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Ambitionierte Behandlungsziele durch neue Medikamente
Jatros
30
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14.02.2019
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<p class="article-intro">In der Behandlung der rheumatoiden Arthritis gilt neben dem Einsatz moderner Biologika weiterhin Methotrexat als Anker in der Therapie. Unter fortlaufender Indikationserweiterung sind bereits zahlreiche Biosimilars auf dem Markt. Sie haben sich ebenso wie die neuen JAK-Inhibitoren als hochwirksam erwiesen und werden vermutlich bald auch bei vielen anderen entzündlichen Erkrankungen einen relevanten Stellenwert haben.</p>
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<p class="article-content"><p>Nach einem strukturierten Therapiealgorithmus kommen in der Rheumatologie bereits seit vielen Jahren auch Biologika (monoklonale Antikörper) zum Einsatz. Sie setzen extrazellulär an, indem sie zirkulierende Botenstoffe (Zytokine) der Entzündungsblockade hemmen. Die sogenannten Januskinase(JAK)-Inhibitoren hingegen haben einen intrazellulären Angriffspunkt. Diese neuen „small molecules“ kommen in der Regel erst dann zum Einsatz, wenn mit Methotrexat und/oder Biologika kein zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen ist. Ziele der Therapie sind die Vermeidung von Operationen und die Beschwerdefreiheit des Patienten.<br /> „Diese hoch gesteckten Behandlungsziele bedeuten für die behandelnden Ärzte auch eine große Herausforderung, sind doch die Einstellung von Patienten auf das individuell optimale medikamentöse Regime sowie die Notwendigkeit regelmäßiger fachärztlicher Kontrollen und gegebenenfalls erforderliche Therapieanpassungen mit einem erhöhten Betreuungsaufwand und veränderten Arbeitsprozessen verbunden“, erklärt Dr. Rudolf Puchner, Facharzt für innere Medizin und Rheumatologie in Wels, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie (ÖGR). Eines der wichtigsten Betätigungsfelder für den Rheumatologen liegt in der Behandlung der chronischen Polyarthritis bzw. rheumatoiden Arthritis (RA).</p> <h2>Kortison und RA</h2> <p>Kortison spielt in diesem „Behandlungskonzert“ nach wie vor eine wichtige Rolle, seine Nachteile sind in erster Linie dosisabhängig.<sup>1</sup> Eine Untersuchung von RA-Patienten (n=12 749) konnte zeigen, dass 35 % Kortison verwendeten, wobei unter den aktuellen Anwendern 24,3 % das Kortison aufgrund von Symptomverschlechterungen wieder absetzten. Bei Neueinsteigern betrug die Kortikosteroid- Anwendungsrate 56,9 % . Bei etwa einem Drittel der Patienten, die Kortikosteroide einnahmen, kam es zu einer dauerhaften Anwendung (>5 Jahre).<sup>2</sup><br /> „Zu den größten Risikofaktoren bei der Verabreichung von Kortison zählen Infektionen, wobei das Risiko für eine schwere Infektion auch von den anderen Therapien abhängig ist“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Herwig Pieringer, Klinik Diakonissen, Linz. So haben etwa auch Patienten unter TNFBlockern ein etwas höheres Risiko sowie Patienten mit bestimmten Charakteristika (eine oder mehrere Komorbiditäten, Alter >60 Jahre etc.). Beobachtet wurde, dass zu Beginn einer Behandlung mit einem Biologikum (vor allem mit einem TNFBlocker) häufiger Infektionen auftreten, diese über die Jahre hinweg aber immer weniger werden. Es handelt sich einerseits um eine Art „survival of the fittest“, andererseits kann bei einer effektiven Therapie die Kortisongabe reduziert werden, während sich gleichzeitig die Patientenfunktionalität verbessert.