
©
Getty Images
Psoriasis – mehr als nur eine Hauterkrankung
DAM
Autor:
Doz. Dr. Paul-Gunther Sator, MSc
1. Oberarzt der Dermatologischen Abteilung<br> Krankenhaus Hietzing<br> E-Mail: paul.sator@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
25.05.2017
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Die Ätiopathogenese der Psoriasis ist nicht gänzlich geklärt. Dennoch weiß man heute, dass es sich um eine entzündliche Systemerkrankung mit all ihren Komorbiditäten und Begleiterscheinungen und nicht um eine ausschließliche Hauterkrankung handelt. Spezifischere Therapieoptionen erlauben zunehmend eine individualisierte Behandlung des jeweiligen Patienten.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Es handelt sich bei der Schuppenflechte um eine durch extrinsische oder intrinsische Einflüsse provozierbare systemische chronisch-entzündliche Erkrankung, die eine immungenetische Basis hat. Als histologisches Korrelat der Erkrankung zeigen sich Akanthose, Parakeratose, Verlust des Stratum granulosum, eine Ansammlung neutrophiler Granulozyten in der Epidermis, eine Elongation der Reteleisten sowie dilatierte Kapillarschlingen in der Dermis und perivaskuläre Infiltrate aus Histiozyten und CD4- positiven Lymphozyten. Hinter diesen histologischen Veränderungen steht eine Aktivierung der Keratinozyten, die auch Chemokine sezernieren. Dadurch kommt es zur Einwanderung von Neutrophilen in die Epidermis. Weiters kommt es zur Aktivierung dendritischer Zellen durch proinflammatorische Zytokine, welche von T-Zellen gebildet werden. Die aktivierten dendritischen Zellen wandern in die regionären Lymphknoten aus und initiieren die Differenzierung naiver T-Zellen in Th1- bzw. Th17-Zellen. In der Haut werden in der Folge Zytokine (IL-23, IL-17, TNF-a und INF-?) gebildet, welche zu einer Proliferation der Keratinozyten führen.</p> <h2>Genetische Disposition unbestritten</h2> <p>Mit Psoriasis assoziierte Gene wurden auf verschiedenen Chromosomen nachgewiesen (polygenetische Erbkrankheit). Wir wissen heute, dass das HLA-C*06- Allel auf dem Chromosom 6 mit einem frühen Ausbruch der nicht pustulösen Psoriasis assoziiert ist. Die Allele HLA-B*27 und HLA-B*39 erhöhen das Risiko für eine Psoriasisarthritis. Gene wie IL-12B, IL- 23A, IL-23R und der IL-4/IL-13-Locus kodieren für das wichtige IL-23. Polymorphismen in Transkriptionsfaktoren wie STAT3 beeinflussen die Differenzierung der Th17-Zellen und die Expression des IL-23-Rezeptors. Mutationen in den Genen CARD-14 und IL-36RN (dem Rezeptorantagonisten von IL-36?) werden mit pustulösen Formen der Psoriasis in Verbindung gebracht.</p> <h2>Verlauf und Komorbiditäten</h2> <p>In aller Regel verläuft die Psoriasis chronisch und in wiederkehrenden Schüben. Sie gilt heute als eine sehr heterogene entzündliche Systemerkrankung. Während früher angenommen wurde, dass die Psoriasis nicht juckt, ist heute bekannt, dass 60–90 % der Psoriasispatienten an Juckreiz in unterschiedlichem Ausmaß leiden. Weiters belegen Studien, dass 26–32 % über Schmerzen der Haut berichten. Belastend für die Patienten sind auch Nagelveränderungen, Veränderungen der Kopfhaut und des Anogenitalbereiches. Früher ging man davon aus, dass ca. 5 % der Patienten an einer Psoriasisarthritis leiden; heutzutage wissen wir, dass etwa 20– 30 % der Patienten davon betroffen sind.<br /> Direkt assoziiert mit der Psoriasis sind die Psoriasisarthritis, der Morbus Crohn, die Colitis ulcerosa und Augenentzündungen in Form einer Iridozyklitis bzw. Uveitis sowie eine erhebliche Einschränkung der gesundheitsabhängigen Lebensqualität und der physischen und mentalen Leistungsfähigkeit.<br /> In Abhängigkeit von Schwere und Dauer der Psoriasis besteht auch ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Begleiterkrankungen und Veränderungen im Sinne eines metabolischen Syndroms mit Adipositas, arterieller Hypertonie, insulinresistentem Diabetes mellitus und Fettstoffwechselstörungen. Selbst nach Ausgleich der Risikofaktoren, wie Nikotin- und Alkoholabusus, bleibt dieses Risiko für diese Patientengruppe bestehen. In weiterer Folge findet sich eine Verkürzung der Lebenserwartung, die Studien nach für mittelschwere bis schwere Psoriasis zumindest 3–4 Jahre betragen kann. Das häufige Auftreten von Komorbiditäten bei Psoriasispatienten erfordert somit einen multidisziplinären Ansatz. Aus dieser Komplexität der Erkrankung definieren sich die Behandlungsziele. Ein Therapieansatz muss nicht nur zu einer Besserung der kutanen Manifestationen führen, sondern auch auf die Begleiterkrankungen abzielen. Dies führt letztendlich zu einer Verbesserung der Lebensqualität und zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit der Patienten.