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Update zur Hepatitis-B-, -C- und Meningokokken-Impfung
Leading Opinions
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07.03.2019
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<p class="article-intro">Obwohl mit der Impfung gegen Hepatitis B in den vergangenen Jahren viel erreicht wurde, ist noch viel zu tun, bis 95 % der Adoleszenten vollständig geimpft sind. Gute Neuigkeiten gibt es in Bezug auf Hepatitis C: Die Entwicklung eines Impfstoffs schreitet voran. Die Inzidenz invasiver Meningokokken-Erkrankungen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Verändert hat sich auch die Serogruppenverteilung. Das BAG und die EKIF reagieren nun mit einer Anpassung der Impfempfehlungen. Ab 2019 wird die Impfung von Kleinkindern und Jugendlichen mit einem quadrivalenten Impfstoff empfohlen.</p>
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<p class="article-content"><p>Seit der Einführung der Basisimpfung gegen Hepatitis B ist die Inzidenz der akuten Hepatitis-B-Erkrankungen in der Schweiz um 78 % gesunken. Die Impfung wird seit 1998 für Jugendliche im Alter zwischen 11 und 15 Jahren vor dem ersten sexuellen Kontakt empfohlen. Alternativ kann die Vakzinierung auch bereits im Kleinkindalter durchgeführt werden. Die offiziellen Impfempfehlungen für 2019 erscheinen Ende März. Zukünftig soll die Impfung von Säuglingen und Kleinkindern Priorität haben. Die Impfempfehlung für Adoleszente bleibt weiterhin bestehen. Zusätzlich wird die Impfung von Risikopersonen empfohlen (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1901_Weblinks_lo_innere_1901_s9_tab1.jpg" alt="" width="1520" height="969" /></p> <h2>Abnahme der Inzidenz von Hepatitis B</h2> <p>Die Inzidenz der akuten Hepatitis B hat seit der Einführung der Impfung kontinuierlich abgenommen. 2017 wurden insgesamt 34 Fälle einer akuten Hepatitis B gemeldet, dies entspricht 3 % aller Hepatitis- Erkrankungen. «Die Abnahme der Inzidenz zeigte sich in allen Altersgruppen, war jedoch in den Zielgruppen für eine Vakzination am meisten ausgeprägt. Bei den unter 15-Jährigen tritt heute praktisch keine akute Hepatitis-B-Erkrankung mehr auf», sagte Jean-Luc Richard vom Bundesamt für Gesundheit am Schweizer Impfkongress in Basel. Allerdings konnte bereits vor der Einführung der Basisimpfung für Adoleszente eine Abnahme der Inzidenz beobachtet werden. Diese sei u. a. auf Massnahmen wie die veränderte Drogenpolitik, das Screening von schwangeren Frauen und die Aufklärung von Personen mit sexuellen Risikofaktoren zurückzuführen. Die WHO verfolgt das Ziel, das Auftreten von Hepatitis B und C weltweit bis ins Jahr 2030 zu eliminieren. Die Schweiz strebt bis dahin bei 95 % der Adoleszenten eine vollständige Impfung an. Wie die letzte Erhebung im Zeitraum zwischen 2014 und 2016 zeigte, stagnierte die Durchimpfungsrate (> 2 Dosen) bei den 16-Jährigen nach der zweiten Impfung bei 70 %. Die Impfabdeckung bei den 2-Jährigen ist seit dem ersten Erhebungszeitraum (2005−2007) rasch angestiegen. Die vollständige Impfabdeckung (4 Dosen) in dieser Altersgruppe lag im Jahr 2016 bei 43 %. Zwischen den Kantonen existieren allerdings erhebliche Unterschiede: So betrug die vollständige Impfabdeckung bei den 16-Jährigen abhängig vom Kanton 11−89 % und bei den 2-Jährigen 6−68 %. Verglichen mit dem umliegenden Ausland (Italien, Frankreich, Deutschland) ist die Durchimpfungsrate in der Schweiz niedriger. Mit etwa 1300 Fällen stagnierte die Zahl der chronischen Hepatitis-B-Erkrankungen im Jahr 2017. Während von den Neuinfektionen mehrheitlich Schweizerinnen und Schweizer betroffen waren, handelt es sich bei den von chronischen Erkrankungen Betroffenen vor allem um Personen ausländischer Nationalitäten. «In den meisten Fällen hat die Infektion vor dem Aufenthalt in der Schweiz stattgefunden », sagte Richard. Das Ziel sei deshalb eine schnellstmögliche Nachholimpfung bei Personen aus Endemiegebieten und deren Kindern.