
Riesenzellarteriitis: Kann man Kortikoide früher ausschleichen?
Bericht: Dr. Felicitas Witte
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In einer Pilotstudie wurden Patienten mit Riesenzellarteriitis mit Tocilizumab behandelt und das Prednisolon wurde über nur 8 Wochen ausgeschlichen statt wie sonst üblich über 6 Monate.1 Ein Großteil der Patienten war damit auch noch nach einem Jahr in Remission. Ob diese kortikoidsparende Therapiestrategie Zukunft hat, müssen nun randomisierte Studien zeigen.
Lange Zeit waren Glukokortikoide die einzige Therapieoption für eine Riesenzellarteriitis. Seit der Zulassung von Tocilizumab im Jahr 2017 steht den Patienten nun eine wirksame Behandlung zur Verfügung, die Kortikoide einspart. Leider gehen 6 Monate einer Prednisonbehandlung immer noch mit diversen Nebenwirkungen einher, von denen manche schwerwiegend sind. Forscher von der Harvard Medical School haben nun in einer Pilotstudie untersucht, ob es auch reicht, nur 8 Wochen lang Kortikoide zu geben.1
In die prospektive, einarmige Studie wurden 30 Patienten mit Riesenzellarteriitis eingeschlossen. Die Patienten bekamen ein Jahr lang Tocilizumab in einer Dosierung von 162mg pro Woche subkutan. Zusätzlich wurden sie die ersten 8 Wochen mit Prednison behandelt, und zwar in Dosen zwischen 20 und 60mg. Nach Beginn der Studie wurden die Patienten ein Jahr lang alle 4 Wochen untersucht. 4 Wochen danach fand noch einmal eine Untersuchung statt, um Nebenwirkungen zu beurteilen. Primärer Endpunkt der Studie war die bleibende prednisonfreie Remission nach einem Jahr. Diese war definiert als: 1) kein Rückfall, 2) Normalisation von Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit (BSG) und CRP, 3) Befolgen des Prednison-Ausschleichungsprotokolls.
Alle 30 Patienten kamen innerhalb von 4 Wochen in eine Remission. 23 Patienten (77%) erreichten den primären Endpunkt, also eine bleibende prednisonfreie Remission auch noch nach einem Jahr. 7 Patienten (23%) erlitten einen Rückfall nach im Schnitt 15,8 Wochen. 3 dieser Patienten hatten initial 40mg Prednison genommen, einer 30mg und 3 20mg. Bei 6 Patienten traten die Rückfälle nach dem vollständigen Ausschleichen des Glukokortikoids auf; im Schnitt hatten die Patienten zu dem Zeitpunkt 2,1mg Prednison genommen. 6 der 7 Patienten mit Rückfall bekamen nochmals Prednison mit Ausschleichen über 8 Wochen. Im Schnitt erhielten sie initial 32,1mg Prednison. Von diesen 6 Patienten kamen 4 wieder in Remission und blieben auch in Remission bis zum Ende der Studie. 2 der 6 Patienten brachen die Studie ab, weil sie einen erneuten Rückfall hatten. Ein Patient mit Rückfall bekam ausschleichend Cortison über 26Wochen und blieb dann auch in Remission.
Während der Studie traten 183 nichtschwerwiegende Nebenwirkungen auf, bei jedem Patienten mindestens eine. 24 der 183 Nebenwirkungen (13%) wurden als ausschließlich oder wahrscheinlich ausschließlich auf die Prednisontherapie zurückgeführt, darunter Schlafstörungen, Hyperglykämie, Bluthochdruck, Infektionen, Dyspepsie, Angststörungen und osteoporotische Frakturen. 47 der 183 Nebenwirkungen (26%) wurden als ausschließlich oder wahrscheinlich ausschließlich auf Tocilizumab zurückgeführt. Das waren unter anderem Leukopenie, Thrombozytopenie, erhöhte Cholesterinwerte, Infektionen und Beschwerden an der Injektionsstelle. Manche Nebenwirkungen wurden als durch beide Medikamente verursacht eingeschätzt – etwa Infektionen –, weil sie in der Zeit auftraten, als die Patienten beide Medikamente bekamen.
4 der 30 Studienteilnehmer (13%) erlitten schwere Nebenwirkungen. Ein Patient bekam eine septische Olecranon-Bursitis, die einen Spitalaufenthalt erforderlich machte. Sie wurde entweder durch Prednison oder Tocilizumab oder durch beide Medikamente verursacht. Die Bursitis trat nach 8 Wochen auf; der Patient nahm zu dem Zeitpunkt 2,5mg Prednison pro Tag. Bei einem zweiten Patienten kam es zu einer Divertikulitis ohne Darmperforation. Der Patient musste ebenfalls hospitalisiert werden. Das war 48 Wochen nach Studienbeginn; der Patient nahm zu dem Zeitpunkt kein Cortison mehr. Ein dritter Patient bekam eine Stressfraktur, die vermutlich auf Prednison zurückzuführen war. Das passierte 19 Wochen nach Studienbeginn; der Patient nahm zu diesem Zeitpunkt kein Cortison mehr. Der vierte Patient mit schwerer Nebenwirkung bekam eine Cholezystitis. Auch er nahm zu dem Zeitpunkt 13Wochen nach Studienbeginn kein Prednison mehr, und auch er musste hospitalisiert und operiert werden. Gemäß den Studienautoren ist bei den schweren unerwünschten Ereignissen ein Zusammenhang mit Tocilizumab oder mit der Glukokortikoidtherapie möglich. Kein Patient litt unter Visusproblemen inklusive permanenten Sehverlusts, die auf die Riesenzellarteriitis zurückzuführen gewesen wären.
Eine einjährige Tocilizumabtherapie mit einer wöchentlichen Dosis von 162 mg, so das Fazit der Autoren, kann in Kombination mit einer 8-wöchigen Prednisontherapie sicher und dauerhaft eine Remission induzieren. Diese Strategie könne viele der Komplikationen vermeiden, die mit einer langfristigen Kortikoidtherapie verbunden sind. Es sei aber zusätzliche Forschung notwendig, bevor diese Strategie für den klinischen Alltag empfohlen werden könne.
Literatur:
1 Unizony S et al.: Treatment for giant cell arteritis with 8 weeks of prednisone in combination with tocilizumab: a single-arm, open-label, proof-of-concept study. Lancet Rheumatol 2023; 5(12): e736-42
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