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Universimed 2020
Herpes Zoster im Überblick
DAM
Autor:
Dr. Michael Zloczower
Facharzt für Dermatologie<br> Ärztezentrum Rahlgasse 1, 1060 Wien<br> E-Mail: ordination@zloczower.at
30
Min. Lesezeit
13.07.2017
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<p class="article-intro">Bei der Gürtelrose (HZ) kommt es sporadisch oder aufgrund einer passageren oder grundlegenden bedeutenden Schwächung der Abwehrlage zu einer Reaktivierung einer latenten Infektion des Spinalganglions mit Varicella-Zoster- Viren (VZV).</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die Erstinfektion mit dem VZV manifestiert sich, sofern es nicht zur stillen Feiung gekommen ist, meistens während der Kindheit in Form von Varizellen. Da die Häufigkeit von HZ parallel zur Verminderung der Immunkompetenz zunimmt, dauert die Latenzperiode zwischen Erstmanifestation und Reaktivierung selten nur wenige Jahre bis meistens Jahrzehnte. Das führt dazu, dass bis zu 50 % aller über 85-Jährigen eine Episode von HZ hatten und dass HZ bei immunkompetenten Kindern und Erwachsenen wesentlich seltener ist. Bei Immundefiziten, insbesondere hervorgerufen durch Lymphome, Leukämien, andere Neoplasien, HIV, Chemotherapien, kann die Inzidenz von HZ bis zu 100-mal höher sein.<br /> Trigger für die Entstehung eines HZ muss aber nicht immer ein systemischer Prozess sein. Auch lediglich lokale umschriebene Traumen, insbesondere im Bereich der Gelenke, Wirbelsäule und Bandscheiben, Nervenverletzungen, UVoder PUVA-Strahlen können die Eruption eines HZ provozieren.</p> <h2>Klinik</h2> <p>Den Hautveränderungen gehen oft unspezifische Prodromi mit Fieber, Abgeschlagenheit und Schmerzen, die manchmal auch unerträglich, ja vernichtend sein können, im Bereich des entsprechenden Segmentes voraus. Je nach befallenem Segment kann es dann zur Beteiligung benachbarter Strukturen wie Auge, Ohr, Nerven (insbesondere Nervus facialis und Nervus statoacusticus), Urogenitaltrakt, Darm kommen und/oder zur Projektion der Schmerzen auf innere Organe entsprechend dem Dermatom. Nach einigen Tagen kommt es dann zum Auftreten ovalärer Erytheme, fast immer halbseitig innerhalb eines Dermatoms von zeitlich zunächst dorsal nach später ventral bzw. von proximal vom Ganglion nach distal vom Ganglion. Schließlich entwickeln sich innerhalb dieser Erytheme (Gruppen) Bläschen. Die Entwicklungsstadien der Bläschen sind innerhalb einer Gruppe gleich. Die Gruppen jedoch unterscheiden sich voneinander durch Bläschen in verschiedenen Entwicklungsstadien. Regionäre Lymphknotenvergrößerungen sind häufig.<br /> Beim unkomplizierten HZ trocknen die Bläschen nach circa 10–12 Tagen ein, verkrusten und heilen nach Abstoßen der Krusten mitunter ohne Hinterlassen von Narben ab. Oft aber hinterlassen die Bläschen diskrete hypopigmentierte Narben.<br /> Bei komplizierten Verläufen des HZ ist das Vorliegen einer zugrunde liegenden bedeutenden Immundefizienz wesentlich wahrscheinlicher. HZ kann vor allem bei Abwehrschwäche hämorrhagisch nekrotisierend verlaufen und dann mit Narben oder Nekrosen abheilen.<br /> Es können auch mehrere Dermatome, sowohl benachbarte und/oder entfernte (HZ duplex) als auch kontralaterale (HZ bilateralis), gleichzeitig befallen werden. Bei hämatogener Aussaat findet man am gesamten Körper verteilt Bläschen wie bei Varizellen zeitgleich neben dem Befall eines Dermatoms (HZ generalisatus).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1705_Weblinks_dam_1705+6_druck_seite30.jpg" alt="" width="1455" height="1406" /></p> <h2>Diagnose</h2> <p>Das klinische Bild ist in der Regel typisch und zur Diagnose bedarf es in der Praxis keiner ergänzenden Bestätigungstests. Je früher im Krankheitsverlauf die Behandlung begonnen wird, desto besser ist die Prognose. Daher ist der serologische Nachweis, der im niedergelassenen Bereich meistens erst frühestens nach einer Woche vorliegt, in der Praxis nicht von Bedeutung. Außerdem hat die Serologie keine Relevanz, weil es sich ja um eine Reaktivierung eines schlummernden Erregers handelt. Gleiches gilt für den direkten Erregernachweis. Ergänzend kann man im Tzanck- Test (exfoliative Zytologie aus dem Bläschengrund) für Viruserkrankungen typische Synzytien nachweisen. Weiters sind akantholytische Zellen, die allerdings bei anderen blasenbildenden Erkrankungen ebenfalls vorkommen, ein regelmäßiger Befund. Etwas schwieriger wird die Diagnose bei abortiven Formen, die nur mit wenigen Bläschen oder – vorerst – nur einer Gruppe einhergehen. Hier kann die Abgrenzung zum Herpes simplex (HS) schwierig werden.