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Orale Antikoagulation beim älteren Patienten

<p class="article-intro">Diese Patientengruppe stellt den behandelnden Arzt vor besondere Herausforderungen. Komedikationen, Komorbiditäten und verminderte Adhärenz zu den verschriebenen Medikationen erschweren die sichere und standardisierte Therapie.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_DAM_Allgemeinm_1607_Weblinks_Seite22_1.jpg" alt="" width="600" height="382" /></p> <p>Der &auml;ltere Patient ist in der Literatur mit 75 Jahren und &auml;lter definiert.<sup>1, 2</sup> Das Alter selbst stellt einen signifikanten Risikofaktor f&uuml;r Vorhofflimmern, ven&ouml;se Thromboembolien und Blutungsereignisse dar.<sup>3, 4</sup> Dieser Umstand erfordert eine individualisierte, m&ouml;glichst einfache und sichere Verschreibungspraxis f&uuml;r Patienten mit einer Indikation f&uuml;r eine orale Antikoagulation. Diese bewegt sich immer im Spannungsfeld zwischen Blutungsrisiko und thromboembolischem Event. Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) haben gegen&uuml;ber den bew&auml;hrten Vitamin-K-Antagonisten eindeutig Vorteile. Es werden weniger Interaktionen mit anderen Medikamenten oder Nahrungsmitteln berichtet. Und aufgrund des vorhersagbaren pharmakokinetischen Profils wirken DOAK nicht nur schneller und haben eine k&uuml;rzere Halbwertszeit als Vitamin-K-Antagonisten, sondern sie sind auch ohne Routinekontrolle der Gerinnungsparameter zugelassen. Dies bedeutet einen zus&auml;tzlichen Vorteil in der Akzeptanz der Pr&auml;parate beim Patienten und &auml;rztlichen Personal.</p> <h2>Risikoscores</h2> <p>Zur besseren Einsch&auml;tzung des Blutungs- und Schlaganfallrisikos sind Risikoscores das ad&auml;quate Hilfsmittel. F&uuml;r die Einsch&auml;tzung des Blutungsrisikos ist der HAS-BLED-Score (Tab. 1) etabliert. Zur Beurteilung des thromboembolischen Risikos hat der CHA<sub>2</sub>DS<sub>2</sub>-VASc-Score (Tab. 2) die beste Evidenz bei einfacher Anwendbarkeit. Eine m&ouml;gliche Unterbehandlung mit oraler Antikoagulation kann damit m&ouml;glicherweise verhindert werden. Bei beiden wird das Alter ber&uuml;cksichtigt, auch wenn die Altersgrenze mit 65 Jahren niedriger gew&auml;hlt wurde.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_DAM_Allgemeinm_1607_Weblinks_Seite22_2.jpg" alt="" width="415" height="1019" /></p> <h2>Der antikoagulierte Patient &ge;75 Jahre</h2> <p>Die Datenlage zu der speziellen Gruppe der &auml;lteren Patienten st&uuml;tzt sich auf Subgruppenanalysen und Metaanalysen aus den gro&szlig;en DOAK-Studien.<br /> <br /> Jedes einzelne DOAK zeigte bei Patienten &ge;75 Jahre zumindest die gleiche Effektivit&auml;t wie Vitamin-K-Antagonisten (Warfarin). Dies gilt f&uuml;r die Reduktion des Risikos von isch&auml;mischem Schlaganfall, systemischer Embolie und ven&ouml;sen Thromboembolien. In den Studien zu Vorhofflimmern wurde eine signifikante Risikoreduktion f&uuml;r isch&auml;mischen Schlaganfall und systemische Embolie f&uuml;r Dabigatran 150mg und Apixaban beobachtet.<sup>5</sup><br /> <br /><strong> Gro&szlig;e Blutungen</strong><br /> Bei Patienten &ge;75 Jahre wurde eine signifikante Reduktion von gro&szlig;en Blutungen im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten f&uuml;r Apixaban und Edoxaban beobachtet. In der Gesamtstudienpopulation zeigten sich alle DOAK dem Vitamin-K-Antagonisten in der Verhinderung gro&szlig;er Blutungen &uuml;berlegen. Dabigatran 150mg zeigte bei den &Auml;lteren ein nicht signifikant erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r gro&szlig;e Blutungen, w&auml;hrend die niedrigere