<sup>3</sup><br /> Basistherapeutika (DMARDs) haben den Einsatz von Kortison reduziert. Mit dieser Gruppe von Medikamenten kann die Entzündungsaktivität effektiv unterdrückt und somit eine (Teil-)Remission bewirkt werden. „Mit der Basistherapie soll aber nicht nur die klinische Aktivität, das heißt Schwellungen, Entzündungen, Morgensteifigkeit, Anzahl der betroffenen Gelenke etc., reduziert, sondern als sehr ambitioniertes Ziel auch die radiologische Progredienz gehemmt werden“, sagt Pieringer. Ist nämlich das Gelenk einmal zerstört, ist der Patient auch ohne Entzündungen massiv beeinträchtigt.</p> <h2>Methotrexat: erhöhte Wirksamkeit bei subkutaner Gabe</h2> <p>Methotrexat (MTX) ist immer noch ein zentrales DMARD in der Rheumatologie, während etwa Leflunomid und Sulfasalazin nur mehr selten verwendet werden. Hydroxychloroquin kommt in erster Linie noch bei Kollagenosen zum Einsatz, Azathioprin oder Cyclosporin A gelten in der Behandlung der RA als absolute Ausweichpräparate. Die Wirksamkeit von MTX wurde durch einen systematischen Cochrane-Review bestätigt. Darin zeigte sich, dass MTX sowohl klinisch als auch radiologisch im Vergleich zu Placebo einen Vorteil hat und dass eine subkutane Applizierung die Wirksamkeit erhöht.<sup>4</sup> Nebenwirkungen sind zwar häufig, aber selten gefährlich. Das können gastrointestinale Probleme sein, Nausea, Vomitus, Stomatitis, Diarrhö oder Alopezie, Fatigue, Fieber und Kopfschmerzen.<br /> Die Ausscheidung von MTX erfolgt renal. Eine ZNS-Toxizität ist in erster Linie den Hochdosistherapien bei Neoplasien zuzuordnen. Sowohl Männer als auch Frauen sollten 3–6 Monate über das Therapieende hinaus keine Kinder zeugen. Es kann zu Leberwerterhöhungen kommen (LFP-Kontrolle alle 4–6 Wochen), natürlich verstärkt bei vorgeschädigter Leber, v.a. bei viraler Hepatitis und Alkoholmissbrauch.<br /> Patienten, die mit MTX behandelt werden, leben statistisch betrachtet länger. Nach Anpassung hinsichtlich möglicher Störfaktoren wie Alter, Geschlecht, Familienstand, Erkrankungsdauer, Body-Mass- Index, Behinderungswert, Blutdruck, Diabetes und Verwendung von cholesterinsenkenden Medikamenten lag die Gefährdungsquote für alle Sterblichkeitsursachen unter MTX-Patienten (n=1240) bei 0,4 (95 % CI: 0,2–0,8). Die Verringerung des Herz-Kreislauf-Risikos war statistisch signifikant.<sup>5</sup> Ein systematischer Review über 18 Untersuchungen legt nahe, dass die Verwendung von MTX bei Patienten mit RA mit einem verringerten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse einhergeht.<sup>6</sup></p> <h2>Biologika hemmen radiologische Progression</h2> <p>Neben den traditionellen DMARDs gibt es bereits eine große Auswahl an Biologika und „small molecules“, die bei verschiedenen Indikationen in der Rheumatologie eingesetzt werden können, wobei laufend neue Präparate bzw. Indikationserweiterungen hinzukommen. Dabei steigt die Bedeutung von Biosimilars, die zwar nicht exakt baugleich wie die entsprechenden Biologika, aber biotechnisch „highly similar“ zum Originator sind. Die Gabe muss über den gleichen Weg (sc./iv.) erfolgen wie beim Originator, der Applikationsbehelf kann jedoch unterschiedlich sein (z. B. Fertigspritze, Pen).