</p> <h2>Auf dem Weg zu einer Impfung gegen Hepatitis C</h2> <p>In der Schweiz und in vielen Ländern Europas stehen für die Behandlung der Hepatitis C verschiedene antivirale Therapien, inklusive der hochwirksamen «direct- acting antivirals» (DAA) zur Verfügung. «Einen Einfluss auf die weltweite Prävalenz hat die Behandlung in Europa jedoch nicht», sagte Dr. med. Matthias Hoffmann vom Kantonsspital St. Gallen und Kantonsspital Olten am Schweizerischen Impfkongress in Basel. In den eigentlichen Epidemiegebieten, beispielsweise in Südafrika, Russland oder Asien, haben die Betroffenen nur einen eingeschränkten oder gar keinen Zugang zu einer medikamentösen Hepatitis-C-Therapie. Und die DAA allein sind kaum ausreichend, um die Inzidenz nachhaltig zu reduzieren, wie sich am Beispiel der USA zeigt. Dort hatte die Einführung der DAA zunächst zu einer Abnahme der HCV-Infektionen geführt. Angesichts der Drogenepidemie und unterstützt durch die aktuelle Drogenpolitik hat die Inzidenz von Hepatitis C bei Personen mit intravenösem Drogenkonsum stark zugenommen. «Um die Erkrankung zu eliminieren, benötigen wir neben medikamentösen Therapien eine bessere Aufklärung insbesondere von Risikopersonen, Screening-Programme, Massnahmen zur ‹harm reduction› wie eine kostenlose Spritzenabgabe und eine Impfung gegen Hepatitis C», sagte Hoffmann.<br /> Die Schwierigkeit bei der Entwicklung einer Hepatitis-C-Impfung ist, dass es sich um ein RNA-Virus mit einer hohen genetischen Variabilität handelt. Ein Impfstoff gegen Hepatitis C sollte sich daher nicht nur gegen immundominante Epitope richten, sondern eine breite Immunantwort auslösen und möglichst polyfunktional sein.<br /> Zwei Vakzine, die unterschiedliche Strategien verfolgen, befinden sich in klinischen Studien.<sup>1</sup> Ein Impfstoff aus rekombinanten glykosylierten Membranproteinen des Hepatitis-C-Virus, die die Bildung von neutralisierenden Antikörpern und CD4-Helferzellen auslösen sollen, wird im Rahmen einer Phase-I-Studie untersucht. Etwas weiter fortgeschritten in der klinischen Untersuchung ist ein vektorbasiertes «Prime-boost»-Regime. Dieses verwendet Adenoviren von Schimpansen (AdCh) und modifizierte Vaccinia-Ankara-Viren (MVA) als Vektoren für replikationsinkompetente Hepatitis-C-Antigene, die zu einer Aktivierung von virusspezifischen polyfunktionalen CD4- und CD8-Zellen führen sollen.<sup>2</sup> Durch die Memoryfunktion der spezifischen T-Lymphozyten kommt es bei einer tatsächlichen Infektion mit dem Hepatitis- C-Virus zu einer Sekundärantwort und zu einem «clearing». «Das Vakzin führt nicht zur Prävention einer Hepatitis-C-Infektion, sondern verhindert eine persistierende Infektion und Chronifizierung», so Hoffmann.<br /> Der Impfstoff wird im Rahmen des europäischen FP7-Forschungsprogramms PEACHI (Prevention of hepatitis C virus (HCV) and HIV-1 co-infections through induction of potent T cell responses using prime-boost viral vector vaccine regimens) untersucht, an dem das Kantonsspital St. Gallen teilnimmt. Erste Ergebnisse des Studienprogrammes waren vielversprechend: «Das Vakzin führte zu einer breiten und effektiven T-Zell-Immunantwort», sagte Hoffmann.