Dosis von 110mg ein &auml;hnliches Risiko aufweist wie der Vitamin-K-Antagonist. In der gesamten Studienpopulation wies die Dabigatran-110mg-Dosierung eine signifikante und Dabigatran 150mg eine nicht signifikante Risikoreduktion gegen&uuml;ber dem Vitamin-K-Antagonisten auf. <br /> <br /><strong> Gastrointestinale Blutungen</strong><br /> Bei &auml;lteren Patienten zeigte sich eine signifikante Erh&ouml;hung der gastrointestinalen Blutungen bei beiden Dosen Dabigatran im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten. Daten der anderen DOAK liegen f&uuml;r die Fragestellung nicht vor. In der gesamten Studienpopulation zeigte nur die h&ouml;here Dosis von Dabigatran 150mg, Rivaroxaban und Edoxaban 60mg einen signifikanten Anstieg der gastrointestinalen Blutungen.<br /> <br /><strong> Intrakranielle Blutungen</strong><br /> In der &auml;lteren Studienpopulation konnte eine signifikante Reduktion des intrakraniellen Blutungsrisikos f&uuml;r Dabigatran in beiden Dosierungen und f&uuml;r Apixaban gezeigt werden. Eine nicht signifikante Reduktion des Risikos konnte f&uuml;r Rivaroxaban demonstriert werden. F&uuml;r Edoxaban sind diese Daten bei &auml;lteren Patienten nicht verf&uuml;gbar. Die Reduktion des Risikos f&uuml;r intrakranielle Blutungen durch alle DOAK in der gesamten Studienpopulation stellt den zentralen Vorteil dieser neuen Therapie im Vergleich zu den Vitamin-K-Antagonisten dar.<br /> <br /><strong> Klinisch relevante Blutungen</strong><br /> Apixaban zeigte sich in der Verhinderung relevanter Blutungen in der Gruppe der &auml;lteren Patienten &uuml;berlegen. Bei den &uuml;brigen DOAK zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Reduktion des Risikos f&uuml;r klinisch relevante Blutungen bei Patienten &ge;75 Jahre. In der gesamten Studienpopulation zeigten sich Apixaban, Dabigatran 150mg und Edoxaban in beiden Dosierungen dem Vitamin-K-Antagonisten in der Reduktion des Risikos f&uuml;r klinisch relevante Blutungen &uuml;ber&shy;legen.<br /> <br /><strong> T&ouml;dliche Blutungen</strong><br /> Gesamt waren t&ouml;dliche Blutungen sehr selten. Lediglich Rivaroxaban zeigte sich in dieser Fragestellung dem Vitamin-K-Antagonisten &uuml;berlegen. F&uuml;r die &uuml;brigen DOAK zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Verhinderung von t&ouml;dlichen Blutungen. F&uuml;r Edoxaban sind diese Daten nicht vorhanden. In der Gesamtstudienpopulation zeigten sich Rivaroxaban, Dabigatran 110mg und Edoxaban in beiden Dosierungen dem Vitamin-K-Antagonisten in der Reduktion des Risikos f&uuml;r t&ouml;dliche Blutungen &uuml;berlegen. Die Beurteilung dieser Daten hat, aufgrund des seltenen Auftretens dieses Ereignisses, mit Vorsicht zu erfolgen.<br /> <br /><strong> Dosierung Apixaban</strong><br /> Die Normaldosierung betr&auml;gt 2x 5mg Apixaban t&auml;glich. Die niedrigere Dosierung von 2x 2,5mg t&auml;glich ist bei mindestens zwei der folgenden Risikofaktoren empfohlen: Alter &ge;80, K&ouml;rpergewicht &le;60kg oder ein Serumkreatinin &ge;1,5mg/dl. Bei schwerer Niereninsuffizienz, Kreatinin-Clearance (CrCl) &lt;15ml/min, ist Apixaban kontraindiziert.<br /> <br /><strong> Dosierung Dabigatran</strong><br /> Die Standarddosis f&uuml;r Dabigatran betr&auml;gt 150mg 2x/Tag. Eine Dosisreduktion auf 2x 110mg t&auml;glich ist f&uuml;r Patienten mit einem Alter von &ge;80 Jahren empfohlen. Dies gilt auch bei einer moderat eingeschr&auml;nkten Nierenfunktion (CrCl von 30&ndash;45ml/min) oder unter Therapie mit Verapamil. Bei einer CrCl &lt;30ml/min ist Dabigatran kontraindiziert.