
Pädiatrische Schlafmedizin
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Reinhold Kerbl
Abteilung für Kinder und Jugendliche
LKH Hochsteiermark
Leoben
E-Mail: reinhold.kerbl@kages.at
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Schlafprobleme sind bei Kindern ein häufiges Problem und können das familiäre Wohlbefinden beträchtlich stören. Im Rahmen eines wissenschaftlichen Vortrags bei der Jahrestagung 2023 der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (ASRA) wurde vom Autor dieses Beitrags recherchiert, welche neuen Erkenntnisse und Empfehlungen zuletzt publiziert wurden.Diese werden auszugsweise wiedergegeben.
Literatursuche in der Datenbank PubMed
Eine Literatursuche über die letzten 12 Monate mit Eingabe der Suchbegriffe „sleep“ und „children“ erbrachte 6455 Treffer. Dabei handelte es sich bei der Mehrzahl der Publikationen um keine wirklich neuen Erkenntnisse, sondern vielfach um Beschreibungen bereits bekannter Tatsachen. Im Vordergrund standen folgende Themengebiete:
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Plötzlicher Säuglingstod („sudden infant death syndrome“; SIDS)
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Schlafqualität
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Psychische/psychiatrische Erkrankungen und Schlaf
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Covid-19
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Behinderung und Schlaf
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(Sogenannte) soziale Medien
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„Sleep habits“ unter verschiedenen Umständen
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Obstruktives Schlafapnoesyndrom (OSAS)
Plötzlicher Säuglingstod (SIDS)
Im November 2022 erschien eine Neuauflage der AWMF-Leitlinie1 zur Prävention des plötzlichen Säuglingstodes. Dabei wurden die bisherigen Empfehlungen fortgeschrieben, die sich v.a. auf folgende Aspekte konzentrieren:
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Vermeidung von Bauchlage und Überwärmung im Schlaf
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Richtige Schlafumgebung (keine weiche Unterlage, keine Stofftiere und dgl.)
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Vermeidung von Nikotinbelastung
Weiters wird für das frühe Säuglingsalter von „bedsharing“ (Schlaf des Säuglings im Elternbett) abgeraten.
Interessant ist, dass in der Neuauflage auch der Beruhigungsschnuller allgemein empfohlen wird, weil mehrere Studien dessen protektive Wirkung belegen. Ein „Zurückstecken des Schnullers“ nach Verlust im Schlaf (erfolgt durchschnittlich nach 11 Minuten) wird allerdings nicht empfohlen.
Änderungen von Schlafverhalten und -qualität im Rahmen der Covid-19-Pandemie
Die zuletzt publizierten Artikel beschreiben vielfach noch Änderungen im Rahmen der (weltweiten) Restriktionen. Folgende Beobachtungen wurden beschrieben:
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Für Babys und Kleinkinder zeigte sich während der Lockdowns eine schlechtere Schlafqualität. Stress für die Eltern dürfte dabei eine entscheidende Rolle gespielt haben.
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Bei Schulkindern, Jugendlichen und Erwachsenen gingen Lockdowns und Schulschließungen großteils mit längeren Schlafzeiten einher.
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Vielfach waren aber Schlafqualität bzw. Schlafeffizienz eingeschränkt.
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Der „soziale Jetlag“ wurde durch Distanzunterricht und Homeoffice reduziert.
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Sowohl Bettgehzeiten als auch Aufstehzeiten wurden nach hinten verschoben (von „Lerche“ in Richtung „Eule“).
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Während der Lockdowns wurde vielfach auf Wecker verzichtet.
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Verringerte körperliche Aktivität und längere Bildschirmzeiten korrelierten mit weniger bzw. schlechterem Schlaf.
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Teilweise wurden Angststörungen, depressives Verhalten und andere psychische Störungen in Verbindung mit Insomnie und fragmentiertem Schlaf beschrieben.
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Gestörter Schlaf kann ein wichtiger Hinweis sein auf eine schwere psychische Beeinträchtigung/Belastung.
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Sozial Benachteiligte sind häufiger/schwerer betroffen.
