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Behandlungspfad für Patienten über 75 Jahre

Die Hüftfraktur im Alter

<p class="article-intro">Frakturen im Alter sind in der überwiegenden Zahl der Fälle durch die Kombination von Osteoporose und einem niederenergetischen Sturz bedingt. Jährlich stürzen etwa 30 % der über 65-jährigen und noch im eigenen Haushalt lebenden Personen, bei Heimbewohnern ist der Anteil sogar noch höher.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Der Knochenbruch ist als Endpunkt der Systemver&auml;nderung Osteoporose zu sehen, am Extremit&auml;tenskelett u.a. als h&uuml;ftnaher Oberschenkelbruch (H&uuml;ftfraktur). Eine H&uuml;ftfraktur ist f&uuml;r die Betroffenen nach wie vor ein sehr einschneidendes Ereignis und resultiert f&uuml;r viele Patienten in einer wesentlichen Einschr&auml;nkung der Mobilit&auml;t mit der Notwendigkeit, Gehhilfen zu verwenden, in einer Beeintr&auml;chtigung des allgemeinen Gesundheitszustandes und nicht selten der Notwendigkeit einer Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung. Die Komplikationsrate im Rahmen der Versorgung ist nach wie vor sehr hoch, ebenso wie die Krankenhaus- und auch die 1-Jahres-Sterblichkeit.<br /> Die offensichtliche Fraktur ist als Indikator f&uuml;r ein fragiles und verletzliches System anzusehen, mit m&ouml;glichen verheerenden allgemeinen und spezifischen Behandlungskomplikationen und Folgeerkrankungen. Dies wird einerseits bedingt durch die komplexen Frakturmuster bei osteoporotischem Knochen, mit reduzierter Verankerungsstabilit&auml;t der Implantate, und andererseits durch die oftmals begleitende Polymorbidit&auml;t des Patienten in Verbindung mit Gebrechlichkeit (&bdquo;frailty&ldquo;) als Folge des nat&uuml;rlichen Alterungsprozesses.</p> <h2>Epidemiologie</h2> <p>Die Inzidenz der H&uuml;ftfraktur betr&auml;gt im deutschsprachigen Raum ca. 140/100 000 Einwohner und Jahr. Frauen sind deutlich h&auml;ufiger betroffen als M&auml;nner. Bei &uuml;ber 65-J&auml;hrigen steigt die Inzidenz signifikant an (ca. 660/100 000 Einwohner und Jahr). Nahezu zwei Drittel der Betroffenen sind hochbetagt (&gt;80 Lebensjahre). Das Lebenszeitrisiko, eine H&uuml;ftfraktur zu erleiden, betr&auml;gt f&uuml;r Frauen &uuml;ber 50 Jahre 22,9 % und f&uuml;r M&auml;nner &uuml;ber 50 Jahre 10,7 % .</p> <h2>Problemstellung</h2> <p>Der betagte Patient mit einer h&uuml;ftnahen Oberschenkelfraktur ist beim Eintreffen im Krankenhaus in der Regel dehydriert, oft in einem reduzierten Ern&auml;hrungszustand, ist verwirrt oder hat zumindest ein hohes Risiko, verwirrt zu werden, und weist h&auml;ufig mehrere Begleiterkrankungen auf. Er befindet sich oft in einem labilen Gleichgewicht der Kompensation mit nur geringen Reserven, um Abweichungen auszugleichen. Er hat ein h&ouml;heres Risiko f&uuml;r thromboembolische und gastrointestinale Komplikationen und ein h&ouml;heres Risiko, an einer Infektion zu erkranken.<br /> Er versteht die medizinische Problematik und die m&ouml;glichen Folgen der Verletzung und deren Behandlung nur bedingt oder &uuml;berhaupt nicht und ist aufgrund seiner Begleiterkrankungen nur sehr eingeschr&auml;nkt oder &uuml;berhaupt nicht kooperativ.<br /> Beim Erstkontakt im Krankenhaus besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, relevante Begleiterkrankungen und das daraus resultierende Risiko an Komplikationen zu &uuml;bersehen und somit die ersten M&ouml;glichkeiten zur Optimierung des reduzierten Allgemeinzustandes ungenutzt verstreichen zu lassen.<br /> Aus der Literatur ergibt sich als Entscheidungs- und Handlungsgrundlage die essenzielle Erkenntnis, dass sich nur durch einen strukturierten und nachvollziehbaren Behandlungsablauf, basierend auf eindeutigen Entscheidungskriterien anhand von Patientenparametern und der Einbindung aller beteiligten Fachdisziplinen, die Behandlungsergebnisse f&uuml;r diese Patientengruppe verbessern lassen.