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Ambitionierte Behandlungsziele durch neue Medikamente

<p class="article-intro">In der Behandlung der rheumatoiden Arthritis gilt neben dem Einsatz moderner Biologika weiterhin Methotrexat als Anker in der Therapie. Unter fortlaufender Indikationserweiterung sind bereits zahlreiche Biosimilars auf dem Markt. Sie haben sich ebenso wie die neuen JAK-Inhibitoren als hochwirksam erwiesen und werden vermutlich bald auch bei vielen anderen entzündlichen Erkrankungen einen relevanten Stellenwert haben.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Nach einem strukturierten Therapiealgorithmus kommen in der Rheumatologie bereits seit vielen Jahren auch Biologika (monoklonale Antik&ouml;rper) zum Einsatz. Sie setzen extrazellul&auml;r an, indem sie zirkulierende Botenstoffe (Zytokine) der Entz&uuml;ndungsblockade hemmen. Die sogenannten Januskinase(JAK)-Inhibitoren hingegen haben einen intrazellul&auml;ren Angriffspunkt. Diese neuen &bdquo;small molecules&ldquo; kommen in der Regel erst dann zum Einsatz, wenn mit Methotrexat und/oder Biologika kein zufriedenstellendes Ergebnis zu erreichen ist. Ziele der Therapie sind die Vermeidung von Operationen und die Beschwerdefreiheit des Patienten.<br /> &bdquo;Diese hoch gesteckten Behandlungsziele bedeuten f&uuml;r die behandelnden &Auml;rzte auch eine gro&szlig;e Herausforderung, sind doch die Einstellung von Patienten auf das individuell optimale medikament&ouml;se Regime sowie die Notwendigkeit regelm&auml;&szlig;iger fach&auml;rztlicher Kontrollen und gegebenenfalls erforderliche Therapieanpassungen mit einem erh&ouml;hten Betreuungsaufwand und ver&auml;nderten Arbeitsprozessen verbunden&ldquo;, erkl&auml;rt Dr. Rudolf Puchner, Facharzt f&uuml;r innere Medizin und Rheumatologie in Wels, Pr&auml;sident der &Ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r Rheumatologie (&Ouml;GR). Eines der wichtigsten Bet&auml;tigungsfelder f&uuml;r den Rheumatologen liegt in der Behandlung der chronischen Polyarthritis bzw. rheumatoiden Arthritis (RA).</p> <h2>Kortison und RA</h2> <p>Kortison spielt in diesem &bdquo;Behandlungskonzert&ldquo; nach wie vor eine wichtige Rolle, seine Nachteile sind in erster Linie dosisabh&auml;ngig.<sup>1</sup> Eine Untersuchung von RA-Patienten (n=12 749) konnte zeigen, dass 35 % Kortison verwendeten, wobei unter den aktuellen Anwendern 24,3 % das Kortison aufgrund von Symptomverschlechterungen wieder absetzten. Bei Neueinsteigern betrug die Kortikosteroid- Anwendungsrate 56,9 % . Bei etwa einem Drittel der Patienten, die Kortikosteroide einnahmen, kam es zu einer dauerhaften Anwendung (&gt;5 Jahre).<sup>2</sup><br /> &bdquo;Zu den gr&ouml;&szlig;ten Risikofaktoren bei der Verabreichung von Kortison z&auml;hlen Infektionen, wobei das Risiko f&uuml;r eine schwere Infektion auch von den anderen Therapien abh&auml;ngig ist&ldquo;, erkl&auml;rt Priv.-Doz. Dr. Herwig Pieringer, Klinik Diakonissen, Linz. So haben etwa auch Patienten unter TNFBlockern ein etwas h&ouml;heres Risiko sowie Patienten mit bestimmten Charakteristika (eine oder mehrere Komorbidit&auml;ten, Alter &gt;60 Jahre etc.). Beobachtet wurde, dass zu Beginn einer Behandlung mit einem Biologikum (vor allem mit einem TNFBlocker) h&auml;ufiger Infektionen auftreten, diese &uuml;ber die Jahre hinweg aber immer weniger werden. Es handelt sich einerseits um eine Art &bdquo;survival of the fittest&ldquo;, andererseits kann bei einer effektiven Therapie die Kortisongabe reduziert werden, w&auml;hrend sich gleichzeitig die Patientenfunktionalit&auml;t verbessert.