Inwieweit sich nach Beendigung der Einschränkungen eine Rückkehr zu „Vorpandemiegewohnheiten“ ergeben hat oder noch ergeben wird, ist bisher kaum publiziert. Derartiges ist aber zu erwarten.
Einfluss der (sogenannten) sozialen Medien
Immer häufiger werden die Berichte über den negativen Einfluss der sozialen Medien auf das Schlafverhalten von Kindern und Jugendlichen („sozialer Jetlag“). Das Smartphone im Schlafzimmer spielt dabei eine große Rolle. Unter anderem werden folgende Auswirkungen beschrieben:
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Spätere Bettgehzeiten, verminderte Gesamtschlafdauer
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Schlechtere Schlafqualität, Schlafphasenverschiebung
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Vermehrte Tagesmüdigkeit, Konzentrationsprobleme u.a.
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Lernschwierigkeiten und Schulabsentismus
Besorgniserregend ist, dass sich mittlerweile auch 81% der Kleinkinder im Alter von 3 bis 6 Jahren täglich „im Netz“ befinden. Derzeit ist von den österreichischen kindermedizinischen Gesellschaften (ÖGKJ, ÖGKJP) eine Kampagne zur Beschränkung des Medienkonsums in Vorbereitung, diese wird dann an Stakeholder im Gesundheitswesen (Gesundheitsministerium, Österreichische Gesundheitskasse u.a.) herangetragen.
Schlaf und Klimawandel
Trotz der Allgegenwart des Themas „Klimawandel“ gibt es bisher so gut wie keine Publikationen zu dessen Auswirkungen auf den kindlichen Schlaf. Die wenigen mit den Stichworten „sleep, children, climate change“ auffindbaren Publikationen enthalten eher allgemeine Empfehlungen, wie dem Klimawandel begegnet werden kann. Es ist allerdings zu erwarten, dass auch diese Thematik demnächst analytisch aufgegriffen wird.
OSAS – unbefriedigendes Ergebnis nach Adenotonsillektomie
Bei obstruktivem Schlafapnoesyndrom (OSAS) führen Adenotonsillotomie bzw. Adenotonsillektomie in 10–20% zu keinem befriedigenden Ergebnis. Eine Publikation in Lancet Respiratory Medicine beschreibt nun eine ansteigende Rate derartiger unbefriedigender postoperativer Ergebnisse. Die Publikation stellt dar, dass für OSAS sehr unterschiedliche anatomische und funktionelle Ursachen bestehen können. Der Therapie-Goldstandard „CPAP“ („continuous positive airway pressure“) könne bzw. solle daher der Ursache entsprechend adaptiert werden.
Abb. 1: CPAP-Anpassung bei Kleinkindern erfordert Geduld bei den Behandlern und gute Compliance seitens der Eltern
Je nach Lokalisation im Bereich der Nase, des Pharynx oder des Larynx kommen unterschiedliche Behandlungsmethoden in Betracht. Zur Abklärung empfehlen die Autoren den vermehrten Einsatz der Schlafendoskopie („drug induced sleep endoscopy“; DISE) auch im Kindesalter. In weiterer Folge kommen therapeutischeMaßnahmen von nasalem Steroid über mechanische Hilfen bis hin zu maschineller Atemunterstützung (CPAP, Hi-Flow) und letztlich operativen Interventionen (im Extremfall auch Tracheostomie) in Betracht.
Patient und Eltern sollten dabei im Sinn der Partizipation in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Die Autoren fordern insgesamt bessere bzw. erweiterte Diagnostik, randomisierte prospektive Multicenterstudien zu Diagnostik und Therapie sowie Langzeitverlaufsbeobachtungen. Daraus sollten dann allgemein gültige definitive Therapieempfehlungen abgeleitet werden.
Literatur:
Poets CF et al.: Prävention des Plötzlichen Säuglingstods. Stand 11/22; https://register.awmf.org/assets/guidelines/063-002l_S1_Praevention-des-Ploetzlichen-Sauuglingstods_2022-12_01.pdf ; zuletzt aufgerufen am 31. 8. 2023
Weitere Literatur beim Verfasser
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