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Differenzialdiagnose und Therapie

Update zur Lewy-Körper-Demenz

Neuropathologisch ähneln sich die Lewy-Körper-Demenz und die Demenz bei Morbus Parkinson darin, dass es bei beiden zur Aggregation von Alpha-Synuclein kommt. Auch in ihrer Symptomatik weisen die zwei Demenzformen Gemeinsamkeiten auf. Es ist aber entscheidend, sie dennoch möglichst früh und exakt zu differenzieren, da Behandlungsfehler zum Trigger für Nebenwirkungen werden können.

Demenzen zeichnen sich durch eine Störung des Gedächtnisses und weiterer kognitiver Funktionen sowie eine Beeinträchtigung in der Alltagsfunktionalität aus. Demenz stellt dabei einen Oberbegriff für unterschiedliche Demenzformen dar, die eine unterschiedliche Ätiologie aufweisen. Es lassen sich vaskuläre und neurodegenerative Demenzen unterscheiden. Grundlage des Nervenzelluntergangs sind bei den neurodegenerativen Demenzen Ablagerungen von Proteinen, die entweder fehlgebildet oder zu wenig aus dem Gehirn entsorgt werden und dann zu einem Nervenzelluntergang führen. Im Fall des M.Alzheimer handelt es sich dabei um das extrazelluläre Amyloid-Beta 1-42 (Amyloidplaques) und das intrazelluläre Tau-Protein (Neurofibrillen).

Gemeinsamkeiten und Differenzen von Alpha-Synucleinopathien

Bei der Lewy-Körper-Demenz (LKD) ist es das Alpha-Synuclein, das sich auch bei M. Parkinson (MP) und der Multisystematrophie (MSA) in der Aggregation als Lewy-Körperchen findet. Diese drei Erkrankungen (LKD, MP, MSA) bilden den Komplex der Alpha-Synucleinopathien, die alle drei ein unterschiedliches klinisches Bild zeigen, gemeinsam ist ihnen aber weitgehend die zugrunde liegende Neuropathologie. Demenzen bei MP und LKD werden daher als Subtypen des Spektrums der Synucleinopathien angesehen.1 Gerade die Unterscheidung zwischen LKD und Demenz bei MP ist zum Teil schwierig, da vor allem in späteren Krankheitsstadien eine Überlappung der Symptomatik besteht. Hinzu kommt auch eine Überlappung mit der Alzheimer-Neuropathologie, da sich insbesondere bei der LKD auch höhere Amyloid-Beta- und Tau-Ablagerungen in Kortex und Striatum finden.1

Diagnose und Klärung der Demenzform

Während bei MP zunächst die motorische Störung im Vordergrund steht, sind es bei der LKD die kognitiven Symptome. Aber auch beim MP kommt es im weiteren Verlauf zu kognitiven Störungen und in bis zu 80% der Fälle zur Ausprägung eines demenziellen Syndroms in den späten Erkrankungsstadien. Die MP-Symptome sind bei der LKD zunächst allenfalls latent vorhanden, sie können durch die (fälschliche) Gabe eines Antipsychotikums mit extrapyramidal motorischen Nebenwirkungen aber getriggert und dann schnell evident werden. Um dies zu verhindern, ist das möglichst frühe und exakte Erkennen einer LKD von grosser Relevanz.

Bei Verdacht auf kognitive Störungen sollten daher möglichst schnell eine Charakterisierung der kognitiven Störungen, zunächst klinisch, dann aber auch mittels neuropsychologischer Testverfahren (am besten in einer Memory-Klinik), und eine Differenzialdiagnostik, v.a zur Abgrenzung gegenüber anderen Demenzformen, erfolgen.2 Die Diagnostik der LKD sieht zuerst eine klinische Diagnostik mit Bestimmung der Art und Intensität der kognitiven Störung sowie der sekundären Demenzsymptome vor, die durch Psychopathologie und Verhaltensstörungen gekennzeichnet sind. Daran schliesst sich eine Ausschlussdiagnostik der sekundären Demenzen (kognitive Störungen bei Schilddrüsenfunktionsstörung, Atemwegs- sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Vitaminmangel, metabolische Störungen etc.) sowie der anderen primären Demenzen an.

