patienten wurde die Rate des 10-Jahres-Gesamtüberlebens (OS) mit 13,2% berechnet.1 Da es sich bei cSCC-Patienten in der Regel um ein älteres Patientenkollektiv handelt, müssen geriatrische Komorbiditäten bei diesen Ergebnissen berücksichtigt werden.2 Wenn nämlich die Analyse auf das cSCC-spezifische OS heruntergebrochen wird, ist erkennbar, dass beim 10-Jahres-OS mit 93,6% nur wenige Patienten am cSCC sterben. Als die Prognose beeinflussende Risikofaktoren wurden Tumordicke >4mm, desmoplastisches Wachstum und Immunsuppression identifiziert.1
Einteilung und Risikofaktoren
Die Einteilung der AK in die Grade I–III erfolgt nach Olsen, wobei Grad III auch als Morbus Bowen bekannt ist. Während man früher davon ausgegangen ist, dass eine Progression zum icSCC erst aus einer Grad-III-AK möglich ist, zeigten rezentere Erkenntnisse einen neuen Pathway auf, nämlich dass die Proliferation der für AK charakteristischen atypischen Keratinozyten zu einem icSCC auch auf direkte Weise aus Grad-I-AK erfolgen kann. Mit 63,8% ist dies sogar die häufigste Entwicklung einer AK zu einem icSCC. Hingegen war dies gemäss einer Analyse bei AK II nur in 17,9% und bei AK III nur in 18,4% der Fälle zutreffend.3
Aus einer gross angelegten Studie aus Österreich4 (n=4449 Patienten) geht hervor, dass Männer häufiger betroffen waren als Frauen, jedoch – und dies ist bereits bekannt5 – ein stetiger Anstieg mit zunehmendem Lebensalter bei beiden Geschlechtern zu verzeichnen ist. Die Prävalenz lag bei 31%.4
In einer US-amerikanischen Kohortenstudie mit ≥65-Jährigen wurde – was ebenfalls schon bekannt ist2 – untermauert, dass AK eine Erkrankung der hellhäutigen Personen sind. Dunkelhäutige entwickeln nur in seltenen Fällen AK.6
Als weiterer Risikofaktor wurden sogenannte «Outdoor-Berufe» wie Gärtner, Landwirte oder Bergführer identifiziert, insbesondere, wenn diese Berufsgruppen nicht ausreichend auf suffizienten Sonnenschutz achten.7
Organtransplantierte weisen aufgrund der immunsuppressiven Medikation ein besonders hohes Risiko für die Entwicklung von nichtmelanozytären Hauttumoren (NMSC) auf: 5 Jahre nach der Transplantation hatten 20% der Europäer ein NMSC entwickelt, 20 Jahre danach waren es sogar 40–50%. Hauttumoren sind die Ursache für 3–27% der Todesfälle bei Organtransplantierten.8
UV-Licht wurde ebenso als Risikofaktor für AK identifiziert. Vermutlich spielt auch hochenergetisches Blaulicht (HEV) als Auslöser eine Rolle – die meisten Sonnenfilter schützen allerdings nicht vor HEV.9
Diagnostik & Prävention von AK
AK ist eine klinische Diagnose, jedoch ist die Dermatoskopie ein sichereres diagnostisches Verfahren als nur die Klinik. Grundsätzlich unterscheidet sich die AK differenzialdiagnostisch vom cSCC und M. Bowen, indem sich ein sogenanntes «strawberry pattern» – weisse Punkte auf etwas geröteter Haut – findet. cSCC zeichnet sich durch weisse Kreise aus und bei M. Bowen finden sich radiär verlaufende dunkle Punkte auf einem rötlichen Hintergrund.10
Als Präventivmassnahme ist konsequenter Sonnenschutz (Sonnencreme) an erster Stelle zu erwähnen. In einer im Jahr 2009 an Organtransplantierten durchgeführten Studie wurde die tägliche Anwendung von Sonnencreme mit einem Lichtschutzfaktor >50 mit einem Placebo-«Schutz» verglichen. Dabei konnte eine deutliche Reduktion der AK über 12 bzw. 24 Monate nachgewiesen werden, im Gegensatz dazu wurde in der Kontrollgruppe ohne Sonnenschutz eine Zunahme der AK verzeichnet.11
