
Die Folgen von Covid-19 für das Herz
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Die kardiale Beteiligung bei Covid-19 im Allgemeinen und spezifisch die Frage einer erhöhten Infektanfälligkeit durch eine antihypertensive Therapie mit RAAS-Inhibitoren wurden viel diskutiert. Antworten lieferte das WebUp Kardiologie mit den Zürcher Kardiologen Prof. Dr. med. Jan Steffel vom Universitätsspital und Prof. Dr. med. Franz Eberli vom Stadtspital Triemli.
Die Hypothese, dass RAAS-Inhibitoren wie ACE-Hemmer (ACE-I) und AT-II-Antagonisten (ARB) das Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion erhöhen könnten, hat in den letzten Wochen für Diskussionen gesorgt. Auslöser war ein «Letter to the Editor», der Ende Februar im «British Medical Journal» erschienen ist und auf eine Studie verweist, die eine erhöhte Expression von ACE2 durch die Einnahme von ACE-I/ARB gezeigt hatte.1, 2 Bereits Ende Januar wurde bekannt, dass SARS-CoV-2 das transmembranäre Enzym ACE2 als Rezeptor benutzt, um in die Wirtszelle zu gelangen.3 ACE2 wird von den Geweben verschiedener Organsysteme exprimiert, so beispielweise von den Epithelzellen des Respirationstrakts, den Endothelzellen der Gefässe und dem Nervengewebe. «Daraus erklärt sich auch die Multiorganbeteiligung bei einer SARS-CoV-2-Infektionen», sagte Prof. Dr. med. Franz Eberli, Chefarzt für Kardiologie am Zürcher Stadtspital Triemli, Anfang Mai im Rahmen eines WebUp zum Thema Kardiologie. Da bei Patienten mit Covid-19 häufig eine arterielle Hypertonie als Komorbidität festgestellt wurde, vermuteten die Autoren einen Zusammenhang mit der Einnahme von ACE-I/ARB. Die Hypothese führte dazu, dass wenig später in der Fachzeitschrift «Lancet Respiratory Medicine» die Empfehlung veröffentlicht wurde, als Alternative zur Behandlung mit ACE-I/ARB Kalziumantagonisten einzusetzen.
Ein Review im «New England Journal of Medicine», der die Ergebnisse tierexperimenteller und humaner Untersuchungen zusammenfasste, kam allerdings zu dem Schluss, dass die bisherigen Daten für eine abschliessende Beurteilung der Wirkung von ACE-I/ARB auf die Expression und Aktivität von ACE2 nicht ausreichen.4 «Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System ist sehr komplex und funktioniert nicht nach einem einfachen Ursachen-Wirkungs-Prinzip», sagte Eberli. Generell kann eine lokale oder systemische Infektion über die Aktivierung der klassischen RAAS-Kasakde und die dadurch vermehrte Expression von Angiotensin (AT) I und AT II zu einer akuten pulmonalen und myokardialen Schädigung sowie zu Vasokonstriktion und Gefässpermeabilität führen. Die Hemmung des RAAS durch die Einnahme von ACE-I/ARB könnte sich im Verlauf von Covid-19 also sogar als vorteilhaft erweisen. «Die Medikamenteneinnahme sollte deshalb unbedingt fortgesetzt werden», betonte der Spezialist. Eine protektive Wirkung hat vermutlich auch das Enzym ACE2, denn es unterhält den wichtigsten gegenregulatorischen Regelkreis des RAAS: ACE2 spaltet AT-II in Ang-(1–7), welches an den MAS-Rezeptor bindet und so eine Vasodilatation sowie antiinflammatorische, antioxidative, antiproliferative und antifibrotische Effekte auslöst, die dem AT-II entgegenwirken (Abb. 1).5 Diese alternative Kaskade wird vermehrt aktiviert, wenn die klassische RAAS-Kaskade durch die Einnahme von ACE-I oder ARB gehemmt wird. Aufgrund seiner positiven Effekte wird aktuell untersucht, ob rekombinantes humanes ACE2 in der Behandlung von Patienten mit Covid-19 einen Nutzen haben könnte.