Die Symptomatik der LKD ist v.a. gekennzeichnet durch die kognitive Störung, die sich im Vergleich zum M.Alzheimer früh in einer visuell-räumlichen Störung sowie einer Störung der exekutiven Funktionen zeigt. Hinzu kommen frühe optische, v.a. szenische Halluzinationen und eine Fluktuation der Aufmerksamkeit und Vigilanz. Auch ein Parkinsonsyndrom (latent oder diskret in frühem Stadium) deutet auf eine LKD hin sowie andere unterstützende Kriterien, z.B. die REM-Schlafverhaltensstörung, auf die besonders in der Fremdanamnese geachtet werden muss, und eine erhöhte Sensibilität auf Antipsychotika. Eine fluktuierende Aufmerksamkeit und optische Halluzinationen können auch bei deliranten Zuständen oder einer vaskulären Demenz vorliegen (Tab. 1).

Tab. 1: Symptomatik der Lewy-Körper-Demenz4, 7

Unterscheidung und Behandlung von LKD und MP

Sind andere Ursachen (Delir, vaskuläre Demenz) ausgeschlossen, geht es um die Differenzierung zwischen einer LKD und einer Demenz bei MP. Das wesentliche Kriterium ist hier das Auftreten der kognitiven Störung im Vergleich zu den motorischen Symptomen. Hier gilt das (recht willkürliche) Jahreskriterium. Treten die Demenzsymptome ein Jahr nach den motorischen Symptomen und der Diagnose eines MP auf, wird von einer Demenz bei MP gesprochen, bei früherem Auftreten der kognitiven Störung von einer LKD.

Die Unterscheidung zwischen LKD und MP ist deshalb wichtig, da es (diskrete) Unterschiede in der Therapie gibt. Die Therapie der LKD beinhaltet medikamentöse und nicht medikamentöse Massnahmen, wobei v.a. die medikamentösen Massnahmen auf die Kognition als Kernsymptom, die Motorik und die Psychopathologie abzielen.

Medikamentöse Behandlung (Tab. 2)

Tab. 2: Therapie der Lewy-Körper-Demenz3

Für die medikamentöse Therapie der kognitiven Störung kommen bei beiden Erkrankungen primär Cholinesterasehemmer zum Einsatz. Positive Befunde liegen für Rivastigmin und Donepezil vor, wobei in den bisher vorliegenden Studien Rivastigmin ebenso wie der Glutamatantagonist Memantin auch Effekte auf die Verhaltensstörungen, Donepezil eher Effekte auf die kognitiven Einbussen und den klinischen Gesamteindruck zeigt.2,3

Bei der Therapie motorischer Störungen erfolgt bei MP primär eine Anpassung der dopaminergen Medikation, die jedoch bei zu hoher Dosierung selbst Verhaltensstörungen und psychopathologische Symptome (auch Psychosen) auslösen kann. Daher ist bei der Aufdosierung der dopaminergen Medikation Vorsicht geboten. Bei der LKD sollte zunächst ein Cholinesterasehemmer eingesetzt oder – wenn möglich – die Dosis erhöht werden. Erst wenn dann weiterhin extrapyramidal-motorische Störungen vorliegen, die den Patienten im Alltag behindern, kann vorsichtig mit einer dopaminergen Medikation begonnen werden.

Liegen psychopathologische Symptome bei LKD vor, soll auch hier zunächst mit einem Cholinesterasehemmer (Rivastigmin) behandelt werden, da sich bei einem Teil der Fälle bereits dadurch die Psychopathologie, v.a. die Halluzinationen, verbessern kann. Auch Memantin kann hier zum Einsatz kommen, da Evidenz für die Wirksamkeit von Memantin in Bezug auf Verhaltensstörungen bei LKD vorliegt, nicht aber bei MP.2 Sollten weiterhin psychotische Symptome bestehen bleiben, kann mit einem Antipsychotikum der neueren Generation, das keine oder nur eine geringe Potenz für extrapyramidal-motorische Störungen (EPS) besitzt, behandelt werden.

