© Dr. Tin Manh Ho, Universität Bern

Late-breaking News

Rätsel um Erhöhung des Diabetesrisikos durch Thiazide gelöst

Thiaziddiuretika waren die ersten wirksamen Blutdruckmedikamente überhaupt. Noch heute, sechs Jahrzehnte später, gehören sie zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten und sind fester Bestandteil der medikamentösen Hypertoniebehandlung. Doch Thiazide erhöhen auch das Risiko, an Diabetes zu erkranken. Forschende der Universität Bern und des Inselspitals Bern haben nun die Ursache dieser Nebenwirkung aufgezeigt und dabei auch neue Erkenntnisse zur Entstehung von Diabetes gewonnen.

Thiazide sind weltweit erhältlich und äusserst preiswert. Sie kommen häufig in Kombination mit anderen Wirkstoffen zum Einsatz und senken wirksam den Blutdruck und das Risiko für Folgeerkrankungen. «Aber Patient:innen, die Thiazide einnehmen, haben je nach Studie ein um 20–50% erhöhtes Risiko, einen Diabetes zu entwickeln. Das ist seit Langem bekannt. Doch der Grund dafür war bisher unklar», sagt Prof. Dr. med. Daniel Fuster, Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern und Universitätsklinik für Nephrologie und Hypertonie, Inselspital, Universitätsspital Bern.

Ein Team aus Forschenden von der Universität Bern, der Universitätsklinik für Nephrologie und Hypertonie des Inselspitals und der Pädiatrischen Endokrinologie des Kinderspitals Zürich hat nun unter Fusters Leitung die Ursache für das erhöhte Diabetesrisiko unter Thiaziden untersucht. In Experimenten mit Zellkulturen und Mäusen konnten sie zeigen, dass Thiazide die Insulinausschüttung in spezifischen Zellen des Pankreas hemmen.

Mechanismus erstmals beschrieben

Zuerst haben die Forschenden nachgewiesen, dass Thiazide auch bei Mäusen den Blutzucker deutlich erhöhen. In den anschliessenden Experimenten konnten sie zeigen, warum: Thiazide hemmen die Carboanhydrase 5b – ein spezielles Enzym, das für die Ausschüttung von Insulin zentral ist. Durch die Hemmung dieses Enzyms wird der Stoffwechsel in den Betazellen gestört, was zu einer verminderten Insulinausschüttung und einer Erhöhung des Blutzuckers führt.

© Dr. Tin Manh Ho, Universität Bern

Abb. 1: Betazellen der Maus in Zellkultur

Diesen in Zellkulturen entdeckten Zusammenhang konnten die Forschenden in Mäusen bestätigen: Tiere, die gentechnisch so verändert waren, dass bei ihnen die Carboanhydrase 5b fehlt, hatten ebenfalls eine deutlich reduzierte Insulinausschüttung. Zudem zeigten Thiazide bei ihnen keine Nebenwirkungen. Damit ist klar, dass diese Nebenwirkungen nur dann auftreten, wenn Thiazide die Carboanhydrase 5b hemmen.

Neue Erkenntnis zur Entstehung von Diabetes

Normalerweise besitzt jede Körperzelle verschiedene Carboanhydrasen, die unterschiedliche Stoffwechselvorgänge unterstützen. Die nun im «Journal of the American Society of Nephrology» publizierte Studie von Fuster und Kolleg:innen hat zum ersten Mal gezeigt, dass die Betazellen in dieser Hinsicht eine grosse Ausnahme sind. Sie besitzen nur eine einzige Carboanhydrase, diejenige vom Typ 5b. Dieses Enzym scheint entscheidend für die normale Insulinausschüttung zu sein.

Damit hat das Forschungsteam nicht nur das lange bekannte, aber ungelöste Rätsel um den diabetesfördernden Effekt von Thiaziden gelüftet, sondern gleichzeitig neue Erkenntnisse zur Insulinausschüttung geliefert. Studienleiter Fuster denkt schon weiter: «Nun gilt es, die Funktion und Regulation der Carboanhydrase 5b in den Betazellen noch besser zu untersuchen, um so die Entwicklung von Diabetes beim Menschen besser zu verstehen und die Grundlagen für neue Behandlungsansätze zu legen. Denn genau wie der Bluthochdruck ist auch der Diabetes ein gravierendes weltweites Gesundheitsproblem.» (red)

Medienmitteilung der Universität Bern und der Inselgruppe

1 Kucharczyk P et al.: Thiazides attenuate insulin secretion through inhibition of mitochondrial carbonic anhydrase 5b in β-islet cells in mice. J Am Soc Nephrol 2023; 34: 1179-90

Back to top