© iceteastock - stock.adobe.com

Neue Versorgungsmodelle

Hospital@Home: Spitalpflege einmal anders – nämlich zu Hause

Mit dem Werbeslogan «Bei uns fühlen Sie sich wie zu Hause» verbindet man allenfalls einen Aufenthalt im Hotel oder Sanatorium. Im Hospital at Home fühlt man sich nicht nur zu Hause, man unterzieht sich in den eigenen vier Wänden einer Spitalbehandlung. In der Schweiz werden aktuell zwei Hospital-at-Home-Modelle praktiziert. Wir stellen sie Ihnen hier vor.

Die Idee, den Patientinnen und Patienten im häuslichen Setting eine Behandlung und Pflege wie im Spital anzubieten, ist nicht neu und wird beispielsweise in den USA seit den 1990er-Jahren praktiziert. Unter dem Begriff «Hospital at Home» verbergen sich allerdings drei verschiedene Behandlungsmodelle:

  • Der spitalbedürftige Patient wird von Anfang an zu Hause behandelt, das heisst, die Diagnostik und die Therapie werden komplett ins private Setting verlagert.

  • Der Patient oder die Patientin wird frühzeitig aus der Spitalpflege entlassen, die Nachpflege findet zu Hause statt.

  • Die Diagnostik erfolgt im Spital, z.B. auf der Notfallstation, anschliessend wird der Patient nach Hause verlegt und erhält eine spitaläquivalente Behandlung.

Bei dem im Spital Zollikerberg praktizierten Modell «Visit – Spital Zollikerberg Zuhause®» wird ausgewählten Personen, die aufgrund einer akuten Erkrankung hospitalisiert werden müssen, nach der Diagnosestellung eine Behandlung im häuslichen Umfeld angeboten. Das Versorgungsmodell wurde 1995 von der Johns-Hopkins-Universität, Baltimore, MD, USA, beschrieben. Die erste nationale multizentrische Evaluationsstudie in den Jahren 2000 bis 2002 demonstrierte, dass das Modell machbar und für selektionierte Personen eine wirksame und sichere Alternative zur stationären Spitalbehandlung darstellt. Die Untersuchung in einer randomisierten kontrollierten Studie konnte eine Abnahme der Behandlungskosten, diagnostischer Massnahmen und der Rehospitalisationsrate im Vergleich zur spitalinternen Behandlung zeigen. Das klinische Outcome der Patienten war wegen der höheren Mobilität im häuslichen Umfeld besser.1

<< Das Behandlungsmodell VISIT trägt den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen Rechnung.>>
C. Ernst, Zürich

Das Projekt «Visit» wurde 2019 am Spital Zollikerberg initiiert mit dem Ziel, die stationäre Behandlung zu Hause zu testen und ihre Wirksamkeit im Vergleich zur Spitalbehandlung zu evaluieren. Federführend sind die Klinik für Innere Medizin und das Institut Neumünster. Ab November 2021 wurden die ersten Patienten in «Visit» aufgenommen. «Für uns ist ‹Visit› ein zukunftsorientiertes Behandlungsmodell, das den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen Rechnung trägt», sagte Christian Ernst, der zusammen mit Prof. Dr. med. Ludwig Theodor Heuss, Chefarzt, die Klinik für Innere Medizin am Spital Zollikerberg leitet. Die Teilnahme ist freiwillig und beschränkte sich zu Beginn auf die Behandlung von spezifischen Diagnosen wie zum Beispiel Harnwegs- oder Weichteilinfektionen, Pneumonien und Herzinsuffizienz. In der Zwischenzeit wurden die Indikationen auf das gesamte Fachgebiet der Inneren Medizin ausgedehnt. Im «Visit – Spital Zollikerberg Zuhause®» kann behandelt werden, wer kreislaufstabil ist, eine gewisse Selbstständigkeit bei den Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) aufweist und in einem Radius von 15 Minuten Fahrzeit vom Spital Zollikerberg entfernt lebt. Wichtig ist auch eine funktionierende Mobilfunkverbindung. Das Behandlungsteam ist multiprofessionell aufgestellt und setzt sich aus Ärzten, Pflegefachkräften, Physiotherapeuten etc. zusammen, die vom Spital Zollikerberg zur Verfügung gestellt werden. Die Behandlung im häuslichen Setting wird durch eine telemedizinische Überwachung ergänzt. Ähnlich wie bei der stationären Behandlung im Spital, führen bei «Visit» Ärzt:innen und Pflegende regelmässig Visiten zu Hause durch. Selbstverständlich wird auch der Hausarzt über die Teilnahme informiert (Abb. 1). Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.

Abb. 1: Behandlungsweg «Visit – Spital Zollikerberg Zuhause®»