<br /> Da es zu einer wesentlich besseren klinischen, aber auch radiologischen Wirksamkeit kommt, sollten die meisten Biologika möglichst in Kombination mit MTX eingesetzt werden. TNF-Blocker (Infliximab, Etanercept, Adalimumab, Golimumab, Certolizumab) zählen zu den bekanntesten und am längsten verwendeten Biologika. Darüber hinaus sind der Anti- CD-20-AK Rituximab, der Co-Stimulator- Blocker Abatacept, die IL-6-Inhibitoren Tocilizumab und Sarilumab, der IL-12/23- Blocker Ustekinumab, die IL-17-Inhibitoren Secukinumab und Ixekizumab, der Anti- BlyS-AK Belimumab und der PDE-4-Inhibitor Apremilast in Verwendung.<br /> Ein neues, aber wichtiges Feld sind die JAK-Inhibitoren (Tofacitinib, Baricitinib). Die Indikationserweiterung geht rasant voran. Bei den JAK-Inhibitoren, die über einen intrazellulären Signalweg wirken, haben bereits zahlreiche Studien gezeigt, dass sowohl bei MTX-Patienten als auch bei Biologika-Versagern Tofacitinib und Baricitinib immer besser abschneiden als Vergleichssubstanzen. „JAK-Inhibitoren sind hocheffektiv in der Behandlung der RA, und sie werden aller Voraussicht nach in Kürze für viele andere Erkrankungen zur Verfügung stehen“, erklärt Pieringer.</p> <h2>Therapiemanagement</h2> <p>„Biologika mit ihren unterschiedlichen Angriffspunkten haben sich sowohl klinisch als auch besonders in der radiologischen Progressionshemmung als effektiv erwiesen“, erklärt Pieringer. Gemeinsam mit MTX erhöht sich die Wirksamkeit. Der Wechsel von einem Biologikum zu einem anderen ist nicht nur möglich, sondern Standard, eine etwas erhöhte Infektanfälligkeit ist statistisch nachweisbar (cave: Steroid). „Die Sicherheitsdaten sind gut, und die Langzeiterfahrungen zeigen, dass es sich um gut verträgliche Präparate handelt“, so der Rheumatologe.<br /> Die Empfehlungen der EULAR gehen in die gleiche Richtung: Zu Beginn wird MTX verabreicht (wenn nicht kontraindiziert). Nach einem Zeitraum von etwa 3 Monaten erfolgt eventuell die Kombination mit („Short-time“)-Kortikoiden. Kann keine ausreichende Wirkung erzielt werden bzw. sind die Begleitumstände ungünstig (hohe Entzündungszeichen, AK-positiv etc.), kann der Einsatz von Biologika bzw. JAKInhibitoren erwogen werden. Bei guten Vorzeichen ist auch der Umstieg von MTX auf ein anderes DMARD bzw. eine Kombination von beidem möglich.<sup>7</sup><br /> Hat man sein Ziel dann immer noch nicht erreicht, ist der Umstieg auf ein anderes Biologikum indiziert. „Dafür gibt es keine klaren Richtlinien mehr, und es stehen derzeit auch keine Biomarker zur Verfügung. Die Entscheidung wird einerseits durch ökonomische Überlegungen beeinflusst, andererseits durch Patientencharakteristika“, sagt Pieringer. So sollte man etwa einem Patienten mit einer Divertikulitis oder einem perforierten Magen keinen IL-6-Hemmer verabreichen oder einem Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz keinen TNF-Blocker.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Ärztliche Fortbildung am Weltrheumatag, 12. Oktober
2018, Thalheim bei Wels
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<p><strong>1</strong> Saag KG et al.: Am J Med 1994; 96(2): 115-23 <strong>2</strong> Caplan L et al.: J Rheumatol 2007; 34(4): 696-705 <strong>3</strong> Strangfeld A et al.: Ann Rheum Dis 2011; 70: 1914-20 <strong>4</strong> Braun J et al.: Arthritis Rheum 2008; 58(1): 73-81 <strong>5</strong> Choi HK et al.: L ancet 2002; 359(9313): 1173-7 <strong>6</strong> Westlake SL et al.: Rheumatology 2010; 49(2): 295-307 <strong>7</strong> Smolen JS et al.: Ann Rheum Dis 2017; 0: 1-18</p>
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