<br /> <br /><strong> Dosierung Edoxaban</strong><br /> Die Standarddosis f&uuml;r Edoxaban betr&auml;gt 60mg/Tag. Eine Dosisreduktion auf 30mg t&auml;glich ist f&uuml;r Patienten mit moderat eingeschr&auml;nkter Nierenfunktion (CrCl von 30&ndash;50ml/min) oder einem K&ouml;rpergewicht &lt;60kg indiziert. Bei einer CrCl &lt;15ml/min ist Edoxaban kontraindiziert.<br /> <br /><strong> Dosierung Rivaroxaban</strong><br /> Die Standarddosis betr&auml;gt 20mg 1x t&auml;glich. Eine Dosisreduktion auf 15mg t&auml;glich aufgrund des Alters ist bei Rivaroxaban nicht empfohlen, allerdings bei einer eingeschr&auml;nkten CrCl ab 30&ndash;49ml/min. Die Anwendung von Rivaroxaban bei einer CrCl &lt;15ml/min wird nicht empfohlen.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>DOAK sind bei Patienten &ge;75 Jahre mindestens so effektiv wie Vitamin-K-Antagonisten. Dabigatran zeigte ein signifikant erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r gastrointestinale Blutungen und ein nicht signifikant erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r gro&szlig;e Blutungen im Vergleich mit Vitamin-K-Antagonisten. F&uuml;r die anderen DOAK sind diese Daten f&uuml;r &auml;ltere Patienten nicht publiziert. In der Gesamtpopulation der Studien (das hei&szlig;t inklusive der &bdquo;j&uuml;ngeren&ldquo; Patienten) zeigte sich das gastrointestinale Blutungsrisiko bei Rivaroxaban, bei Dabigatran 150mg und bei Edoxaban 60mg im Vergleich mit Vitamin-K-Antagonisten erh&ouml;ht. In der Verschreibungspraxis von jeglichem Antikoagulans sollte daher auf zus&auml;tzliche Risikofaktoren f&uuml;r gastrointestinale Blutungen nicht nur beim &auml;lteren Patienten geachtet werden. Insbesondere mit dem Wissen, dass ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r gastrointestinale Blutungen die Mortalit&auml;t im Alter erh&ouml;ht.<br /> Ein hohes Alter sollte per se aber kein Kriterium darstellen, um eine orale Antikoagulation mit DOAK zu unterlassen. Die intrakranielle Blutung stellt einen der st&auml;rksten Faktoren f&uuml;r die Mortalit&auml;t bei Patienten unter oraler Antikoagulation dar. Die Verhinderung dieser neurologisch-internistischen Katastrophe stellt daher den gro&szlig;en Benefit der DOAK-Therapie dar.<br /> <br /> M&ouml;glicherweise sind diese Substanzen in der Patientengruppe der &ge;75-J&auml;hrigen sogar noch effektiver. Im Gegensatz zu einem &bdquo;One drug fits all&ldquo;-Ansatz sollte eine individualisierte Therapie unter Ber&uuml;cksichtigung des Blutungsrisikos, der Komorbidit&auml;ten und der Komedikationen bei &auml;lteren Patienten Anwendung finden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Yusuf S et al: Effects of clopidogrel in addition to aspirin in patients with acute coronary syndromes without ST-segment elevation. N Engl J Med 2001; 345(7): 494-502<br /><strong>2</strong> Mega JL et al: Rivaroxaban in patients with a recent acute coronary syndrome. N Engl J Med 2012; 366(1): 9-19<br /><strong>3</strong> Antithrombotic Trialists' (ATT) Collaboration et al: Aspirin in the primary and secondary prevention of vascular disease: collaborative meta-analysis of individual participant data from randomised trials. Lancet 2009; 373(9678): 1849-60<br /><strong>4</strong> Kyrle PA et al: Clinical scores to predict recurrence risk of venous thromboembolism. Thromb Haemost 2012; 108(6): 1061-4<br /><strong>5</strong> Sharma M et al: Efficacy and harms of direct oral anticoagulants in the elderly for stroke prevention in atrial fibrillation and secondary prevention of venous thromboembolism: systematic review and meta-analysis. Circulation 2015; 132(3): 194-204</p> </div> </p>
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