</p> <h2>Therapieoptionen</h2> <p>Durch ein neues Verständnis der Pathogenese der Psoriasis haben sich weitere Möglichkeiten in der Behandlung der Erkrankung eröffnet. Die bisherigen, klassischen Systemtherapien, wie z.B. Methotrexat, Ciclosporin A, Acitretin oder Fumarsäure, stoßen in der Langzeitbehandlung an ihre Grenzen. Mit der Einführung von Biologika hat sich das Armamentarium zur Behandlung der Psoriasis deutlich erweitert und verstärkt. Zurzeit stehen uns die sogenannten TNF-a-Blocker, ein IL-12/23-Antikörper sowie IL-17-Antikörper zur Verfügung. Diese Substanzen weisen gegenüber konventionellen, alten systemischen Therapien eine spezifischere Wirkung und verbesserte Wirksamkeit auf, sowohl bei Psoriasis vulgaris als auch bei Psoriasisarthritis.<br /> In einer Untersuchung zeigte sich, dass der Einfluss einer Psoriasis auf die Lebensqualität der betroffenen Patienten vergleichbar ist mit den Auswirkungen anderer schwerer Erkrankungen, wie z.B. Diabetes, Krebs oder Bluthochdruck. Daher sollte ein moderner Therapieansatz nicht nur zu einer Besserung der kutanen Manifestationen führen, sondern auch auf die Begleiterkrankungen abzielen. Zahlreiche Studien zeigen, dass unter den systemischen Therapien die Biologika diesem Anspruch am besten gerecht werden können. Moderne Register ermöglichen in kurzer Zeit das Sammeln von mehr Daten, als wir zuvor von älteren Therapien hatten. So bestätigte z.B. die Auswertung eines Registers mit mehr als 10 000 Patienten mit rheumatoider Arthritis, dass die Behandlung mit TNF-a-Blockern im Vergleich zu konventionellen Basistherapeutika, einschließlich Methotrexat, die Inzidenzrate für kardiovaskuläre Ereignisse senkt. Obwohl es sich bei den Biologika um relativ neue Medikamente handelt, haben wir in der Zwischenzeit durch zahlreiche Register eine sehr gute Evidenzlage, die die Sicherheit dieser Therapien aufzeigt. Neben den sehr wirksamen und sicheren Biologika, die zuletzt mit ihren IL-17-Inhibitoren eine schon sehr spezifische Wirksamkeit entfalteten, gibt es neuerdings auch intrazelluläre Ansatzpunkte. Darunter das erste orale niedermolekulare Molekül, ein Phosphodiesterase(PDE)-4-Inhibitor mit dem Namen Apremilast. Apremilast wirkt intrazellulär auf Immunzellen, vor allem auf solche aus dem Bereich des angeborenen Immunsystems, und zwar bereits am Anfang der Entzündungskaskade. Dank dieser modernen Therapien werden die Psoriasis selbst sowie auch ihre Begleiterkrankungen immer erfolgreicher behandelbar. Bei einer Kontrolle dieser Erkrankungen sollte auch die Verbesserung der Lebensqualität ein erklärtes Therapieziel sein. Patienten mit Psoriasis benötigen also einen multidisziplinären Ansatz. Dem Hausarzt obliegt es, die Begleiterkrankungen seiner Psoriasispatienten zu erkennen und sie der richtigen Therapie zuzuführen.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Abschließend lässt sich sagen, dass sich in den letzten zehn Jahren das Verständnis der Psoriasis deutlich geändert hat: Aus einer Hauterkrankung ist eine systemische entzündliche Erkrankung geworden mit immunbedingten Komorbiditäten. Durch zunehmende Therapieoptionen ist eine individualisierte Behandlung des einzelnen Patienten mit seinen Komorbiditäten möglich geworden und sie wird in Zukunft noch besser möglich sein.</p></p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Update smarter medicine
Die internationale Kampagne startete in der Schweiz vor rund 12 Jahren mit der ersten Top-5-Liste. Wie ist der Stand heute, mit welchen Herausforderungen ist der eigens gegründete Verein ...
Wandel im Denken: smarter medicine – Floskel oder sinnvolle Notwendigkeit?
Das Bewusstsein, dass viel Medizin nicht immer auch zu einer besseren Gesundheit führt, sondern – im Gegenteil – dem Patienten auch schaden kann, hat durch die «Smarter medicine»- ...
Smarter medicine – ein Beitrag zum ökologischen Wandel in der Medizin
Expert:innen des Universitätsspitals Genf (HUG) stellten am Frühjahrskongress der SGAIM die Projekte «Choosing greenly» und «smarter medicine soins intensifs» vor, die seit einigen ...