Therapieoptionen bei AK
Kryotherapie und photodynamische Therapie
Die am häufigsten eingesetzte Methode zur Therapie von AK ist die Kryotherapie. Sie geht mit Abheilungsraten von 75–98% einher, als nachteilig sind jedoch Narben und Hypopigmentierungen zu erwähnen. Die zweite weitverbreitete Behandlungsform ist die photodynamische Therapie (PDT). Dabei wird als Photosensibilisator Aminolävulinsäure (ALA) oder Methylaminolävulinat (MAL) als Creme aufgetragen. Danach muss 2–3 Stunden gewartet werden, bis die phototoxische Substanz Protoporphyrin IX entsteht. Durch Rotlichteinwirkung wird ein selektives Absterben v.a. der für AK charakteristischen atypischen Keratinozyten bewirkt. Die PDT bietet die Vorteile eines guten kosmetischen Resultats bereits am Tag 5 nach der Therapie und einer Abheilungsrate von 70–90%. Nachteilig sind der Zeitaufwand und die mit der PDT assoziierten Schmerzen. Gemäss den aktuellen S3-Leitlinien sollte die konventionelle photodynamische Therapie (c-PDT) Patienten mit AK der Grade I oder II angeboten werden.12
Alternativ dazu wurde von Wulf im Jahr 2008 die PDT mit kontinuierlicher Belichtung (Tageslicht-PDT; DL-PDT) eingeführt. Statt 3 Stunden bis zum Wirkeintritt der ALA-Creme zu warten, wird der Patient umgehend für 2–3 Stunden dem Tageslicht – idealerweise bei leichtem Sonnenschein – ausgesetzt. Die Aussentemperaturen sollten ≥10, besser noch ≥15°C betragen. Die höchsten Ansprechraten werden bei AK der Grade I erzielt.13
Rubel und Kollegen haben eine Studie zum Vergleich von konventioneller c-PDT mit DL-PDT bei Patienten mit milden AK durchgeführt. Dabei wurden beide Endpunkte erreicht: Mit einer Reduktion von 89,2 vs. 92,8% in Woche 12 konnte die Nichtunterlegenheit der DL-PDT vs. c-PDT bestätigt werden (Abb. 1). Hinsichtlich der Schmerzen war die DL-PDT der c-PDT gemäss den Angaben durch die Patienten in signifikantem Ausmass überlegen (p<0,001). Auch die Patientenzufriedenheit war im DL-PDT-Arm signifikant höher als im c-PDT-Arm (p<0,001).14
Abb. 1: Vergleich DL-PDT mit konventioneller PDT (c-PDT): gleiche Abheilrate nach 12 Wochen (modifiziert nach Rubel DM et al., 2014).14 Primärer Wirksamkeitsendpunkt: Nichtunterlegenheit der DL-PDT in Bezug auf die vollständige Ansprechrate bei leichten Läsionen (PP). AK: aktinische Keratose; MAL: Methylaminolävulinat-Creme; DL-PDT: photodynamische Therapie bei Tageslicht; c-PDT: konventionelle photodynamische Therapie; PP: pro Protokoll; KI: Konfidenzintervall
Mit den heute verfügbaren Lichtgeräten ist die Durchführung der DL-PDT auch in Innenräumen möglich. Normales Kunstlicht ist nicht ausreichend, aber 3500 Lux sollten ausreichen, um einen sehr hellen Raum zu schaffen. Im Inselspital Bern ist eine LED-Lampe nach der anderen appliziert, um perfekte Lichtverhältnisse zu schaffen.
Medikamentöse Therapie
Imiquimod ist schon lange Zeit im Einsatz bei AK. Die Therapiedauer beträgt 8–12 Wochen und die Substanz wird 2–3-mal/Woche durch den Patienten selbst appliziert. In einer Metaanalyse mit 1293 Patienten wurde eine Responserate von 65% nachgewiesen. Als häufigste Nebenwirkung (AE) werden Rötungen beobachtet.15
Unter Diclofenac 3% in Hyaluronsäure-Gel 2,5% fallen die Responseraten mit 50% etwas geringer aus. Die Therapiedauer beträgt bis zu 90 Tage, was sich hinsichtlich der Compliance seitens des Patienten als problematisch erweisen könnte.