An sedierenden Antipsychotika kommt hier primär Quetiapin infrage, bei den nicht sedierenden Antipsychotika Aripiprazol und andere Antipsychotika, die keine EPS induzieren.3,4

Zu vermeiden sind sowohl bei LKD wie auch bei MP klassische Antipsychotika bzw. Substanzen, die als Nebenwirkung EPS auslösen können. Weitere Substanzen, die bei LKD und MP vermieden werden sollten, finden sich in Tabelle 3.5 Das Antipsychotikum Clozapin, das ebenfalls keine EPS induziert, sollte aufgrund der Nebenwirkungen, v.a. der starken anticholinergen Effekte, sowie der schwierigen Handhabbarkeit im Alter nur zurückhaltend und nicht als Mittel erster Wahl eingesetzt werden.

Tab. 3: Medikamente, die bei Lewy-Körper-Demenz vermieden werden sollten5

Depressionen kommen bei beiden Erkrankungen (LKD und MP) relativ häufig vor. Auch hier gilt es, zunächst einen Cholinesterasehemmer einzusetzen (bei LKD) bzw. die Parkinsonmedikation zu optimieren (bei MP). Falls dann weiterhin eine depressive Symptomatik besteht, kann mit einem Antidepressivum, vorzugsweise aus der Klasse der SSRI und der SNRI, wie auch mit Moclobemid behandelt werden. Zu überlegen ist auch die Gabe von Bupropion, das als dopaminerger Wiederaufnahmehemmer neben der antidepressiven Wirksamkeit auch eine positive Wirkung auf die Motorik und die weitere Parkinsonsymptomatik haben kann.4

Nicht medikamentöse Behandlung

Wenngleich die Datenlage für den Nutzen von nicht medikamentösen Interventionen bei LKD gering ist, weisen sie im Einzelfall gute Effekte auf und tragen insgesamt zur Besserung insbesondere der sekundären Verhaltensstörungen und psychischen Symptome bei. Dies betrifft die allgemein für Demenzbehandlung vorgeschlagenen nicht medikamentösen Massnahmen.2,6

Sie sollten daher zusammen mit den medikamentösen Interventionen als Behandlungspaket zum Einsatz kommen, auch wenn sowohl für die medikamentösen wie auch die nicht medikamentösen Behandlungsoptionen aufgrund der zu geringen Datenlage (noch) keine explizite Empfehlung in den Leitlinien ausgesprochen werden kann.

Fazit

Es zeigt sich, dass LKD und MP eine ähnliche Neuropathologie und im Verlauf der Erkrankung eine sich annähernde Symptomatik aufweisen. Die Merkmalsgruppen, extrapyramidal motorische Störungen, visuelle Halluzinationen und Fluktuationen der Aufmerksamkeit, erfordern – in jeder Kategorie – eine gute Differenzialdiagnostik. Insbesondere ist die Abgrenzung zu anderen Demenzen im Hinblick auf eine differenzierte und optimale Therapie wichtig. Diese kann dann zur Steigerung der Lebensqualität bei den Patienten und Angehörigen beitragen.

1 Jellinger KA, Korczyn AD: Are dementia with Lewy bodies and Parkinson’s disease dementia the same disease? BMC Med 2018; 16: 34 2 S3-Leitlinie: «Demenzen» (Langversion) 2016; AWMF-Register-Nr.: 038-013 3 Taylor JP et al.: New evidence on the management of Lewy body dementia. Lancet Neurol 2020; 19: 157-69 4 Savaskan E et al.: Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der behavioralen und psychologischen Symptome der Demenz (BPSD). Praxis 2014; 103: 135-48 5 Mosimann: Therapie von Lewy-Körper-Demenz Parkinson-Demenz. Swiss Med Forum 2005; 5: 919-24 6 Connors MH et al.: Non-pharmacological interventions for Lewy body dementia: a systematic review. Psychol Med 2018; 48: 1749-58 7 McKeith I et al.: Dementia with Lewy bodies. Lancet Neurol 2004; 3: 19-28

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