© Detailfoto iStockphoto

Gesundheit und Politik

Die Baustellen der Corona-Politik

Wien - Eigentlich drängt die Zeit – es gilt, die Vorkehrungen für das Handling der Corona-Pandemie im kommenden Herbst in Angriff zu nehmen. Die Liste an Aufgaben ist lang und reicht von ziel(gruppen)genauen Informationen zur Sinnhaftigkeit der Impfung bis hin zu einer Optimierung der Datenlage, wie Thomas Czypionka im Gespräch mit universimed.com erläutert. Dass sich die Regierung und allen voran der neue Gesundheitsminister Johannes Rauch dieser Tage stattdessen mit ständig neuen Höchstständen bei den Neuinfektionen und kritischen Expertenstimmen aus den politisch eingesetzten Kommissionen konfrontiert sehen, macht die Sache nicht einfacher.

Dem bisherigen Herumschlingern für und wider die Impfpflicht setzt Czypionka einen anderen Ansatz entgegen: „Die Gründe, warum sich Menschen nicht impfen lassen wollen, sind nach wie vor sehr verschieden. Wir haben wahrscheinlich 20 verschiedene Gruppen. Und wir müssen uns bemühen und endlich damit anfangen, diese Gruppen konkret anzusprechen.“ Dänemark habe vorgezeigt, wie es gehen könnte. So sei man auf Basis vorhandener Daten etwa auf bestimmte Religionsgemeinschaften und Kirchenvertreter zugegangen, um die Menschen zu erreichen und Aufklärungsarbeit zu leisten. Und das sehr niederschwellig, etwa im Zuge von Gottesdiensten.

Umgelegt auf Österreich sieht der Gesundheitsexperte primär zwei Zielgruppen, die es in den nächsten Wochen und Monaten zu überzeugen gilt, damit im Herbst entsprechende Effekte sichtbar werden: Das sind zum einen junge Leute, „die sich persönlich nicht so betroffen fühlen“. Wobei gerade diese Bevölkerungsgruppe epidemiologisch eine wichtige Rolle spielt. Denn: „Wir sehen bei jeder Welle, dass die Infektionen zunächst bei den Jungen passieren und sich danach in die höheren Altersgruppen ausbreiten.“ Zum anderen gelte es jene Menschen zu gewinnen, die nach wie vor verunsichert sind und eine Impfung etwa aufgrund von befürchteten Nebenwirkungen ablehnen.

Knackpunkt der Informationsarbeit sind die jeweils passenden Kanäle: Das kann für die einen der Vertrauens- oder Hausarzt sein, für die anderen der Pensionistenvertreter oder eine andere Identifikationsfigur. Insgesamt eine aufwendige Strategie, an der aus Sicht des Experten aber kein Weg vorbeiführt. Erst recht, wenn man die Bevölkerung mit ins Boot holen möchte, wie Gesundheitsminister Rauch angekündigt hat.

Gewaltige Datenprobleme

Zu kurz gekommen sind im bisherigen Krisenmanagement außerdem die Berücksichtigung „der Geschwindigkeit des Anstiegs“ von Neuinfektionen und die Analyse der zeitlich erwartbaren Mehrbelastung – etwa auch für die Krankenhäuser. Letztendlich rät Czypionka zu einem neuen Stufenplan, der sich nicht nur am Niveau der gemeldeten Fälle oder an der Auslastung der Betten in den Spitälern orientiert.

Die Klammer für all die Maßnahmen – von Stufenplänen bis hin zur Teststrategie – bildet freilich eine möglichst solide Datenbasis. Und genau daran krankt es nach Einschätzung des Mediziners und Ökonomen gewaltig: „Diese Problematik gehört dringend bereinigt. Gerade jetzt, wo die Entwicklung so unsicher ist, müssen wir rasch Schlüsse ziehen können, wenn die Notwendigkeiten auftreten.“ Allerdings sei es nach wie vor nicht einmal möglich, die Impf- und Krankenhausdaten zu verknüpfen. Der Impfstatus eines Patienten muss also persönlich abgefragt werden. Eine eigens aufgesetzte Covid-Datenplattform wiederum beinhalte ausschließlich Krankenhausdatensätze zu Covid-Betroffenen, ließe aber keine Kontrollgruppen zu. Czypionka: „Das ist vollkommen unverständlich. In dieser Frage haben wir zwei Jahre verschlafen.“


Autor:
Evelyn Holley-Spieß

Back to top