Abb. 1: Klassische RAAS-Kaskade (links) und gegenregulatorische alternative RAAS-Kaskade (rechts)
Schlechteres Outcome bei hohem Lebensalter und vielen Komorbiditäten
Die ersten Publikationen zu Covid-19 wiesen auf eine erhöhte Prävalenz kardiovaskulärer Erkrankungen wie arterieller Hypertonie, koronarer Herzerkrankungen oder Diabetes mellitus (DM) bei verstorbenen Covid-19-Patienten hin. Im Verlauf zeigte sich, dass einzelne Komorbiditäten wie die Hypertonie oder ein Diabetes das Mortalitätsrisiko wahrscheinlich nicht beeinflussen.6 Mit der Anzahl von Begleiterkrankungen nahm jedoch das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf und einen letalen Ausgang zu.7 Mitte März zeigte eine retrospektive Analyse, dass vor allem das Alter ein wichtiger Risikofaktor für das Auftreten eines akuten Atemnotsyndroms (ARDS) oder Tod bei Patienten mit einer bestätigten Covid-19-Pneumonie war.8 Dieses Ergebnis wurde wenig später in einer weiteren Untersuchung bestätigt.9 Zu den Faktoren, die ebenfalls mit einer erhöhten Mortalität assoziiert waren, gehörten ein hoher SOFA(«sequentiell organ failure assessment»)-Score und hohe D-Dimer-Werte >1μg/ml.
Kardiovaskuläre Beteiligung häufig bei fortgeschrittener Erkrankung
Eine kardiovaskuläre Beteiligung bei Covid-19 wird vor allem bei schweren Verläufen beobachtet und hat einen negativen Einfluss auf die Prognose. Das Spektrum an Manifestationen ist breit und reicht vom Myokardschaden ohne Stenose, thromboembolischen Komplikationen oder Arrhythmien bis hin zur schweren Herzinsuffizienz und zum kardiogenen Schock. Als Ursache wird eine direkte oder indirekte Myokardschädigung durch SARS-CoV-2, respektive durch die Immunantwort diskutiert, die Zunahme von kardialem Stress und Hypoxie aufgrund von respiratorischem Versagen sowie eine Kombination aus allen drei Faktoren.10 Interessanterweise führt die Erkrankung seltener als andere virale Erkrankungen wie beispielsweise die Influenza zu einer Myokarditis. Autopsiestudien zeigten vielmehr eine ausgeprägte systemische Endothelitis bei den verstorbenen Covid-19-Patienten.11 «Vor diesem Hintergrund gewinnt die Behandlung kardiovaskulärer Risikofaktoren mit Medikamenten, wie Statinen und ACE-I/ARB, die die Endothelfunktion stabilisieren, zusätzlich an Bedeutung», sagte Prof. Dr. med. Jan Steffel.
Die grössten Hoffnungen in der Behandlung von Covid-19 liegen zurzeit auf Remdisivir.12 Der ursprünglich zur Behandlung von Infektionen mit dem Ebolavirus entwickelte Wirkstoff verhindert über die Hemmung der viralen RNA-Polymerase eine Virusreplikation. Neben der offiziellen Studie der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde (NIH), die gemäss Information des NIH einen positiven Effekt von Remdisivir auf den Krankheitsverlauf zeigt,13 existiert eine kleinere, chinesische Studie, die keinen Effekt nachweisen konnte.14 Weitere Informationen werden die Ergebnisse einer grossen randomisierten, kontrollierten Studie liefern. «Zu den guten Nachrichten gehört, dass die bisherigen Untersuchungen von Remdisivir keine Hinweise auf schwerwiegende Nebenwirkungen geliefert haben», sagte Steffel.14 Weniger erfolgreich war die Behandlung von Covid-19-Patienten mit den viralen Protease-Inhibitoren Lopinavir/Vitonavir und den Wirkstoffen Chloroquin und Hydroxychloroquin. «Die Wirkstoffe haben ein enormes Interaktionspotenzial», so Steffel. Wegen des hohen Risikos von Torsade-de-pointes-Tachykardien wird insbesondere vor der Behandlung mit Chloroquin und Hydroxychloroquin bei nicht hospitalisierten und monitorisierten Patienten gewarnt.
