Neueste Entwicklungen der spinalen Endoskopie
Autoren:
Dr. Wolfgang Thomae
Dr. Nico Stroh-Holly
Dr. Andreas Gruber
Priv.-Doz. Dr. Dr. Wolfgang Senker
Universitätsklinik für Neurochirurgie, Johannes Kepler Universität Linz, Kepler Universitätsklinikum Linz
Korrespondenz:
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Die endoskopische Wirbelsäulenchirurgie hat sich von einer rein perkutanen Technik zu einer hochpräzisen, technisch ausgereiften Methode entwickelt, die ein weites Spektrum degenerativer und zunehmend auch komplexer Pathologien adressiert. Integrative Technologien wie Augmented Reality, Navigation und robotische Assistenz markieren den Beginn einer neuen Ära der spinalen Endoskopie.
Die demografische Alterung, der steigende Stellenwert von Lebensqualität und die wachsenden Erwartungen von Patienten an moderne Behandlungsverfahren haben die Nachfrage nach minimalinvasiven Therapien bei degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen erheblich verstärkt. Vor diesem Hintergrund hat sich die minimalinvasive Wirbelsäulenchirurgie (MISS) zu einem wesentlichen Bestandteil der Versorgung entwickelt.1–3 Während mikroskopisch assistierte Operationen lange als Goldstandard galten, hat sich die endoskopische Wirbelsäulenchirurgie (ESS) als konsequente Weiterentwicklung von MISS etabliert.4 Geringere Invasivität, muskel- und gelenkschonende Technik prägen diesen Ansatz.
Insbesondere Orthopäden zeigen sich dieser Methode zugewandt – nicht zuletzt aufgrund der engen Parallelen zur Arthroskopie, die seit Jahren ein fester Bestandteil der orthopädischen Ausbildung ist. Studien zeigen, dass etwa 85 % der endoskopischen Chirurgen einen orthopädischen Hintergrund haben und das Potenzial als besonders hoch bewerten.5 Eine Einschätzung der Benefits und Limitationen ist selbst für erfahrene Chirurgen oftmals schwer möglich. Dieser Beitrag gibt einen systematischen Überblick über die technischen Grundlagen, Indikationen, Limitationen und schafft einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf neuen Anwendungsfeldern und der Integration innovativer Technologien, die das Spektrum der Endoskopie wesentlich erweitern können.
Moderne Endoskoptechnik
Die Ursprünge der Technik lassen sich auf Parviz Kambin (1973) und Sadahisa Hijikata (1975) zurückführen, die ein Verfahren beschrieben, bei dem ein posterolateraler Zugang für die fluoroskopisch gesteuerte perkutane Diskektomie mittels Kanüle genutzt wurde.6 Moderne uniportale Endoskope zeichnen sich durch eine angulierte Optik (4k-Kamera) und Spülausgänge zur kontinuierlichen Irrigation und Aufrechterhaltung des hydrostatischen Druckes im OP-Gebiet aus. Durch die Winkeloptik entsteht ein Sichtfeld, das den Innendurchmesser der Führungshülse übertrifft. Über den zentralen Arbeitskanal können Instrumente sowie gebogene Koagulationssonden für die Gewebepräparation eingebracht werden. Die dezentral an der Endoskopspitze positionierte Kamera erlaubt eine 360°-Rundumsicht um das Arbeitsinstrument. Vollendoskopie stellt die minimalinvasivste und am weitesten verbreitete Methode der spinalen Endoskopie dar. Abbildung 1 zeigt vollendoskopische Endoskopsysteme für zervikale, thorakale und lumbale Wirbelsäuleneingriffe (RIWOspine GmbH, 75438 Knittlingen, Germany) sowie Endoskopspitzen mit angulierter Kamera, Funktionskanäle für Irrigation und Arbeitsinstrumente.
Die unilaterale Biportal-Technik (Unilateral Biportal Endoscopy; UBE) verwendet neben dem endoskopischen Zugang einen weiteren für das Arbeitsinstrument und ist damit der Arthroskopietechnik sehr ähnlich. Sie ist ebenso durch minimales Gewebetrauma, frühe Patientenmobilisierung und Rekonvaleszenz gekennzeichnet. Neben den instrumentell-technischen Entwicklungen kam es zu einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der chirurgischen Zugangswege, die in einer standardisierten Definition und Nomenklatur endoskopisch-spinaler Eingriffe mündete.
