
Neue Therapieansätze bei Allergien
Bericht: Dr. med. Sabina Ludin
Chefredaktorin
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Im Rahmen eines Webinars zum Thema Allergologie, das vom Forum für medizinische Fortbildung (FomF) durchgeführt wurde, berichtet Prof. Dr. med. Peter Schmid-Grendelmeier, Leiter der Allergiestation, Dermatologische Klinik, Universitätsspital Zürich, über einige aktuelle Aspekte bei der Behandlung von Allergien.
Die Therapie bei Allergien besteht im Wesentlichen aus den drei Pfeilern Allergenkarenz, spezifische Immuntherapie (Hypo-/Desensibilisierung) und Pharmakotherapie. Bei allen gehören selbstverständlich die ausführliche Aufklärung und Information des Patienten dazu.
Allergenkarenz
«Die meisten von uns haben noch gelernt, dass mögliche Allergene bei Risikopersonen schon präventiv möglichst vermieden werden sollten. Dieser Pfeiler ist in den letzten Jahren jedoch ins Wanken geraten», so Schmid-Grendelmeier. Die Allergenkarenz kann nach wie vor sinnvoll sein, es gibt aber Ansätze, die genau in die Gegenrichtung zielen. So zeigte beispielsweise eine 2015 publizierte Studie, dass die frühzeitige Einführung von Erdnüssen in die Ernährung von atopiegefährdeten Kindern zu einer signifikanten Reduktion des Risikos, eine Erdnussallergie zu entwickeln, führte.1 Für die Untersuchung wurden Kinder im Alter von 4 bis 10 Monaten, die ein schweres Ekzem, eine Hühnereiallergie oder beides hatten, in zwei Gruppen unterteilt. Eine Gruppe wurde angewiesen, Erdnüsse bis zum Alter von 5 Jahren komplett zu vermeiden, während die Kinder in der anderen Gruppe von Beginn an Erdnüsse resp. erdnusshaltige Produkte essen sollten. Bei Studieneinschluss wurde bei allen Kindern ein Pricktest mit Erdnussextrakt gemacht. Von den Kindern, die zu Beginn einen negativen Pricktest hatten, entwickelten bis zum Alter von 5 Jahren in der Allergenkarenz-Gruppe 13,7% eine Erdnussallergie, während eine solche nur bei 1,9% der Kinder, die Erdnüsse konsumiert hatten, nachgewiesen werden konnte (p<0,001). Bei dem kleineren Teil der Kinder, die bei Studieneinschluss einen positiven Pricktest hatten, enwickelten 35,3% in der Karenzgruppe und 10,6% in der Konsumationsgruppe eine Erdnussallergie (p=0,004). Die Autoren schliessen daraus, dass die Häufigkeit einer Erdnussallergie bei Kindern, die ein erhöhtes Risiko haben, eine solche zu entwickeln, durch die frühzeitige Einführung von Erdnüssen in die Ernährung signifikant vermindert und die Immunantwort auf Erdnüsse moduliert werden kann. Andere Studien bestätigen diese Resultate. «Das Meiden eines Allergens ist also nicht immer der richtige Weg. Dies gilt zumindest für das präventive Vermeiden von Allergenen», kommentierte Schmid-Grendelmeier. «Anders sieht es bei Kindern aus, die bereits allergisch auf Erdnüsse reagieren – hier gilt die Empfehlung der Allergenkarenz selbstverständlich weiterhin.»
Auch die Empfehlung, bei Säuglingen und Kleinkindern mit einem erhöhten Atopierisiko in präventiver Absicht Kuhmilch, Hühnerei, Soja, Weizen, Fisch und Erdnüsse möglichst zu vermeiden, gilt heute nicht mehr. Auf diese Lebensmittel soll nur dann verzichtet werden, wenn allergische Reaktionen auftreten. Für den Verzehr von Fisch gibt es Hinweise darauf, dass dieser möglicherweise sogar einen präventiven Effekt hat.
«Auch Haustiere verbieten wir nicht mehr strikt», sagte Schmid-Grendelmeier. Es gibt Hinweise darauf, dass die Haltung von Hunden in den ersten Lebensjahren und auch der Kontakt der Mutter mit Tieren in der Schwangerschaft im Hinblick auf die spätere Entwicklung von Allergien sogar schützend wirken.2, 3
Spezifische Immuntherapie
Die spezifische Immuntherapie kann entweder subkutan (SCIT) oder sublingual (SLIT) appliziert werden. Gut etabliert ist die SCIT beispielsweise bei Hymenopterengiftallergien, aber es stehen auch Extrakte für die spezifische Immuntherapie verschiedener Pollen- und Milbenallergien zur Verfügung. Für die sublinguale Anwendung kommen zunehmend mehr Produkte auf den Markt, neben Tropfen seit einiger Zeit auch Tabletten. «Hier haben wir gute Produkte für die SLIT bei Allergien gegen Gräserpollen, Hausstaubmilben und Birkenpollen», so Schmid-Grendelmeier. Die Tropfen oder Tabletten werden vom Patienten täglich eingenommen, wobei die erste Gabe unter ärztlicher Überwachung beim Spezialisten oder bei der Hausärztin/dem Pädiater erfolgen sollte. Beim allergischen Asthma ist die SLIT bei gut eingestelltem Asthma zwar etwas weniger heikel als die SCIT, es ist aber trotzdem Vorsicht geboten.