Weniger Spitaleintritte aus Angst vor Infektionen
Eine Entität, die in letzter Zeit zunehmend ins Zentrum der kardialen Beteiligung von Covid-19 gerückt ist, ist das akute Koronarsyndrom (ACS). «Die chronische Entzündung ist Teil der Pathophysiologie atherosklerotischer Plaques», so Eberli. Bei akuten Infektionskrankheiten erhöhen Faktoren wie die zunehmende Viskosität, die aktivierte Blutgerinnung und die endotheliale Dysfunktion das Risiko für ein ACS. Studien haben auch gezeigt, dass die ACS-Häufigkeit während der Grippesaison zunimmt.15 «Der Nachweis systemischer Endothelitiden deutet eigentlich darauf hin, dass die Problematik des ACS bei Patienten mit Covid-19 noch grösser ist als bei einer Influenza», sagte Eberli. Wie eine Online-Umfrage in der kardiologischen Gemeinschaft ergeben hat, nahm die Anzahl der Patienten, die wegen eines STEMI oder NSTEMI ein Spital aufsuchten, interessanterweise während der Pandemie weltweit um bis zu 40–60% ab.16 Neben der Frage, ob die geringeren Belastungen im Zuge des Lockdown zu einer Abnahme der Zahl akuter Myokardinfarkte geführt haben könnte, wurde auch diskutiert, ob die Patienten aus Angst vor einer Infektion dem Spital fernbleiben. Eine Untersuchung aus China zeigte nun, dass während der Coronavirus-Pandemie Patienten mit einem STEMI das Spital erst mehr als 5 Stunden nach dem Beginn der Symptome aufsuchten, während es vorher 80–90 Minuten waren.17 Aus der Untersuchung ging zudem hervor, dass die Prozesse in den Spitälern («door-to-ballon time») ebenfalls deutlich verlängert waren.17 «Angesichts der Behandlung von Covid-19-Patienten auf spezialisierten Abteilungen ist es in der Schweiz wahrscheinlich kaum zu derartigen Behandlungsverzögerungen gekommen», so Eberli. Da die Pandemie aber noch nicht überwunden ist und das Risiko für ein SARS-CoV-2-Infektion bestehen bleibt, muss den Patienten erklärt werden, dass das Risiko zu sterben bei einem Herzinfarkt höher ist als bei Covid-19. «Das gilt vor allem für jüngere Patienten», sagte Eberli.
LMWH zur Prävention thromboembolischer Komplikationen
Ein weiteres Puzzlestück, das zum Krankheitsverständnis bei Covid-19 beiträgt, sind arterielle und venöse thromboembolische Ereignisse. Dazu gehören hauptsächlich tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien, aber auch systemische, zerebrale und mesenteriale Embolien. In einer italienischen Studie mit kritisch kranken Covid-19-Patienten, die auf der Intensivstation lagen, betrug die kumulative Inzidenz thromboembolischer Ereignisse bis zu 25%.18 Im Unterschied zu den Überlebenden wiesen Patienten, die an der Erkrankung starben, ausgesprochen hohe D-Dimer-Werte auf. Beobachtungsstudien zeigen, dass die Behandlung mit niedermolekularem Heparin (LMWH) bei kritisch kranken Patienten mit erhöhten D-Dimer-Werten mit einer Abnahme der Mortalität assoziiert ist.19 Aktuell wird untersucht, ob das Outcome der Patienten durch den prophylaktischen Einsatz von LMWH verbessert werden kann. Vorläufig hat die International Society of Thrombosis and Haemostasis (ISTH) eine Anleitung zum Management von Koagulopathien bei Patienten mit Covid-19 herausgegeben (Abb. 2).20 Diese erlaubt anhand von einfachen Laborparametern das Risiko thromboembolischer Ereignisse einzuschätzen.

