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Universimed 2020
Arbeitsfähigkeit erhalten
DAM
Autor:
Dr. Andrea Egger
Psychologin, Spittal/Drau<br> E-Mail: info@psi-consulting.at
30
Min. Lesezeit
21.12.2017
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<p class="article-intro">Sowohl individuelle als auch Verhältnis-assoziierte Aspekte beeinflussen die Arbeitsfähigkeit. Im Folgenden sind die verschiedensten Einflussfaktoren übersichtlich dargestellt, welche diese Fähigkeit gefährden können. Gleichzeitig werden mögliche Lösungsansätze aufgezeigt, damit wieder ein Gleichgewicht hergestellt werden kann.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die Arbeitsfähigkeit umfasst sowohl individuelle Aspekte wie Gesundheit, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kompetenzen als auch Verhältnis-assoziierte Aspekte wie Arbeitsbedingungen oder die Führungs- und Unternehmenskultur. Sie beschreibt demnach expressis verbis nicht nur die individuellen Voraussetzungen eines Menschen, um die gestellten Arbeitsanforderungen zu erfüllen, sondern umfasst beide Aspekte zu gleichen Teilen. Es geht daher um eine ausgewogene Balance zwischen den individuellen Fähigkeiten eines Menschen und den spezifischen Bedingungen und Anforderungen der Arbeit bzw. eines Arbeitsplatzes („life-domain balance“). Vor diesem Hintergrund werden der Arbeit verschiedene Funktionen zugeschrieben (vgl. Jahoda, 1976): Struktur, Wertschätzung, Finanzen – Sicherheit, Soziales und Weiterentwicklung.<br /> Ein bekanntes Modell der Arbeitsfähigkeit, das diesen Überlegungen Rechnung trägt, stammt von dem finnischen Wissenschaftler Juhani Ilmarinen (2009), der in seinem „Haus der Arbeitsfähigkeit“ diese wesentlichen Faktoren abbildet (Abb. 1). In vier Etagen werden die Einflussfaktoren in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit eines Menschen dargestellt: Gesundheit, Kompetenz, Werte und Arbeitsbedingungen. Zusätzlich werden Moderatoren berücksichtigt, durch welche die individuelle Arbeitsfähigkeit beeinflusst werden kann (z.B. Familie, persönliches Umfeld, Umgebung sowie Gesellschaft, Kultur, Politik etc.).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1710_Weblinks_s34_abb1.jpg" alt="" width="725" height="730" /></p> <h2>Warum ist Arbeitsfähigkeit wichtig?</h2> <p>Eine gute Arbeitsfähigkeit ist eine wesentliche Grundlage für das Wohlbefinden des Einzelnen. Die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten entscheidet mit über Leistung, Produktivität und Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Die Arbeitsfähigkeit der Erwerbstätigen eines Landes oder einer Region hat wesentliche Auswirkungen auf die Balance der sozialen Sicherungssysteme. Sie ist die Voraussetzung für die Beschäftigungsfähigkeit der Bevölkerung. Die betrieblichen und individuellen Auswirkungen einer ganzheitlichen betrieblichen Betrachtung der Arbeitsfähigkeit sind im „Konzept der Arbeitsfähigkeit“ skizziert. Demnach ist die nachhaltige Förderung der Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten das Resultat von Präventionsmaßnahmen in vier Handlungsfeldern:</p> <ol style="list-style-type: lower-latin;"> <li>individuelle Gesundheit,</li> <li>Arbeitsinhalt und Arbeitsumgebung,</li> <li>Aspekte der Arbeitsorganisation und Führung sowie</li> <li>professionelle Kompetenz der Arbeitnehmer (Abb. 2).</li> </ol> <p>Das Führungsverhalten hat nach finnischen Beobachtungen den größten Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit, gefolgt von Maßnahmen der Arbeitsgestaltung und der Arbeitsorganisation sowie der individuellen Gesundheitsförderung.<br /> Daraus folgt, dass (betriebliche) Präventionsarbeit nicht mittels Gießkannenprinzip für alle Beschäftigten erfolgen kann. Präventionsarbeit muss immer auch eine individuenzentrierte Komponente haben.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1710_Weblinks_s34_abb2.jpg" alt="" width="1442" height="661" /></p> <h2>Evaluierungsansätze für die arbeitspsychologische Tätigkeit</h2> <p>Die Ermittlung und Bewertung der folgenden Faktoren ermöglicht die Wahl geeigneter Präventionsmaßnahmen.