<br /> Eine besondere Herausforderung stellt der HZ sine herpete (HZsh) dar, also die Gürtelrose ohne Bläschen und auch ohne oder mit nur diskretem Erythem. Mit diesem Krankheitsbild ist der Dermatologe nur selten – eben weil es keine Hauteffloreszenzen gibt – konfrontiert. Der praktische Arzt<sup>*</sup>, Orthopäde<sup>*</sup>, Internist<sup>*</sup> oder Neurologe<sup>*</sup> wohl viel häufiger, weil von der Nierenkolik über den Herzinfarkt bis zur Migräne oder zu Zahnschmerzen, je nach befallenem Dermatom, verschiedene Differenzialdiagnosen klinisch infrage kommen. Die Patienten klagen über unspezifische, aber durchaus auch heftige neuralgiforme halbseitige Schmerzen, gegebenenfalls mit entsprechenden Projektionen auf andere Organe, so wie eben bei einem HZ mit typischen Hautveränderungen.Einen Hinweis auf einen HZsh können hier nur die ausführliche Anamnese und Beschreibung der verräterischen halbseitigen Symptomatik durch den Patienten bringen. Ohne Erfahrung, Sicherheit, Überzeugtheit und auch ohne eine Portion Mut wird diese Diagnose wohl kaum gestellt. Engmaschige Kontrollen zwecks der Überprüfung des Verlaufs und der etwaigen eingeleiteten Behandlung sowie des Ausschlusses der wichtigsten Differenzialdiagnosen (von der Appendizitis über die Gallenkolik bis zum Herzinfarkt) sind beim Management eines HZsh obligat.</p> <h2>Therapieoptionen bei HZ</h2> <p><strong>Lokaltherapie</strong></p> <p>Phasengerechte Lokaltherapie. Im Bläschenstadium eintrocknende antiseptische Puder. Im Borkenstadium nicht zu fette, krustenlösende Salben. UV-Exposition während der akuten Phase und einige Wochen danach meiden. Ophthalmologika bei Bedarf je nach augenärztlicher Empfehlung.</p> <p><strong>Systemische antivirale Therapie</strong></p> <p>Brivudin muss lediglich 1x täglich zu 150mg, meistens 1 Woche lang, eingenommen werden, Dosisanpassungen aufgrund eingeschränkter Nierenfunktion (NFP) sind im Gegensatz zu anderen Nukleosidanaloga nicht notwendig. Beim unkomplizierten HZ ist es Mittel der Wahl. Unter Brivudin kommt es zu einer Akkumulation von Zytostatika aus der Gruppe der 5-Fluoropyrimidine (5-Fluorouracil [5-FU], Tegafur, Floxuridin u.a.). Zwischen der Behandlung mit Brivudin und einem dieser Zytostatika sollten daher mindestens 4 Wochen liegen. Achtung: 5-FU kommt auch in Lokaltherapeutika vor (Actikerall<sup>®</sup> und Verrumal<sup>®</sup>).<br /> Valaciclovir 3x 1g/Tag ist für 1 Woche bzw. je nach Verlauf einzunehmen, wobei Dosisanpassungen bei eingeschränkter NFP notwendig sind. Famciclovir wird 3x zu 500mg durch 1 Woche, eventuell auch länger, verabreicht. Auch hier Dosisanpassung je nach NFP. Aciclovir ist das einzige Präparat, das auch zur parenteralen Gabe und als Saft zur Verfügung steht (800mg alle 6h).<br /> Nachdem Brivudin gegen HS Typ II keine Wirkung hat, ist bei klinisch nicht eindeutigem Bild, bei dem differenzialdiagnostisch ein HS infrage kommt, Valaciclovir oder Famvir<sup>®</sup> der Vorzug zu geben, allerdings in der gegen HZ notwendigen Dosierung.</p> <p><strong>Schmerztherapie</strong></p> <p>Diese sollte großzügig erfolgen. Meistens sind die Schmerzen mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) unter den üblichen Kautelen beherrschbar. Falls nicht, ist es empfehlenswert, einen auf Schmerztherapie spezialisierten Neurologen<sup>*</sup> oder Anästhesisten<sup>*</sup> beizuziehen.</p> <p><strong>Vitamin B</strong></p> <p>Ob die Substitution mit Vitamin B während der akuten Phase den Verlauf der Erkrankung beeinflusst, ist nicht bewiesen.</p> <p><strong>Allgemeine Maßnahmen</strong></p> <p>Schonung, Meiden von Zug, Kälte, Hitze, UV-Strahlung und nur mäßige körperliche Belastung, auch in der Rekonvaleszenzphase, vermindern erfahrungsgemäß das Risiko für die Entwicklung einer postzosterischen Neuralgie.</p> <h2>Komplikationen</h2> <p>Zosterenzephalitis und Pneumonie mit potenziell tödlichem Ausgang. Iritis, Keratitis und andere ophthalmologische Komplikationen.<br /> Postzosterische Neuralgien. Ramsay- Hunt-Syndrom mit Facialisparese und Hörverlust. Die Hautläsionen können als Eintrittspforte für bakterielle Infektionen dienen.</p> <h2>Prophylaxe – Impfung</h2> <p>Seit 2007 steht eine HZ-Impfung zur Verfügung, Zostavax<sup>®</sup>. Sie wird für Patienten ab dem 50. Lebensjahr empfohlen. Die Rate der HZ-Fälle konnte dadurch um 51 % , die der postzosterischen Neuralgien um 67 % gesenkt werden.</p> <h2>Schwangerschaft und Stillperiode</h2> <p>Für den Fötus stellt der unkomplizierte HZ der Mutter in der Regel kein Problem dar, weil es zu keiner hämatogenen Dissemination der VZV kommt. Die oben erwähnten Nukleosidanaloga sind aber nicht zur Verabreichung während der Schwangerschaft zugelassen. Bei komplizierten Verlaufsformen wird fachübergreifend das Nutzen-Risiko-Verhältnis vor einer etwaigen systemischen Behandlung mit Nukleosidanaloga evaluiert werden müssen.</p></p>
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<p>beim Verfasser</p> <p><sup>*</sup> Es sind männliche und weibliche Personen gemeint.</p>
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