</p> <h2>Zunehmender Anteil von Meningokokken-Infektionen durch Serogruppe W</h2> <p>Invasive Meningokokken verursachen seltene, aber schwere bakterielle Erkrankungen, die sich mehrheitlich in Form von Meningitiden und/oder Sepsis manifestieren und in ca. 10 % der Fälle letal verlaufen. Am häufigsten betroffen von einer invasiven Meningokokken-Erkrankung (IME) sind Kleinkinder und Jugendliche. Meningokokken-Infektionen sind meldepflichtig. «Diese Massnahme ist notwendig, weil es im engen Umfeld des Erkrankten zu weiteren Krankheitsfällen kommen kann und Ausbrüche in der Bevölkerung möglich sind», sagte Rita Born vom Bundesamt für Gesundheit am Schweizer Impfkongress.<br /> Die einzige Möglichkeit zur Prävention einer IME ist die Impfung. Die entsprechenden Empfehlungen sind in den letzten Jahren mehrfach aktualisiert worden. Bei der Einführung 2001 wurde zunächst nur die Impfung von Risikopersonen mit einem erhöhten Erkrankungs- und Expositionsrisiko gegen Meningokokken der Serogruppe C empfohlen. Fünf Jahre später wurde diese als ergänzende Impfempfehlung auf alle Kleinkinder und Jugendliche ausgedehnt. Seit 2011 empfehlen das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF), bei Risikopersonen zur Vorbeugung von IME der Meningokokken- Serogruppen ACWY einen quadrivalenten Impfstoff anstelle des monovalenten einzusetzen. Diese Empfehlung gilt ab 2019 für alle Kleinkinder und Jugendlichen (Tab. 2).<sup>3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1901_Weblinks_lo_innere_1901_s11_tab2.jpg" alt="" width="1500" height="1078" /></p> <p><strong>Meningokokken-Serogruppen W und Y gewinnen an Bedeutung</strong><br /> Insgesamt sind zwölf verschiedene Meningokokken-Serogruppen beschrieben, von denen sechs invasive Meningokokken- Erkrankungen beim Menschen auslösen können. Vor Einführung der Impfung wurden insgesamt zwei Drittel der IME durch Meningokokken der Serogruppe B und ein Drittel durch die Serogruppe C verursacht. In den darauffolgenden zehn Jahren gab es eine Verschiebung bei den Serogruppen: Die IME ausgelöst durch Meningokokken der Serogruppe B nahmen ab, wohingegen der Anteil von IME durch die Serogruppe Y zunahm. Im Messzeitraum 2011−2017 hat sich die Epidemiologie der Serogruppen noch einmal stark verändert (Abb. 1). Trotz des anhaltenden Rückgangs von Meningokokken- Erkrankungen durch die Serogruppe B bleiben diese die häufigste Ursache einer IME. An Bedeutung gewonnen haben durch die Serogruppen Y und W ausgelöste Infektionen. Die Serogruppenverteilung variiert abhängig von der Altersgruppe. Beispielsweise werden bei Säuglingen und Kindern bis zu einem Alter von neun Jahren noch immer die Hälfte bis drei Viertel der IME durch Meningokokken der Serogruppe B verursacht, während deren Anteil an den IME in allen anderen Altersgruppen zurückgegangen ist. Die Bedeutung von Meningokokken der Serogruppe C hat insgesamt abgenommen. In der Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen und der 20- bis 24-Jährigen ist ihr Anteil an den IME heute jedoch höher als vor dem Beginn der Impfung. Bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist eine starke Zunahme von IME infolge von Infektionen mit Meningokokken der Serogruppen Y und W zu verzeichnen, wobei die Infektion mit Letzteren mit besonders schwerwiegenden Verläufen einhergeht.