Die Erfahrungen nach mehr als zwei Jahren Projekterfahrung sind positiv. 2023 wurden deutlich über 100 Patientinnen und Patienten im Alter von 18 bis 93 Jahren behandelt. Die mittlere Aufenthaltsdauer im Hospital at Home lag bei 4,89 Tagen, im Vergleich zu 5,53 Tagen bei stationärem Aufenthalt im Spital. Die Rate der Rehospitalisationen (ungeplante Wiedereintritte innerhalb von 30 Tagen) und der sekundären Rehospitalisationen (Wechsel vom Spital zu Hause zur stationären Behandlung im Spital) war mit ca. 3% niedrig. Wie eine Umfrage bei den eingeschlossenen Patientinnen und Patienten zeigte, war die Zufriedenheit sehr hoch: 88,9% würden sich wieder für eine Behandlung im Hospital at Home entscheiden. Das Modell ist umsetzbar, sicher und bietet eine qualitativ hochwertige Versorgung. Als wichtige Vorteile der spitaläquivalenten Behandlung im häuslichen Setting wurden vonseiten des Behandlungsteams Faktoren wie z.B. die ganzheitliche Wahrnehmung und Behandlung des Patienten, der leichtere Beziehungsaufbau und die starke Einbindung der Angehörigen gewertet. Aber auch ganz praktische Aspekte wie die Anpassung der Therapien an das häusliche Umfeld, die anhaltende Mobilisierung älterer Patienten und das aufgrund der fehlenden Delokalisierung geringere Delir- und Sturzrisiko zählten zu den Vorteilen. Daneben gibt es auch eine Reihe von Herausforderungen, wie z.B. die Mitbetreuung der Angehörigen, die fehlende Spitalinfrastruktur oder, dass man bei dem Patienten zu Gast sei. Das Projekt läuft noch bis Ende 2024. Bis dahin ist auch die Finanzierung, die hauptsächlich von der Stiftung Diakoniewerk Neumünster getragen wird und von der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich einen Zuschuss erhält, gesichert.

Fokus auf Entlassungsmanagement

Im Fokus des Modells am Kantonsspital Baden steht die Transitional Care, das heisst die Entlassung aus der Spitalpflege ins ambulante Setting. Wie Untersuchungen zeigen, kann das Risiko einer Rehospitalisierung mit einem individualisierten Behandlungsplan bei Entlassung reduziert und die Patientenzufriedenheit erhöht werden.2 In einer Studie, bei der die Entlassung mit allen Beteiligten koordiniert und geplant wurde und die Patienten innerhalb von drei Tagen telefonisch kontaktiert wurden, konnten die Rehospitalisationen und Notfallbehandlungen um 30% und die Kosten um 34% reduziert werden.3 Die Rehospitalisationsrate am Departement Innere Medizin des Kantonsspitals in Baden beträgt 30%. «Wenn wir diese verbessern könnten, wäre das fantastisch», sagte die Direktorin der Klinik, Prof. Dr. med. Maria Wertli.

Weniger eindrückliche Ergebnisse zeigen zwei Schweizer Studien, die ein verbessertes Entlassungsmanagement untersuchten. Die mit Beteiligung von 7 Akutspitälern durchgeführte nicht randomisierte In-HospiTool-Studie wurde initiiert, nachdem die Abrechnung nach «diagnosis-related groups» (DRGs) für stationäre Spitalbehandlungen in der Schweiz eingeführt wurde. Die in diesem Zusammenhang definierte Hospitalisierungsdauer hatte zu Sicherheitsbedenken, wie beispielsweise dem Auftreten von «blutigen Entlassungen», geführt. Die In-HospiTool-Studie demonstrierte, dass sich die Hospitalisationsdauer im Vergleich zur Standardentlassung mithilfe einer interprofessionellen, elektronischen Entlassungsplanung verkürzen lässt, ohne dass es zu einem Anstieg von Rehospitalisationen kommt.4 Die randomisierte TARGET-READ-Studie verglich die Häufigkeit von Rehospitalisationen oder Todesfällen bei Patienten, die mit einer multimodalen Intervention auf die Entlassung vorbereitet und anschliessend telefonisch nachverfolgt wurden, versus eine Standardentlassung. Dabei zeigte sich kein Unterschied zwischen den verglichenen Interventionen.5 Das am Kantonsspital Baden lancierte Hospital-at-Home-Modell hat das Ziel, die Häufigkeit von Rehospitalisationen innerhalb von 30 Tagen nach der Entlassung um 25% zu reduzieren. Gelingen soll dies mit einer multimodalen Intervention vor der Spitalentlassung sowie innerhalb der ersten 5 Tage im häuslichen Setting. Die Intervention schliesst Elemente wie einen individuellen Behandlungsplan, die Erfassung der individuellen Patientenbedürfnisse und Evaluierung der lokalen Gesundheitsversorgung (Allgemeinmediziner, Spitex) sowie tägliche Telefonkontakte mit dem Spital ein. Für Hausbesuche wird – sofern verfügbar – der Hausarzt, die Spitex oder alternativ das Hospital-at-Home-Behandlungsteam aufgeboten. Die Wirksamkeit der Hospital-at-Home-Intervention wird im Rahmen einer randomisierten kontrollierten Studie gegenüber dem Standardprozedere bei Patienten, die im Departement für Innere Medizin hospitalisiert sind und ein hohes Rehospitalisierungsrisiko aufweisen, verglichen. Untersucht wird die Häufigkeit der Rehospitalisationen und die Lebensqualität der Patienten. Die Studiendauer beläuft sich etwa auf 2 Jahre. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse.

SGAIM-Frühjahrskongress, 10. bis 12. Mai 2023, Basel

1 Levine DM et al.: Hospital-level care at home for acutely Ill adults: a randomized controlled trial. Ann Intern Med 2020; 172: 77-85 2 Gonçalves-Bradley DC et al.: Discharge planning from hospital. Cochrane Database Syst Rev 2022; 2: CD000313 3 Greenwald JL, Jack BW: Preventing the preventable: reducing rehospitalizations through coordinated, patient-centered discharge processes. Prof Case Manag 2009; 14: 135-40 4 Kutz A et al.: Association of interprofessional discharge planning using an electronic health record tool with hospital length of stay among patients with multimorbidity. JAMA Netw Open 2022; 5: e2233667 5 Donzé J et al.: Effects of a multimodal transitional care intervention in patients at high risk of readmission: the TARGET-READ randomized clinical trial. JAMA Intern Med 2023; 183: 658-68

Back to top