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Gesundheit und Politik

Corona: Impfpflicht ausgesetzt

Wien - Es gleicht einem Sterben auf Raten: Bevor die Impflicht gegen das Coronavirus in die heikle Phase kommt – sprich: Kontrollen und Strafen ab Mitte März – hat die Regierung im heutigen Ministerrat die Notbremse gezogen. Die Impfpflicht wird ausgesetzt – diese Entscheidung gelte auch für die Gesundheitsberufe, ergänzte der neue Gesundheitsminister Johannes Rauch. Er wünsche sich bei der Bekämpfung der Pandemie möglichst einheitliche und damit leichter nachvollziehbare Schritte, erklärte Rauch bei einem Medientermin.

Einer, der sich von Beginn an skeptisch zur Impfplicht geäußert hat, ist Thomas Czypionka, Gesundheitsexperte am Institut für Höhere Studien (IHS). Aus internationalen Erfahrungen wisse man, dass Impfpflichten die Quote meist nur wenig erhöhen. Zudem würden Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, viel Energie dafür aufbringen, um diese Verpflichtung zu umgehen – Stichwort: Befreiungsattest. Auch wenn dieses laut geltender Regelung primär nur durch Amtsärzte ausgestellt werden darf, wäre dennoch die Ärzteschaft – allen voran die Hausärzte – ebenfalls betroffen. So kann sich der Experte durchaus vorstellen, dass Patienten dahingehend Druck machen, ein Attest von ihrem Arzt des Vertrauens zu erhalten, das in weiterer Folge als Unterlage zur Covid-Impfbefreiung beim Amtsarzt vorgelegt wird.

Schaden ist entstanden

Leider sei die Politik in der Vergangenheit der Logik gefolgt: „Wir machen eine Impfpflicht und dann ist die Sache erledigt. Das war einfach falsch und zu kurz gedacht“, so Czypionka gegenüber universimed.com. Dass nun die Reißleine gezogen wurde, ändert für ihn nichts daran, dass der Schaden entstanden ist: „Auf der einen Seite wurden die Gräben vertieft. Und andererseits haben wir der Bevölkerung gezeigt, dass etwas ganz Hartes angekündigt wird, das dann zusehends zerbröckelt.“

Offiziell gab Verfassungsministerin Karoline Edtstadler an, dass die Pflicht bei der vorherrschenden (Omikron-)Variante nicht verhältnismäßig sei. In drei Monaten soll die Lage neuerlich evaluiert werden. Basis für die jüngste Entscheidung ist der Bericht der Impfpflicht-Expertenkommission. Ihr gehören neben den beiden Medizinern Eva Schernhammer und Herwig Kollaritsch auch Staats- und Medizinrechtler Karl Stöger sowie Rechtswissenschaftlerin Christiane Wendehorst an. Das Aussetzen der Pflicht geschehe, „weil viele Argumente dafür sprechen, dass der Grundrechtseingriff nicht gerechtfertigt ist“, so Edtstadler. Im Kommissionsbericht komme zwar „ganz klar zum Ausdruck“, dass Impfen hilft und ein „probates Mittel“ sei, man aber flexibel auf die Situation reagieren müsse und „jetzt eine Virusvariante vorherrschend ist“, die eine Impfpflicht nicht deckt.

Suche nach Exit-Strategie

Aktuell bleibt das Gesetz damit quasi im Hintergrund weiter bestehen. In spätestens drei Monaten legt die Kommission ihren nächsten Bericht vor – und richtet dabei wohl auch schon den Blick auf den Herbst. Denn es sei nicht auszuschließen, dass man wieder mit einer Variante konfrontiert werde, „die ähnliche Auswirkungen auf das Gesundheitssystem hat, wie wir es schon erlebt haben“, erklärte Rauch. Der Rat vom Gesundheitsexperten Czypionka: „Wir müssen darauf setzen, dass sich die Bevölkerung für die Impfung gewinnen lässt.“


Autor:
Evelyn Holley-Spieß

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