<sup>3</sup><br /> Basistherapeutika (DMARDs) haben den Einsatz von Kortison reduziert. Mit dieser Gruppe von Medikamenten kann die Entz&uuml;ndungsaktivit&auml;t effektiv unterdr&uuml;ckt und somit eine (Teil-)Remission bewirkt werden. &bdquo;Mit der Basistherapie soll aber nicht nur die klinische Aktivit&auml;t, das hei&szlig;t Schwellungen, Entz&uuml;ndungen, Morgensteifigkeit, Anzahl der betroffenen Gelenke etc., reduziert, sondern als sehr ambitioniertes Ziel auch die radiologische Progredienz gehemmt werden&ldquo;, sagt Pieringer. Ist n&auml;mlich das Gelenk einmal zerst&ouml;rt, ist der Patient auch ohne Entz&uuml;ndungen massiv beeintr&auml;chtigt.</p> <h2>Methotrexat: erh&ouml;hte Wirksamkeit bei subkutaner Gabe</h2> <p>Methotrexat (MTX) ist immer noch ein zentrales DMARD in der Rheumatologie, w&auml;hrend etwa Leflunomid und Sulfasalazin nur mehr selten verwendet werden. Hydroxychloroquin kommt in erster Linie noch bei Kollagenosen zum Einsatz, Azathioprin oder Cyclosporin A gelten in der Behandlung der RA als absolute Ausweichpr&auml;parate. Die Wirksamkeit von MTX wurde durch einen systematischen Cochrane-Review best&auml;tigt. Darin zeigte sich, dass MTX sowohl klinisch als auch radiologisch im Vergleich zu Placebo einen Vorteil hat und dass eine subkutane Applizierung die Wirksamkeit erh&ouml;ht.<sup>4</sup> Nebenwirkungen sind zwar h&auml;ufig, aber selten gef&auml;hrlich. Das k&ouml;nnen gastrointestinale Probleme sein, Nausea, Vomitus, Stomatitis, Diarrh&ouml; oder Alopezie, Fatigue, Fieber und Kopfschmerzen.<br /> Die Ausscheidung von MTX erfolgt renal. Eine ZNS-Toxizit&auml;t ist in erster Linie den Hochdosistherapien bei Neoplasien zuzuordnen. Sowohl M&auml;nner als auch Frauen sollten 3&ndash;6 Monate &uuml;ber das Therapieende hinaus keine Kinder zeugen. Es kann zu Leberwerterh&ouml;hungen kommen (LFP-Kontrolle alle 4&ndash;6 Wochen), nat&uuml;rlich verst&auml;rkt bei vorgesch&auml;digter Leber, v.a. bei viraler Hepatitis und Alkoholmissbrauch.<br /> Patienten, die mit MTX behandelt werden, leben statistisch betrachtet l&auml;nger. Nach Anpassung hinsichtlich m&ouml;glicher St&ouml;rfaktoren wie Alter, Geschlecht, Familienstand, Erkrankungsdauer, Body-Mass- Index, Behinderungswert, Blutdruck, Diabetes und Verwendung von cholesterinsenkenden Medikamenten lag die Gef&auml;hrdungsquote f&uuml;r alle Sterblichkeitsursachen unter MTX-Patienten (n=1240) bei 0,4 (95 % CI: 0,2&ndash;0,8). Die Verringerung des Herz-Kreislauf-Risikos war statistisch signifikant.<sup>5</sup> Ein systematischer Review &uuml;ber 18 Untersuchungen legt nahe, dass die Verwendung von MTX bei Patienten mit RA mit einem verringerten Risiko f&uuml;r kardiovaskul&auml;re Ereignisse einhergeht.<sup>6</sup></p> <h2>Biologika hemmen radiologische Progression</h2> <p>Neben den traditionellen DMARDs gibt es bereits eine gro&szlig;e Auswahl an Biologika und &bdquo;small molecules&ldquo;, die bei verschiedenen Indikationen in der Rheumatologie eingesetzt werden k&ouml;nnen, wobei laufend neue Pr&auml;parate bzw. Indikationserweiterungen hinzukommen. Dabei steigt die Bedeutung von Biosimilars, die zwar nicht exakt baugleich wie die entsprechenden Biologika, aber biotechnisch &bdquo;highly similar&ldquo; zum Originator sind. Die Gabe muss &uuml;ber den gleichen Weg (sc./iv.) erfolgen wie beim Originator, der Applikationsbehelf kann jedoch unterschiedlich sein (z. B. Fertigspritze, Pen).