Abb. 2: Management von Koagulopathien bei Patienten mit Covid-19 (adaptiert nach Thachil et al.)20
Bericht:
Regina Scharf, MPH
Medizinjournalistin
Quelle:
Forum für medizinische Fortbildung, «WebUp» Kardiologie: «60 Highlights in 60 Minuten», 4. Mai 2020
Literatur:
1 Sommerstein R, Gräni C: Rapid response: re: preventing a covid-19 pandemic: ACE inhibitors as a potential risk factor for fatal Covid-19. BMJ 2020; 368: m810
https://doi.org/10.1136/bmj.m810
2 Ferrario CM et al.: Effect of angiotensin-converting enzyme inhibition and angiotensin II receptor blockers on cardiac angiotensin-converting enzyme 2. Circulation 2005; 111: 2605-10 3 Hoffmann M et al.: SARS-CoV-2 cell entry depends on ACE2 and TMPRSS2 and is blocked by a clinically proven protease inhibitor. Cell 2020; 181: 271-80 4 Vaduganathan M et al.: Renin-angiotensin-aldosterone system inhibitors in patients with Covid-19. N Engl J Med 2020; 382: 1653-9 5 Santos RAS et al.: The ACE2/angiotensin-(1-7)/MAS axis of the renin-angiotensin system: focus on angiotensin-(1-7). Physiol Rev 2018; 98: 505-53 6 Yang J et al.: Prevalence of comorbidities and its effects in patients infected with SARS-CoV-2: a systematic review and meta-analysis. Int J Infect Dis 2020; 94: 91-5 7 Guo T et al.: Cardiovascular implications of fatal outcomes of patients with coronavirus disease 2019 (Covid-19). JAMA Cardiol 2020; e201017 8 Wu C et al.: Risk factors associated with acute respiratory distress syndrome and death in patients with coronavirus disease 2019 pneumonia in Wuhan, China. JAMA Intern Med 2020 [online ahead of print] 9 Zhou F et al.: Clinical course and risk factors for mortality of adult inpatients with Covid-19 in Wuhan, China: a retrospective cohort study. Lancet 2020; 395: 1054-62 10 Akhmerov A et al.: Covid-19 and the heart. Circ Res 2020; 126: 1443-55 11 Varga Z et al.: Endothelial cell infection and endotheliitis in Covid-19. Lancet 2020; 395: 1417-8 12 Grein J et al.: Compassionate use of remdesivir for patients with severe Covid-19. N Engl J Med 2020; 382: 2327-36 13 NIH: NIH clinical trial shows remdesivir accelerates recovery from advanced Covid-19. News release, April 29 2020.
https://www.niaid.nih.gov/news-events/nih-clinical-trial-shows-remdesivir-accelerates-recovery-advanced-covid-19
14 Wang Y et al.: Remdesivir in adults with severe Covid-19: a randomised, double-blind, placebo-controlled, multicentre trial. Lancet 2020; 395: 1569-78 15 Kwong JC et al.: Acute myocardial infarction after laboratory-confirmed influenza infection. New Engl J Med 2018; 378: 345-53 16 Angioplasty.org:
https://twitter.com/angioplastyorg/status/1245892249101
074432
17 Tam F et al.: Impact of coronavirus disease 2019 (Covid-19) outbreak on ST-segment-elevation myocardial infarction care in Hong Kong, China. Circ Cardiovasc Qual Outcomes 2020; 13: e006631 18 Lodigiani C et al.: Venous and arterial thromboembolic complications in Covid-19 patients admitted to an academic hospital in Milan, Italy. Thromb Res 2020; 191: 9-14 19 Tang N et al.: Anticoagulant treatment is associated with decreased mortality in severe coronavirus disease 2019 patients with coagulopathy. J Thromb Haemost 2020; 18: 1094-9 20 Thachil J et al.: ISTH interim guidance on recognition and management of coagulopathy in Covid-19. J Thromb Haemost 2020; 18: 1023-26