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1901_Weblinks_lo_innere_1901_s11_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1081" /></p> <p><strong>Keine Empfehlung zur Impfung gegen B-Meningokokken</strong><br /> Die Serogruppe der Meningokokken wird durch die Kapselpolysaccharide der Bakterien terminiert. «Auf diesen Polysacchariden basiert der in der Schweiz zugelassene Konjugatimpfstoff (Menveo<sup>®</sup>), der neben Meningokokken der Serogruppe C auch vor Infektionen der Serogruppen A, W und Y schützt», sagte Niederer-Loher. Es existieren noch zwei weitere quadrivalente Konjugatimpfstoffe, diese sind in der Schweiz jedoch nicht zugelassen. «Wünschenswert wäre zudem ein verfügbarer Impfstoff zur Prävention von IME durch die Serogruppe B», so die Spezialistin. Doch die Entwicklung ist aus verschiedenen Gründen schwierig. Studien haben gezeigt, dass die Oberfläche der Kapselpolysaccharide identische Strukturen wie die Adhäsionsmoleküle von fetalen Gehirnzellen aufweist.<sup>4</sup> Das löste Bedenken hinsichtlich einer unerwünschten Produktion von Antikörpern gegen neuronale Adhäsionsmoleküle aus. Zudem produzierten die Kapsel-Polysaccharide in vitro keine ausreichende Immunantwort.<br /> Mithilfe der sogenannten reversen Vakzinologie, eines verhältnismässig neuen, genombasierten Ansatzes, ist es gelungen, zwei Impfstoffe zu entwickeln: Bexsero<sup>®</sup> und Trumenba<sup>®</sup>. Beide Impfstoffe sind in der Schweiz nicht zugelassen. Begründet wurde diese Entscheidung u. a. damit, dass auch bei Verfügbarkeit dieser Impfstoffe bei Weitem nicht alle IME durch Meningokokken der Serogruppe B verhindert werden könnten. «Es gibt Hinweise, dass die Impfung die nasopharyngeale Kolonisation nicht oder nur wenig beeinflusst », sagte Niederer-Loher. Da durch die Impfung vermutlich keine Herdenimmunität erzielt würde, sei eine sehr hohe Durchimpfungsrate notwendig, um einige wenige Fälle zu verhindern. Man geht davon aus, dass sich auch bei einer theoretischen Durchimpfungsrate von 100 % insgesamt nur ca. 10 Fälle einer IME durch die Serogruppe B bei Kleinkindern und Jugendlichen pro Jahr verhindern liessen. Die Frage, ob man es verantworten kann, die gesamte Bevölkerung zu impfen, um so wenige Fälle zu verhindern, stellt sich umso mehr, als die Impfung oft mit einer ausgeprägten inflammatorischen Immunreaktion einhergeht. Ein weiterer wichtiger Grund, der zurzeit gegen die Einführung einer Meningokokken-B-Impfempfehlung spricht, ist die kontinuierliche spontane Abnahme der Inzidenz von IME durch die Serogruppe B.<br /> Auch im umliegenden Ausland ist man zurückhaltend: In Deutschland sind die beiden Impfstoffe zwar zugelassen, eine generelle Empfehlung, gegen Meningokokken der Serogruppe B zu impfen, existiert aus den oben genannten Gründen aber ebenfalls nicht. Davon ausgenommen sind Personen mit einem Komplementdefekt. «Diese haben ein viel höheres Risiko für eine invasive Meningokokken-Infektion jedweder Serogruppe und sollten deshalb auch gegen Meningokokken der Serogruppe B geimpft werden», empfahl die Spezialistin.</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1901_Weblinks_lo_innere_1901_s12_text.jpg" alt="" width="1547" height="1599" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 10. Schweizer Impfkongress, 28.−29. November 2018,
Basel
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<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Shoukry NH: Hepatitis C vaccines, antibodies, and T cells. Front Immunol 2018; 9: 1480 <strong>2</strong> Swadling L et al.: A human vaccine strategy based on chimpanzee adenoviral and MVA vectors that primes, boosts, and sustains functional HCV-specific T cell memory. Sci Transl Med 2014; 6: 261ra153 <strong>3</strong> Bundesamt für Gesundheit: Anpassungen der Impfempfehlungen zum Schutz vor invasiven Meningokokken- Erkrankungen. BAG Bulletin 2018; (46): 14-21 <strong>4</strong> Tan LK et al.: Advances in the development of vaccines against Neisseria meningitidis. N Engl J Med 2010; 362: 1511-20</p>
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