Der aktuelle Stellenwert der endoskopischen Wirbelsäulenchirurgie
Die Lendenwirbelsäule
Der transforaminäre Zugang
Der transforaminäre Zugang ist der weltweit am häufigsten verwendete endoskopische Zugang und eignet sich für Operationen an der Brust- und Lendenwirbelsäule.7 Entscheidend ist die sichere Positionierung des Endoskops unter fluoroskopischer Kontrolle im Kambin-Dreieck. Ein Verständnis der radiologischen Bildgebung und anatomischer Restriktionen – wie etwa des Beckenkamms – sind nötige chirurgische Anforderungen für die präzise Positionierung des Endoskops. Der Bandscheibenraum bildet hier die Ausgangszone für die weitere Operation. Strukturen wie Nerven, Duralsack und Facettengelenk werden sekundär dargestellt.8–9 Der Zugang eignet sich nicht nur für intraforaminäre Diskektomien. Selbst komplexe Fälle mit migrierten Bandscheibensequestern und Neuroforamenstenosen können adressiert werden.10 Insbesondere kraniale Segmente der Lendenwirbelsäule können aufgrund der Größenzunahme der Neuroforamina transforaminär gut erreicht werden. Seine Limitation erfährt der Zugang bei der koinzidenten zentralen Spinalkanalstenose.
Der interlaminäre Zugang
Der interlaminäre endoskopische Zugang bietet Vorteile in den Segmenten L4/5 und L5/S1 aufgrund der Weite des Interlaminärfensters. Dem Chirurgen kommen dabei die Erfahrungen des offenen interlaminären Zugangs zugute, da die Ausrichtung des Sichtfeldes und anatomische Orientierung ident sind. Während der transforaminäre Zugang vorwiegend bei Diskektomien zum Einsatz kommt, hat die Entwicklung des IL-Zugangs das Indikationsspektrum erweitert. Zentrale Spinalkanalstenosen, Rezessusstenosen, aber auch die kontralaterale Foraminotomie sind mögliche Einsatzgebiete.11–13Abbildung 2 illustriert die interlaminäre (roter Pfeil) und transforaminäre (grauer Pfeil) endoskopische lumbale Zugangstrajektorien (MRI-t2-gewichtet). Abbildung 3 zeigt das Kambin-Dreieck. Dieses weist die Form eines rechtwinkligen Dreiecks auf und wird durch die austretende Nervenwurzel (Hypotenuse), den Duralsack, den Processus articularis superior des Facettengelenkes und die Grundplatte (Basis) begrenzt. Es stellt eine sichere Landungszone für das Endoskop im Neuroforamen dar.
Anwendung und Evidenz der vollendoskopischen Wirbelsäulenchirurgie (FESS)
Angesichts der technischen Fortschritte – darunter die Verfügbarkeit unterschiedlichster Arbeitskanalendoskope, endoskopischer Frässysteme, Stanzen und abwinkelbarer Instrumentenspitzen – hat sich die endoskopische Wirbelsäulenchirurgie inzwischen zu einem effektiven Behandlungsansatz für die Mehrzahl degenerativer Pathologien entwickelt. Minimalinvasive Eingriffe sind Gegenstand von Diskussionen hinsichtlich Lernkurve und Effektivität.14,15 Neuere Verfahren bedürfen höchster Evidenz zur Wirksamkeit, um in der täglichen Praxis angenommen zu werden.
Lumbale vollendoskopische Diskektomie
Die Benefits erzielt die endoskopische Technik bei gering invasiven und technisch niedrig komplexen Eingriffen der Lendenwirbelsäule. Die interlaminäre (IL) und die transforaminäre (TF) endoskopische Diskektomie sind in Bezug auf radikuläre Schmerzreduktion und das funktionelle Outcome der offenen Mikrodiskektomie gleichwertig und hocheffektiv. Ruetten et al. konnten eine signifikant geringere Rate postoperativer Lumbago-Symptomatik nachweisen. Vorteile ergeben sich durch kürzere Operationszeiten, reduzierten Blutverlust, niedrigere Komplikations- und Revisionsraten sowie einen geringeren postoperativen Analgetikabedarf.16In einer prospektiven randomisierten Studie an 143 Patienten zeigten sich im FE-Arm im 2-Jahres-Follow-up ein kürzerer stationärer Aufenthalt und eine deutliche Reduktion radikulärer Schmerzen im Vergleich zur offenen Mikrodiskektomie. Eigene Daten bestätigen diese Ergebnisse mit einer 90-Tage-Wiederaufnahmerate von lediglich 2% und einer mittleren Aufenthaltsdauer von 2,6 Tagen.17 Die Rezidivrate hängt sowohl von patientenbezogenen als auch von technischen Faktoren ab.18 Im direkten Vergleich ist die endoskopische Diskektomie der offenen Technik hier nicht unterlegen. Abbildung 4 zeigt die endoskopische Sicht einer interlaminären Diskektomie L5/S1 rechts (a–e) mit Darstellung des Sequesters (c, d) und der dekomprimierten Nervenwurzel S1 (e).