</p> <ul> <li>Arbeitsmerkmale: Die Arbeit ist kompliziert, ständige Konzentration, zu viele Tätigkeiten auf einmal, hoher Druck, freundlich sein zu müssen, große Verantwortung</li> <li>Organisationskultur: zu wenig Unterstützung durch Kollegen bzw. die Führung, zu wenig Feedback, Fortbildungsund Schulungsmöglichkeiten bzw. unzureichende Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten, zu wenig Mitsprachemöglichkeit</li> <li>Arbeitsumgebung und Arbeitszeit: unzureichende Lichtverhältnisse, Enge, unzureichende Arbeitsmittel, zu hohe Anforderungen, unzureichende Arbeitszeit, zu kurze Erholungsphasen oder Pausen</li> <li>Arbeitsabläufe: Prioritäten sind unklar, Arbeitsaufträge sind widersprüchlich, Zuständigkeiten bzw. Kompetenzen sind unklar, notwendige Informationen fehlen, Unterlagen fehlen bzw. sind unklar oder fehlerhaft.</li> </ul> <h2>Individuelle Aspekte</h2> <p>Durch die Mehrfachbelastung (z.B. Pflegefälle in der Familie, finanzielle Belastungen), durch Beziehungskonflikte, Probleme mit Kindern, Schicksalsschläge und große Lebensveränderungen sowie Krankheit ergibt sich ein zusätzlicher Energieverlust, der zu Leistungseinbußen, fehlender oder zumindest reduzierter Motivation und Kreativität, reduzierter Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistung, aber auch zu einer erhöhten Erschöpfungsneigung führen kann. Hohe Ansprüche an sich selbst, wenig Selbstwert (sich und anderen etwas beweisen müssen), maladaptive Stressbewältigungsstrategien und fehlende Regenerationsfähigkeit tragen ebenso zu einer Verschlechterung der kognitiven, emotionalen und physischen Leistungsfähigkeit bei, sodass die allgemeine Funktionstüchtigkeit reduziert wird und der Leidensdruck steigt.<br /> Gerade vor dem Hintergrund stetig steigender Zahlen chronisch erkrankter Mitarbeiter liegt der Gedanke nahe, dass derartige Mechanismen zu einer weiteren Verschlechterung bzw. Imbalance der Gesamtsituation der Betroffenen führen. Die sogenannte „work-life effectiveness“ (Arbeit sollte mit anderen Aspekten des Lebens gut harmonieren, Arbeit und Privatleben sind Verbündete, die Arbeit gilt als sinnstiftend, Erfolg sollte definiert werden, Kontrollambition und -gefühl sind gegeben, es ist von einem „glücklichen Arbeiten“ auszugehen) wird signifikant vermindert.</p> <h2>Mögliche Lösungsansätze</h2> <p>Man sollte konstruktive Feedbacks geben und positive Wertschätzung vermitteln. Empathie, Psychoedukation, kognitive Rekonstruktion, „mindfulness training“, Aktivierung von Ressourcen, Genusstraining, „life-domain balance“, Ist-Soll-Analysen, Bewältigungsstrategien erarbeiten, soziale Unterstützung, Zeit- und Stressmanagement sind weitere Möglichkeiten.<br /> Das Ziel der genannten Maßnahmen sollte die Ausbildung eines professionellen Selbstverständnisses sein. Dieses ist gleichbedeutend mit der Identifizierung unrealistischer und überhöhter Erwartungen und Ansprüche. Diesen sind optimistisch- realistische Erwartungen entgegenzusetzen. Das Ausarbeiten von Erinnerungsformeln ist hilfreich, um sich die geänderten Zielvorstellungen ins Gedächtnis zu rufen.<br /> Ein weiterer Lösungsansatz ist die Desensibilisierung durch das Vorstellen problematischer Situationen im Zustand von Entspannung. In der Folge können Handlungsstrategien überlegt, neue Verhaltensmuster identifiziert und das Zeitmanagement optimiert werden.<br /> Mit dem „Arbeitsbewältigungsindex“ (ABI oder auch WAI) lässt sich die Arbeitsfähigkeit messen und somit nachweisen, ob durch diese oder ähnliche spezifische Maßnahmen eine Steigerung der Arbeitsfähigkeit erzielt werden konnte. llmarinen zeigte exemplarisch in verschiedenen Studien, dass die Arbeitsfähigkeit von Mitarbeitern insbesondere durch eine Kombination aus verschiedenen Maßnahmen auf den Ebenen des Hauses der Arbeitsfähigkeit erheblich gesteigert oder mit zunehmendem Alter erhalten werden konnte.<br /> Fest steht zudem, dass all diese Maßnahmen darauf abzielen, die Resilienz (Fähigkeit, in der Auseinandersetzung mit Belastungen die eigene Gesundheit aufrechtzuerhalten bzw. wiederzuerlangen; Ryff, 2012) zu stärken.</p></p>
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<p>bei der Verfasserin</p>
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