<br /> Da es zu einer wesentlich besseren klinischen, aber auch radiologischen Wirksamkeit kommt, sollten die meisten Biologika m&ouml;glichst in Kombination mit MTX eingesetzt werden. TNF-Blocker (Infliximab, Etanercept, Adalimumab, Golimumab, Certolizumab) z&auml;hlen zu den bekanntesten und am l&auml;ngsten verwendeten Biologika. Dar&uuml;ber hinaus sind der Anti- CD-20-AK Rituximab, der Co-Stimulator- Blocker Abatacept, die IL-6-Inhibitoren Tocilizumab und Sarilumab, der IL-12/23- Blocker Ustekinumab, die IL-17-Inhibitoren Secukinumab und Ixekizumab, der Anti- BlyS-AK Belimumab und der PDE-4-Inhibitor Apremilast in Verwendung.<br /> Ein neues, aber wichtiges Feld sind die JAK-Inhibitoren (Tofacitinib, Baricitinib). Die Indikationserweiterung geht rasant voran. Bei den JAK-Inhibitoren, die &uuml;ber einen intrazellul&auml;ren Signalweg wirken, haben bereits zahlreiche Studien gezeigt, dass sowohl bei MTX-Patienten als auch bei Biologika-Versagern Tofacitinib und Baricitinib immer besser abschneiden als Vergleichssubstanzen. &bdquo;JAK-Inhibitoren sind hocheffektiv in der Behandlung der RA, und sie werden aller Voraussicht nach in K&uuml;rze f&uuml;r viele andere Erkrankungen zur Verf&uuml;gung stehen&ldquo;, erkl&auml;rt Pieringer.</p> <h2>Therapiemanagement</h2> <p>&bdquo;Biologika mit ihren unterschiedlichen Angriffspunkten haben sich sowohl klinisch als auch besonders in der radiologischen Progressionshemmung als effektiv erwiesen&ldquo;, erkl&auml;rt Pieringer. Gemeinsam mit MTX erh&ouml;ht sich die Wirksamkeit. Der Wechsel von einem Biologikum zu einem anderen ist nicht nur m&ouml;glich, sondern Standard, eine etwas erh&ouml;hte Infektanf&auml;lligkeit ist statistisch nachweisbar (cave: Steroid). &bdquo;Die Sicherheitsdaten sind gut, und die Langzeiterfahrungen zeigen, dass es sich um gut vertr&auml;gliche Pr&auml;parate handelt&ldquo;, so der Rheumatologe.<br /> Die Empfehlungen der EULAR gehen in die gleiche Richtung: Zu Beginn wird MTX verabreicht (wenn nicht kontraindiziert). Nach einem Zeitraum von etwa 3 Monaten erfolgt eventuell die Kombination mit (&bdquo;Short-time&ldquo;)-Kortikoiden. Kann keine ausreichende Wirkung erzielt werden bzw. sind die Begleitumst&auml;nde ung&uuml;nstig (hohe Entz&uuml;ndungszeichen, AK-positiv etc.), kann der Einsatz von Biologika bzw. JAKInhibitoren erwogen werden. Bei guten Vorzeichen ist auch der Umstieg von MTX auf ein anderes DMARD bzw. eine Kombination von beidem m&ouml;glich.<sup>7</sup><br /> Hat man sein Ziel dann immer noch nicht erreicht, ist der Umstieg auf ein anderes Biologikum indiziert. &bdquo;Daf&uuml;r gibt es keine klaren Richtlinien mehr, und es stehen derzeit auch keine Biomarker zur Verf&uuml;gung. Die Entscheidung wird einerseits durch &ouml;konomische &Uuml;berlegungen beeinflusst, andererseits durch Patientencharakteristika&ldquo;, sagt Pieringer. So sollte man etwa einem Patienten mit einer Divertikulitis oder einem perforierten Magen keinen IL-6-Hemmer verabreichen oder einem Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz keinen TNF-Blocker.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Ärztliche Fortbildung am Weltrheumatag, 12. Oktober 2018, Thalheim bei Wels </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Saag KG et al.: Am J Med 1994; 96(2): 115-23 <strong>2</strong> Caplan L et al.: J Rheumatol 2007; 34(4): 696-705 <strong>3</strong> Strangfeld A et al.: Ann Rheum Dis 2011; 70: 1914-20 <strong>4</strong> Braun J et al.: Arthritis Rheum 2008; 58(1): 73-81 <strong>5</strong> Choi HK et al.: L ancet 2002; 359(9313): 1173-7 <strong>6</strong> Westlake SL et al.: Rheumatology 2010; 49(2): 295-307 <strong>7</strong> Smolen JS et al.: Ann Rheum Dis 2017; 0: 1-18</p> </div> </p>
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