Lumbale vollendoskopische Dekompression
Bei zentraler Spinalkanalstenose und lateraler Rezessusstenose ermöglichen endoskopische Verfahren eine schonende und effektive Dekompression. Eingriffe können unilateral oder bilateral über die Over-the-top-Technik (ULBD) erfolgen. Randomisierte Studien belegen ein funktionell gleichwertiges Outcome im Vergleich zur offenen Dekompression, jedoch bei günstigerem Risikoprofil, kürzerem stationärem Aufenthalt und früherer Mobilisierung.13,19 Bei 161 Patienten mit lateraler Rezessusstenose konnte eine Überlegenheit der vollendoskopischen Operation hinsichtlich Operationszeit, Blutverlust, Komplikationsrate und Revisionshäufigkeit demonstriert werden.19 Am eigenen Patientenkollektiv bei 80 interlaminären vollendoskopischen Dekompressionen konnten 76% der Patienten bereits am Operationstag mobilisiert werden. Über die generellen Vorteile der spinalen Endoskopie hinaus zeigt sich, dass bestimmte Patientengruppen in besonderem Maße profitieren. Hierzu zählen adipöse Patienten, (Leistungs-)Sportler mit dem Bedürfnis nach rascher funktioneller Erholung und minimiertem Gewebetrauma sowie ältere Patienten, bei denen eine erhöhte Invasivität die Mobilisierung weiter einschränken würde und die dadurch profitieren. Abbildung 5 zeigt eine präoperative (linkes Bild) und postoperative (rechtes Bild) 3D-CT-Rekonstruktion nach endoskopischer unilateraler Laminotomie mit bilateraler Dekompression (ULBD) bei L4/5 und L5/S1 (Abb. 5).
Der adipöse Patient
Die zunehmende Prävalenz der Adipositas stellt ein ernst zu nehmendes Problem für die Gesundheitssysteme der westlichen Welt dar, da bei lumbalen Operationen ein erhöhtes Komplikationsrisiko besteht.8 Bae et al. untersuchten 48 Patienten und fanden zwischen adipösen (BMI>30) und normalgewichtigen Patienten (BMI<25) keine Unterschiede hinsichtlich Outcome, perioperativer Komplikationen und Rezidivrate. Auch die Aufenthaltsdauer und der intraoperative Blutverlust zwischen den Gruppen waren gleich.20
Der sportliche Patient
Sportler weisen aufgrund hoher mechanischer Belastungen eine erhöhte Prävalenz von Lumbago und chronisch-degenerativen Veränderungen der LWS auf.21 Für Leistungssportler ist der zeitnahe Wiedereintritt in Training und Wettkampf von existenzieller Bedeutung. Endoskopische spinale Eingriffe können aufgrund der geringeren Invasivität und des geringeren Muskeltraumas eine schnellere Rehabilitation bei gleichzeitig geringerer Komplikationsrate ermöglichen. In einer Metaanalyse zeigten Sivakanthan et al., dass 88% der Athleten bereits innerhalb von drei Monaten nach endoskopischen lumbalen Eingriffen in den Wettkampf zurückkehrten, während dies nach offenen Verfahren nur bei 81% der Fall war und die Rückkehr im Mittel deutlich später erfolgte (5,2–8,7 Monate).22
Der alte Patient
Gerade gebrechliche Patienten profitieren von FESS, da transforaminäre und interlaminäre Verfahren das Weichteiltrauma minimieren und die Rekonvaleszenz verkürzen. Studien demonstrieren eine vergleichbare Schmerzreduktion wie bei Jüngeren, wenngleich funktionelle Verbesserungen durch altersassoziierte Komorbiditäten begrenzt sein können.23 Der verminderte postoperative Schmerz erleichtert die Mobilisierung.