In einer Studie zum Vergleich von vier verschiedenen feldgerichteten Therapien (5-Fluorouracil [5-FU], Imiquimod, MAL-PDT und Ingenolmebutat – Letzteres ist inzwischen nicht mehr am Markt verfügbar) bei multiplen AK hat im Langzeitvergleich (nach 12 Monaten) 5-FU am besten abgeschnitten.17
Tatsächlich lässt sich aber nicht sagen, welche im individuellen Fall die beste Therapieoption darstellt, und es kommt auch darauf an, den Patientenwunsch in die Entscheidung miteinzubeziehen, und darauf, wie viele AE der Patient bereit ist in Kauf zu nehmen.
Tirbanibulin
Mit Tirbanibulin wurde von der Swissmedic 2022 eine Substanz mit einem für die Therapie von AK neuen Wirkmechanismus zugelassen. Tribanibulin ist für die Behandlung nicht hyperkeratotischer, nicht hypertropher aktinischer Keratosen im Gesicht oder auf der Kopfhaut bei Erwachsenen (Grade I und II) zugelassen.18,19 Die Substanz inhibiert die Miktrotubuli in den Zellen und hemmt so Mitose und Zellteilung, sodass konsekutiv die Apoptose herbeigeführt wird.19
Die Zulassung basiert auf 2 Phase-III-Studien, in denen die Substanz an Patienten (n=702) mit AK im Gesicht oder an der Kopfhaut vs. Placebo untersucht worden ist. Die Salbe wurde an 5 aufeinanderfolgenden Tagen auf die Läsionen aufgetragen. Die mediane prozentuale Reduktion der Anzahl an Läsionen am Tag 57 gegenüber Baseline betrug unter Tirbanibulin vs. Placebo in Studie 1 83 vs. 20% und in Studie 2 sogar 100 vs. 25%. Die häufigsten lokalen Reaktionen waren Erytheme, zu den häufigsten AE an der Applikationsstelle zählten Schmerzen und Pruritus, die alle von selbst abklangen.20
Quelle:
Swiss Derma Day and STI reviews and update, 11.–12. Januar 2023, Luzern
Literatur:
1 Eigentler TK et al.: J Invest Dermatol 2017; 137: 2309-15 2 Garcovich S et al.: Ageing and Disease 2017; 8: 643-661 3 Fernández-Figueras MT et al.: JEADV 2014; https://doi.org/10.1111/jdv.12848 4 Eder J et al.: Br J Dermatol 2014; 171: 1415-21 5 Albert A et al.: Current Oncol Rep 2019; https://doi.org/10.1007/s11912-019-0828-9 6 Navsaria LJ et al.: JAMA Dermatol 2022; 158: 1076-78 7 Zink A et al.: JEADV 2018; https://doi.org/10.1111/jdv.15052 8 Nashan D et al.: Der Hautarzt 2007; 58: 48-50 9 Shanthi Narla S et al.: Photochem Photobiol Sci 2020; 19: 99-104 10 https://dermoscopedia.org/Actinic_keratosis 11 Ulrich C et al.: Br J Dermatol 2009: https://doi.org/10.1111/j. 1365-2133.2009.09453.x 12 S 3-Leitlinie Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut. Langversion 1.1 – März 2020; https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/ 032-022OLl_S3_Aktinische_Keratosen-Plattenepithelkarzinom-PEK_2020-04.pdf 13 Wiegel SR et al.: Br J Dermatol 2012; 166: 1327-32 14 Rubel DM et al.: Br J Dermatol 2014; 171: 1164-71 15 Hadley G et al.: J Invest Dermatol 2006; 126: 1251-55 16 Wolf JE et al.: Int J Dermatol 2001; 40: 709-13 17 Jansen MEH et al.: N Engl J Med 2019; 380: 935-46 18 https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/ueber-uns/publikationen/public-summary-swiss-par/public-summary-swiss-par-klisyri.html (Zugriff: 12. Apirl 2023) 19 Marson JW et al.: The Journal of Cutaneous Medicine 2021; 5: 83-9 20 Blauvelt A et al.: N Engl J Med 2021; 384: 512-20