</p> <h2>Strukturierter Behandlungspfad</h2> <p>Auf Grundlage dieser Erkenntnisse und eigener Erfahrungen wurde am Klinikum Klagenfurt a.W. ein durchg&auml;ngiger Behandlungspfad f&uuml;r geriatrische Patienten mit einer h&uuml;ftnahen Oberschenkelfraktur mit nachfolgenden Schwerpunkten etabliert:</p> <ol> <li>Eine prim&auml;re zeitnahe chirurgische Versorgung bis 24 (48) Stunden nach Aufnahme, um die intensiven Schmerzperioden zu minimieren, den station&auml;ren Aufenthalt zu verk&uuml;rzen und schwerwiegende immobilisationsbedingte Komplikationen zu vermeiden.</li> <li>Eine chirurgische Entscheidungsfindung, die neben der Frakturlokalisation und -form auch das Patientenalter, den funktionellen Anspruch des Patienten, seinen mentalen Status (MiniCog-Test) und das individuelle perioperative Risiko ber&uuml;cksichtigt.</li> <li>Ein internistisch-geriatrisches Screening (u.a. ISAR-Score) zur Erfassung wesentlicher medizinischer Probleme des Patienten schon bei der Aufnahme und die Einleitung von therapeutischen Ma&szlig;nahmen, falls erforderlich noch vor der chirurgischen Intervention oder dann unmittelbar anschlie&szlig;end, um die Rate perioperativer Komplikationen zu senken.</li> <li>Eine angemessene Schmerztherapie ab dem Eintreffen in der Erstaufnahme, um ein unn&ouml;tiges Leiden der Patienten zu vermeiden, eine unmittelbare postoperative Mobilisierung zu erm&ouml;glichen und das Risiko f&uuml;r ein Delir zu reduzieren.</li> <li>Eine unmittelbare postoperative Mobilisierung und Physiotherapie &ndash; Tag 1 nach OP &ndash; und eine Entfernung des Harnkatheters nach 24&ndash;48 Stunden, um die Rate an perioperativen Komplikationen zu verringern und das funktionelle Ergebnis zu verbessern.</li> <li>Delir-Screening und -Diagnostik (CAM), eine Delir-Prophylaxe und, falls erforderlich, eine strukturierte Delir-Therapie beginnend mit der Erstaufnahme des Patienten.</li> <li>Eine patientenfokussierte, fach&uuml;bergreifende zielorientierte Zusammenarbeit, um die zeitlichen Abl&auml;ufe zu optimieren, die Komplikationsrate zu verringern und gegebenenfalls den station&auml;ren Aufenthalt zu verk&uuml;rzen.</li> <li>Des Weiteren wurde &uuml;ber einen Zeitraum von 10 Monaten der Vitamin-DSpiegel bei Aufnahme ermittelt.</li> </ol> <h2>Ergebnisse</h2> <p>In einer ersten Auswertung von 65 Patienten (&gt;75 LJ) zeigte sich ein signifikanter bzw. schwach signifikanter Zusammenhang zwischen dem Ergebnis des MiniCog- Tests und der Mortalit&auml;t, ebenso zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen den beiden Tests und dem Auftreten eines Delirs, d.h., beim Vorliegen einer Demenz und/oder bei einem ISAR-Score von drei und mehr Punkten hat der Patient ein signifikant erh&ouml;htes Risiko, ein Delir zu erleiden und/oder sogar zu sterben.<br /> Alle Patienten, die nach dem Pfad behandelt wurden, zeigten eine hochsignifikante Zunahme der Funktionalit&auml;t &ndash; &bdquo;Timed up &amp; go&ldquo;(TUG)-Test, Barthelindex und Esslinger Transferskala &ndash;, der Gewinn an Funktionalit&auml;t lag deutlich &uuml;ber dem Ergebnis des Gesamtkollektivs an der Abteilung f&uuml;r Akutgeriatrie und &uuml;ber dem Ergebnis des Gesamtkollektivs im &ouml;sterreichischen Benchmarksystem der Akutgeriatrien.<br /> Hinsichtlich des Vitamin-D-Spiegels (172 Patienten &gt;75 LJ) zeigte sich bei 68 % der Patienten ein Mangel (&le;20ng/l) und bei 18,6 % eine Unterversorgung (21&ndash;29ng/l), nur bei 13,4 % befand sich der Vitamin-D-Spiegel im Normbereich. Eine vorbestehende Substitutionstherapie war nur bei 23,3 % der Patienten gegeben, bei Frauen doppelt so h&auml;ufig im Vergleich zu M&auml;nnern.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die von uns implementierten Werkzeuge zur Patientenevaluierung (MiniCog, ISAR und CAM) sind in der Praxis gut anwendbar und erm&ouml;glichen die Identifikation von Hochrisikopatienten im klinischen Alltag. Bei den Patienten, die gem&auml;&szlig; unserem Behandlungspfad behandelt wurden, war ein signifikanter Zuwachs an Funktionalit&auml;t zu verzeichnen. Dieser lag deutlich &uuml;ber dem des Gesamtkollektivs der Abteilung f&uuml;r Akutgeriatrie und Rehabilitation und auch deutlich &uuml;ber dem des Gesamtkollektivs der Patienten im &ouml;sterreichischen Benchmarksystem. Zus&auml;tzlich konnte gezeigt werden, dass eine Vitamin-D-Substitution notwendig und sinnvoll ist.</p></p>
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