Lumbale interkorporelle Fusion
Die minimalinvasive transforaminale lumbale interkorporelle Fusion (Minimally Invasive Transforaminal Lumbar Interbody Fusion; MIS-TLIF) hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, die aufgrund des geringeren Gewebetraumas mit einer früheren Rekonvaleszenz verbunden ist.24 Aus den gleichen Gründen rückt die endoskopische transforaminäre InterbodyFusion (Endo-TLIF) in den Fokus der Aufmerksamkeit. Endo-TLIF ist eine Erweiterung der MIS-TLIF und erfordert eine unilaterale Resektion des Facettengelenkes. Die Grund- und Deckplattenpräparation gilt als entscheidender Faktor, der die Fusionsrate beeinflusst.24 Die Möglichkeit, unter klarer endoskopischer Sicht die Endplatten präzise darzustellen, erlaubt eine ideale Aufbereitung des Fusionsbettes. Dies könnte zu einer Erhöhung der Fusionsrate beitragen. Zudem profitieren die Patienten durch eine raschere Erholung, einen geringeren Opioidbedarf, eine frühzeitige Mobilisierung und eine verkürzte stationäre Verweildauer.25 Limitationen liegen aktuell bei höhergradigen Listhesen und kollabierten Bandscheibenräumen vor.26 Um das Potenzial der Methodik zu untermauern, bedarf es robuster Studien mit erhöhtem Evidenzlevel sowie eines einheitlichen Standards der endoskopischen Fusionstechniken. Abbildung 6 zeigt eine Planungsanwendung (MazorX® Application, Fa. Medtronic) für Endoskoptrajektorie und Pedikelschraubenimplantation im Rahmen der Endo-TLIF-Operation (a, b). Abbildung b zeigt einen oblique eingebrachten Cage (eFuse® expandable, Fa. Evospine), Abbildung c einen Nukleusresektor (Fa. RIWOspine) bei Präparation des Fusionsbettes. Abbildung d zeigt, dass eine Cagedistraktion unter direkter Sicht möglich ist.
Die Brustwirbelsäule
Symptomatische thorakale Bandscheibenvorfälle stellen mit 1% aller chirurgisch behandelten Vorfälle eine Seltenheit dar. Allerdings zeichnet sich die chirurgische Behandlung durch eine beträchtliche Morbidität aus. Der transforaminäre endoskopische Zugang ist eine Alternative zur bestehenden offenen Methodik.27
Die Halswirbelsäule
Der zervikale Bandscheibenvorfall und die Neuroforamenstenose sind weitere klinische Einsatzgebiete der spinalen Endoskopie. Insbesondere die posteriore endoskopische Foraminotomie und Diskektomien nehmen an Bedeutung zu. Die Sicherheit des Verfahrens wird durch effektive Hämostase und klare Sicht dank kontinuierlicher Irrigation unterstützt. Ruetten et al. konnten in einer RCT an 175 Patienten zeigen, dass die posteriore endoskopische Foraminotomie im Vergleich zur ACDF ein gleichwertiges neurologisches Ergebnis erzielt, bei erhaltener Beweglichkeit des operierten Segmentes.28 In unserer Abteilung wird die Technik bei ossären Neuroforamenstenosen und intraforaminären Bandscheibenvorfällen gewählt. Abbildung 7 zeigt einen intraforaminärer Diskusprolaps C6/7 rechts im präoperativen MRI (c, d), die endoskopische Sicht auf Duralsack, Nervenwurzel C7 rechts und Sequester (Stern, a) in der Nervenachsel (a) sowie die Ansicht auf die dekomprimierte Wurzel (b). Des Weiteren zeigt sie eine intraoperative Positionskontrolle während der medialen Facettenresektion C6/7 (e).
