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Arbeitskreise bilden fort

Unter dem Titel „ÖGR goes square“ startete die Österreichische Gesellschaft für Rheumatologie & Rehabilitation im Mai eine virtuelle Fortbildungsserie. Das Programm dafür wird von den Arbeitskreisen der ÖGR gestaltet.

Den Auftakt der neuen Serie machten am 11. Mai 2021 die Arbeitskreise „Vaskulitiden und Orphan Diseases“, „Immundefizienz“ und „Rheuma und Lunge“.

„Fast track“-Vorgehen bei RZA

Rasche Diagnose und Therapieeinleitung sind bei Riesenzellarteriitis (RZA) essenziell, betonte Doz. Dr. Christina Duftner, um die gefürchtetste Komplikation – den Visusverlust – zu verhindern. Unverzüglich ist bei Symptomen und Verdachtsdiagnose eine Cortisontherapie einzuleiten. Eine Zuweisung an spezialisierte Rheumatologen soll innerhalb von ein bis zwei Tagen erfolgen. Um die Verdachtsdiagnose zu bestätigen, ist die Ultraschalluntersuchung der Temporal- und Axillararterien die Bildgebung der ersten Wahl. Auch diese sollte möglichst rasch durchgeführt werden, denn das für die RZA typische „Halo Sign“ ist in der Temporalarterie nur wenige Tage sichtbar. In den Axillararterien ist es länger nachweisbar.

Die EULAR hat 2018 Empfehlungen zur Bildgebung bei Großgefäßvaskulitiden publiziert.1 Auch zur Therapie gibt es aktualisierte EULAR-Empfehlungen.2 Demnach soll bei Verdacht auf RZA oder Takayasu-Arteriitis sofort eine Glukokortikoidbehandlung mit 40–60mg Prednisonäquivalent gestartet werden. Plättchenaggregationshemmung wird jedoch nicht mehr empfohlen.

Doz. Duftner präsentierte weiters Ergebnisse der GiActa-Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit des IL6-Antikörpers Tocilizumab bei RZA. Dieser kann den Einsatz von Glukokortikoiden und damit verbundene unerwünschte Wirkungen reduzieren. Weitere Therapeutika werden laut Duftner in aktuell laufenden Studien getestet.

Meilenstein bei Kleingefäßvaskulitiden

Für das Management der ANCA-assoziierten Vaskulitiden gibt es Empfehlungen, welche die EULAR zusammen mit der ERA-EDTA (European Renal Association – European Dialysis and Transplant Association) herausgegeben hat.3

Der C5a-Rezeptorinhibitor Avacopan zeigt in dieser Indikation laut neuesten Studienergebnissen Potenzial, die Steroidtherapie reduzieren oder gar ersetzen zu können.4

Wird mit Rituximab behandelt, ist eine Antibiotikaprophylaxe mit Trimethoprim sehr wichtig. Dies bestätigen auch neuere Studien, wie Doz. Duftner berichtete.

3000 Immundefizienzen

Dr. Lisa Göschl aus dem Arbeitskreis Immundefizienz der ÖGR gab einen Überblick über die Klassifizierungen von Immundefizienzen. Das Spektrum umfasst an die 3000 verschiedene Erkrankungen. Etwa 300 davon sind primäre Immundefekte (PID). Obwohl diese angeborene Erkrankungen sind, manifestieren sich viele erst im Erwachsenenalter.

Für die Diagnostik von PID empfiehlt sich die entsprechende AWMF-Leitlinie.5 Pathologische Infektanfälligkeit ist demnach charakterisiert durch ungewöhnliche Erreger, polytope oder atypische Lokalisationen, protrahierte Verläufe sowie ungewöhnliche Intensität und Anzahl von Infektionen (Merkwort ELVIS: Erreger, Lokalisation, Verlauf, Intensität, Summe).

Ein PID kann aber auch ohne erhöhte Infektanfälligkeit vorliegen. Die „red flags“ dafür können mit dem Akronym GArFiELD zusammengefasst werden: Granulome, Autoimmunität, rezidivierendes Fieber, Ekzem, Lymphoproliferation und chronische Darmentzündung.

In der Praxis, so Göschl, sei bei rezidivierenden Infekten, Autoimmunität und unspezifischen Symptomen (Fatigue, Depression, unspezifische Schmerzen) eine Bestimmung der Immunglobuline IgM, IgA und IgG, der IgG-Subklassen und der Impfantikörpertiter zu veranlassen. Detaillierte Zellanalysen werden zur Basisdiagnostik nicht empfohlen. „Sie führen nur zu Verunsicherung“, so Göschl. Vielmehr sollten Patienten an ein spezialisiertes Zentrum überwiesen werden.