Die SLIT ist grundsätzlich gleich gut wirksam wie die SCIT. Die Auswahl der zur Verfügung stehenden Allergenextrakte ist aber kleiner als bei der SCIT, und die SLIT setzt eine gute Compliance des Patienten voraus, weil das Präparat über mehrere Monate oder bei der Hausstaubmilbenallergie sogar während des ganzen Jahres täglich eingenommen werden muss. Als häufigste Nebenwirkung der SLIT ist der orale Pruritus, im Sinne eines oralen Allergiesyndroms, zu nennen. In der Regel klingen die Nebenwirkungen nach 2–3 Wochen ab. «Bei starkem oralem Pruritus kann dem Patienten geraten werden, in den ersten zwei bis drei Wochen circa eine Stunde vor der Einnahme des Präparats ein Antihistaminikum einzunehmen», sagte der Allergologe.
Im Bereich der spezifischen Immuntherapie bei Nahrungsmittelallergien gibt es v.a. für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen einige vielversprechende Resultate aus Phase-III-Studien. So wurde zum Beispiel gezeigt, dass Kinder und Jugendliche mit einer schweren Erdnussallergie nach einer oralen Behandlung mit einem Erdnusspräparat eine deutlich höhere Menge an Erdnussprotein tolerierten und die Symptome weniger stark waren.4 Auch für die epikutane Immuntherapie bei Erdnussallergie wurde in einer kürzlich publizierten Studie gezeigt, dass bei Kindern eine Desensibilisierung erreicht werden kann.5
Pharmakotherapie
Für die moderate bis schwere atopische Dermatitis steht mit dem monoklonalen Antikörper Dupilumab eine wirksame Behandlung zur Verfügung, die seit Januar 2021 auch für die Behandlung von Jugendlichen von 12 bis 17 Jahren zugelassen ist. Der IL-4-Antikörper blockiert die von IL-4 und IL-13 ausgelöste Signalübertragung und führt bei moderater bis schwerer atopischer Dermatitis zu einer im Durchschnitt 66%igen Besserung der Symptome, bei 25% der Patienten zu einer kompletten Abheilung der Hautveränderungen und bei 40% zu einer deutlichen Verminderung des Juckreizes.6–8 Dupilumab ist auch zur Zusatzbehandlung bei schwerem Asthma mit erhöhter Eosinophilenzahl bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren zugelassen. Weitere Medikamente wie orale JAK-Inhibitoren, wie Baricitinib, Abrocitinib, Upadacitinib und Gusacitinib, oder IL-13-Inhibitoren, wie z.B. Tralokinumab, befinden sich in klinischer Prüfung bei atopischer Dermatitis.
Bei der chronischen spontanen Urtikaria, die nicht auf Antihistaminika anspricht, erreicht man mit dem Anti-IgE-Antikörper Omalizumab, der seit Längerem auch für die Zusatzbehandlung bei schwerem Asthma zugelassen ist, gute Resultate.9
Unter den monoklonalen Antikörpern gibt es einige potente Moleküle, die bei verschiedenen Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis, die mit ähnlichen immunologischen Mustern vergesellschaftet sind, untersucht werden. So werden beispielsweise Benralizumab und Mepolizumab, welche die Eosinophilen adressieren, die über IL-5 getriggert werden, neben der atopischen Dermatitis auch bei der eosinophilen Ösophagitis, der Polyposis nasi und bei Nahrungsmittelallergien getestet. Beide Medikamente sind unter bestimmten Voraussetzungen, wie zum Beispiel der Verschreibung durch einen Spezialarzt für Allergologie oder Pneumologie, für die Behandlung des schweren eosinophilen Asthmas zugelassen. «Für Sie in der Praxis ist es wichtig zu wissen, dass es sinnvoll ist, bei Patienten mit einem schweren Asthma ein differenziertes weisses Blutbild zu machen, um anhand der Eosinophilenzahl abschätzen zu können, ob der Patient für die Behandlung mit einem dieser Biologika infrage kommt», so Schmid-Grendelmeier. Es ist zu erwarten, dass die Palette an monoklonalen Antikörpern für die Behandlung von schweren atopischen Erkrankungen in den nächsten Jahren noch grösser werden wird.
Quelle:
FomF WebUp «Update Allergologie», 3. November 2020
Literatur:
1 Du Toit G et al.: Randomized trial of peanut consumption in infants at risk for peanut allergy. N Engl J Med 2015; 372: 803-13 2 Roduit C et al.: Prenatal animal contact and gene expression of innate immunity receptors at birth are associated with atopic dermatitis. J Allergy Clin Immunol 2011; 127: 179-85 3 Konradsen J et al.: Allergy to furry animals: New insights, diagnostic approaches, and challenges. J Allergy Clin Immunol 2015; 135: 616-25 4 PALISADE Group of Clinical Investigators; Vickery BP et al.: AR101 oral immunotherapy for peanut allergy. N Engl J Med 2018; 379: 1991-2001 5 Fleischer DM et al.: Long-term, open-label extension study of the efficacy and safety of epicutaneous immunotherapy for peanut allergy in children: PEOPLE 3-year results. J Allergy Clin Immunol 2020; 146: 863-74 6 Simpson EL et al.: Two phase 3 trials of dupilumab versus placebo in atopic dermatitis. N Engl J Med 2016; 375: 2335-48 7 Thaçi D et al.: Efficacy and safety of dupilumab in adults with moderate-to-severe atopic dermatitis inadequately controlled by topical treatments: a randomised, placebo-controlled, dose-ranging phase 2b trial. Lancet 2016; 387: 40-52 8 Simpson EL et al.: Dupilumab therapy provides clinically meaningful improvement in patient-reported outcomes (PROs): A phase IIb, randomized, placebo-controlled, clinical trial in adult patients with moderate to severe atopic dermatitis (AD). J Am Acad Dermatol 2016; 75: 506-15 9 Maurer M et al.: Omalizumab for the treatment of chronic idiopathic or spontaneous urticaria. N Engl J Med; 368: 924-35
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