Zukünftige Entwicklungen der spinalen Endoskopie
Navigation
Um die Lernkurve in der ESS abzukürzen, wurden in der jüngeren Zeit Versuche unternommen, Navigationssysteme in die ESS zu integrieren. Navigation liefert hochpräzise intraoperative Echtzeitdaten zur Anatomie und bietet exakte Führung bei der Platzierung der Instrumente, die mit herkömmlicher (2D-)Fluoroskopie nicht erreichbar sind.29 Intraoperative Computertomografie und darauf basierende Navigationssysteme stellen eine sichere und effektive Alternative dar. In der konventionellen Wirbelsäulenchirurgie ermöglicht die intraoperative O-Arm-Navigation eine hohe Genauigkeit bei der Pedikelschraubenplatzierung und reduziert Komplikationen.30 Navigationssysteme unterstützen in der ESS die Bestimmung von Trajektorie, Inzisionspunkt und Instrumentenlage und tragen so zur Verkürzung der Lernkurve bei.31,32
Quillo-Olvera et al. zeigten, dass die intraoperative Navigation die Sicherheit der Pedikelschraubenfixation und die präzise Endoskoppositionierung bei TLIF verbessert.33 Klassische Navigationssysteme erfordern optische Marker, die im Operationsgebiet zusätzlichen Platz benötigen. Dieser Einschränkung kann unter Verwendung elektromagnetischer Navigationssysteme (EMN) bei vollendoskopischen Verfahren begegnet werden.33 Randomisierte Studien mit EMN weisen eine geringere Strahlenbelastung und signifikante Reduktion der Operationszeit auf.34 Zukünftig bieten diese Systeme das Potenzial, die Sicherheit zu erhöhen und gleichzeitig die Lernkurve abzukürzen. Abbildung 8 zeigt ein intraoperatives Setup während Endo-TLIF-Operation mit integriertem O-Arm (Fa. Medtronic), navigationsgestütztem Robotersystem (MazorX®) und Endo-Turm mit Funktionseinheiten (Fa. RIWOspine) (a, b). Darüber hinaus illustriert sie eine transforaminäre Diskektomie unter Verwendung des elektromagnetischen Navigationssystems (RIWOtrack®, Fa. RIWOspine) mit Abbildung des Multipads zur Instrumentenkalibrierung (c), EMN mit dargestellten Referenzmarkern und Endoskopiebild (d).
Augmented Reality und Mixed Reality
Augmented Reality (AR) beschreibt ein interaktives Erlebnis, das die real gesehene Welt mit einem computergenerierten Bild verbindet. Auf die Welt der Wirbelsäulenchirurgie übertragen, sind AR-Systeme Navigationshilfen im OP.35 Während herkömmliche Navigationssysteme Limitationen der Visualisierung aufweisen, ermöglichen Head-Mounted Displays (HMD) die parallele Darstellung des OP-Feldes und der Navigationsdaten. Zudem hilft der Einsatz, die Strahlenbelastung und Operationszeit zu reduzieren.36,37 Eine Erweiterung des Einsatzgebietes liegt in der Bestimmung der Zieltrajektorie endoskopischer Eingriffe.
Robotergestützte Chirurgie
Höhere Genauigkeit, kürzere Krankenhausaufenthalte und geringere Strahlenexposition sind die Gründe für den Einsatz bei der Pedikelschrauben-Implantation.32 Zusätzlich bieten sie den Vorteil der exakten physischen Führung, um präoperativ geplante chirurgische Trajektorien in der Endoskoppositionierung umzusetzen. Wang et al. setzten robotische Assistenz bei vollendoskopischen lumbalen Diskektomien ein und konnten Sicherheit und Effektivität als Alternative zur konventionell fluoroskopischen ESS bestätigen.38 Im eigenen Haus wurde das Verfahren bei der endoskopischen TLIF-Operation angewandt.
Fazit und Ausblick
Von den Anfängen der spinalen Endoskopie in den 1970er-Jahren bis heute hat die Methodik eine beeindruckende und rasante Entwicklung durchlaufen. Ursprünglich für die perkutane Diskektomie der Lendenwirbelsäule konzipiert, wird die Technik nun auch für Eingriffe an der Hals- und Brustwirbelsäule eingesetzt. Dank neuer Fortschritte sind Anwendungen bei Spinalkanalstenosen, Myelopathien und in der Fusionschirurgie jetzt möglich. Auch die Resektion extraduraler Tumoren konnte mithilfe der ESS erfolgreich realisiert werden. Dennoch bleibt die Hauptanwendung die Behandlung degenerativer Wirbelsäulenerkrankungen. Zukünftig wird die Bedeutung der Methodik durch fortschrittliche endoskopische Systeme und die Einbindung neuer Verfahren wie Augmented Reality, Robotik und 3D-Bildgebung verstärkt. Durch die wachsende Zahl älterer und multimorbider Patienten wird die ESS eine noch zentralere Rolle einnehmen. Das chirurgische Spektrum und die Bedeutung der Wirbelsäulenchirurgie erfahren durch die Endoskopie einen substanziellen Mehrwert und bieten dem behandelnden Chirurgen eine Technik, die das Potenzial des Fachgebietes weiter stärkt.
Literatur:
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