Im Vergleich zu PID treten sekundäre Immundefizienzen (SID) eher im höheren Lebensalter auf und die AK-Titer sind tendenziell höher. Prof. Dr. Clemens Scheinecker, MBA, ging auf SID im Rahmen von Rheumatherapien ein. Hypogammaglobulinämien wurden nachgewiesen bei Patienten unter Glukokortikoiden und B-Zell-Depletion (Rituximab, Belimumab). Allerdings ist damit nicht eindeutig eine erhöhte Infektanfälligkeit assoziiert. Eine Immunglobulinprophylaxe zeigt auch keinen Benefit und wird daher nicht empfohlen. „Reine Hypogammaglobulinämie wird nicht behandelt“, so Scheinecker. Ein Einschreiten ist notwendig, wenn in einem Jahr mehr als 3 Infektionen auftreten, die eine Antibiotikatherapie erfordern, oder auch bei sog. SPUR-Infektionen (SPUR = „severe, persistent, unusual, recurrent“).

Kein erhöhtes Risiko für ILD durch Methotrexat

Der dritte ÖGR-Arbeitskreis, der sich an diesem Abend präsentierte, war der Arbeitskreis „Rheuma und Lunge“. Prof. Dr. Hans Kiener berichtete über interstitielle Lungenerkrankungen (ILD) bei rheumatischen Systemerkrankungen – ein Thema, das in den letzten Jahren zunehmend in den Vordergrund gerückt ist. Neben Pleuritis und pulmonaler Hypertension ist ILD eine der pulmonalen Manifestationen von rheumatischen Systemerkrankungen. Am häufigsten treten Lungenbeteiligungen bei Systemsklerose (bis zu 80%) und Mischkollagenosen (bis zu 40%) auf. Patienten mit rheumatoider Arthritis entwickeln zu 5–10% eine ILD.

Pneumologen unterscheiden bei ILD verschiedene Krankheitsformen, z.B. NSIP (nicht spezifische interstitielle Pneumonie), LIP (lymphoide interstitielle Pneumonie), AIP (akute interstitielle Pneumonie) etc.

Methotrexat stand lange Zeit im Verdacht, das Risiko für ILD zu erhöhen. Diese Annahme wurde in den letzten Jahren durch mehrere Studien widerlegt. MTX scheint die Progression zum Lungenversagen sogar verzögern zu können.

Prof. Kiener präsentierte auch neueste Studienergebnisse zu Nintedanib, das zunehmend als „Hoffnungsträger“ für Rheumapatienten mit Lungenmanifestationen betrachtet wird.

Die autologe Stammzelltransplantation als Therapieoption bei ILD im Rahmen von Systemsklerose führt zu längerem Überleben und ist laut Kiener auch für frühe Stadien zu überlegen, wenn die Progression rasch fortschreitet.

Dr. David Lang präsentierte abschließend das aktuelle gemeinsame Konsensus-Statement der ÖGR und der ÖGP (Österreichische Gesellschaft für Pneumologie) zur progredienten fibrosierenden ILD (pfILD). Zusammenfassend sollen ILD-Patienten einer standardisierten Abklärung unterzogen, in einem multidisziplinären ILD-Board diskutiert und dementsprechend therapiert werden. Kern dieser Empfehlungen ist, auch Patienten ohne Lungenfibrose mit dokumentiertem progredientem fibrosierendem ILD-Verlauf antifibrotisch zu behandeln, insbesondere wenn Honigwabenzysten oder eine bereits ausgedehnte Erkrankung vorliegen. Patienten mit fibrotischer ILD, die auf Basis der ILD-Board-Empfehlung primär keiner oder ausschließlich einer immunsuppressiven Therapie unterzogen werden, sollten engmaschig hinsichtlich eines progredienten Verlaufes überwacht werden.6

„ÖGR goes Square“, Webinar, 11. Mai 2021

1 Dejaco C et al.: Ann Rheum Dis 2018; 77: 636-43 2 Hellmich B et al.: Ann Rheum Dis 2020; 79: 19-30 3 Yates M et al.: Ann Rheum Dis 2016; 75: 1983-94 4 Jayne DRW et al.: New Engl J Med 2021; 384: 599-609 5 Farmand S et al.: Diagnostik auf Vorliegen eines primären Immundefekts. AWMF online 2017; www.awmf.org 6 Lang D et al.: Wien Klin Wochenschr 2021; 133: 23-32

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