
Silexan wirkt bei Angst und Depressionen
Bericht: Mag. Nicole Bachler
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Angststörungen und Depressionen stellen in der klinischen Praxis häufig einander begleitende Komorbiditäten dar, die sich gegenseitig verstärken können. In einem aktuellen Review war das pflanzliche Arzneimittel Silexan sicher und wirksam bei Angststörungen und depressiven Erkrankungen. Zudem stellt es eine vielversprechende Option für die Behandlung von Angst- und depressiven Störungen bei Patient:innen nach einer Covid-19-Erkrankung dar.
Angstzustände und Depressionen zählen zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen1 und machen gemeinsam etwa die Hälfte aller psychischen Störungen aus.2 Während der Covid-19-Pandemie stieg die Prävalenz von Angst- und depressiven Störungen weiter an und die Konsequenzen davon sind heute noch spürbar.2
Einander begleitende Komorbiditäten
In der klinischen Praxis stellen Angststörungen und depressive Erkrankungen einander begleitende Komorbiditäten dar.3,4 In der Analyse einer repräsentativen deutschen Stichprobenpopulation wiesen 59% der Patient:innen mit einer generalisierten Angststörung (GAD) diagnostische Kriterien für eine „Major Depressive Disorder“ (MDD) auf. Patient:innen mit MDD wiederum hatten in mehr als 10% der Fälle eine GAD bzw. litten in mehr als 44% der Fälle unter irgendeiner Angststörung.5
Gleichzeitig auftretende klinische Manifestationen von Angst und Depression sind mit höherem Schweregrad und längerer Erkrankungsdauer, größerer Beeinträchtigung, ungünstigerem klinischem Outcome, schlechterem Therapieansprechen und einem höheren Risiko für einen chronischen Verlauf assoziiert.4,6,7
Therapie und Nebenwirkungen
Die Interpretation, dass Angst und Depression gemeinsame pathopsychologische Mechanismen haben, wird durch die Tatsache unterstützt, dass antidepressive Medikamente, inklusive selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), wirksam sind und als Erstlinienbehandlung bei Angststörungen empfohlen werden.8 Obwohl SSRI und SNRI ein günstigeres Sicherheitsprofil haben als Medikamente früherer Generationen wie etwa Benzodiazepine für Angst und Trizyklika bei Depression, sind sie dennoch mit teilweise störenden Nebenwirkungen vergesellschaftet, die wichtige Aktivitäten des täglichen Lebens behindern und daher die Lebensqualität der Patient:innen negativ beeinflussen können.
Lavendelöl als wirksame Alternative
Silexan ist ein essenzielles Öl, das aus den Blüten der Lavandula angustifolia gewonnen wird und als Medizinprodukt in mehr als 20 Ländern weltweit zugelassen ist. Es ist als Weichgelatinekapsel mit 80mg aktiver Substanz für die einmal tägliche Einnahme verfügbar. In der folgenden Literaturstudie9 werden die Effekte von Silexan in der Behandlung von unterschwelligen und symptomatischen Angstzuständen sowie Depressionen auf Basis randomisierter klinischer Studien präsentiert. Außerdem zeigen die Daten, dass Silexan die Schlafqualität, aber auch Angst und depressive Zustände bei Patient:innen nach einer Covid-19-Erkrankung positiv beeinflussen kann.9
Abb. 1: Silexan zeigte (gemeinsam mit Sertralin) überlegene Wirksamkeit gegenüber Placebo in der Reduktion in der Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (MADRS) (nach Kasper et al.)9
Bei Angsterkrankungen
Der anxiolytische Effekt von Silexan wurde in 6 randomisierten, doppelblinden placebo- und/oder Referenzsubstanz-kontrollierten klinischen Studien untersucht.
In allen Studien war der primäre Endpunkt die absolute Änderung des „Hamilton Rating Scale for Anxiety“(HAMA)-Scores zwischen Baseline und Studienende. Bei Patient:innen mit leichter/unterschwelliger Angsterkrankung war Silexan gegenüber Placebo in der Reduktion des HAMA-Scores signifikant überlegen.9 Bei Patient:innen mit symptomatischer GAD zeigte Silexan 80mg/Tag die gleiche Wirksamkeit wie Lorazepam 0,5mg/Tag in der Reduktion des HAMA-Scores nach 6 Wochen. In der Silexan-Gruppe war jedoch die Anzahl der Responder und der Patient:innen in Remission signifikant größer als unter Lorazepam (52,5 vs. 40,5% sowie 40 vs. 27%).9
Weiters zeigte Silexan 80mg/Tag eine signifikant größere Senkung des HAMA-Scores gegenüber Placebo und zumindest eine gleich große Senkung wie Paroxetin 20mg/Tag. Patient:innen mit Silexan 160mg/Tag hatten noch deutlichere Reduktionen im HAMA-Score im Vergleich zu Silexan 80mg/Tag, und dies ohne eine klinisch bedeutsame Zunahme von unerwünschten Wirkungen.9
In einer Metaanalyse10 aller placebokontrollieren Studien mit Silexan bei Angsterkrankungen zeigte Lavendelöl eine Überlegenheit gegenüber Placebo. Dabei war der Effekt bei der psychischen Subskala der HAMA etwas ausgeprägter im Vergleich zur somatischen HAMA-Subskala, obwohl beide signifikante Unterschiede zeigten. Die Metaanalyse ergab somit signifikante Unterschiede zwischen Silexan und Placebo in allen Punkten. In der „Clinical Global Impressions“(CGI)-Skala zeigten mit Silexan behandelte Patient:innen im Durchschnitt um 51% wahrscheinlicher eine deutliche Verbesserung als Patient:innen unter Placebo.
Die Wirkung von Silexan auf körperliche Angst war unabhängig von Geschlecht und Alter, reduzierte körperliche Schmerzen, verbesserte die allgemeine Gesundheit und verringerte Schlaflosigkeit und Müdigkeit.
Bei Depression
Eine kürzlich erschienene Publikation11 untersuchte Silexan bei knapp 500 Patient:innen mit milder bis moderater MDD als Einzelereignis oder wiederkehrende Episoden. Die Patient:innen erhielten randomisiert und doppelblind Silexan 80mg/Tag, Sertralin 50mg/Tag oder Placebo. Nach 8 Wochen zeigten Silexan und Sertralin überlegene Wirksamkeit gegenüber Placebo in der Reduktion in der Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (MADRS) mit statistischer Signifikanz von 2,17 bzw. 2,59 Punkten. Silexan war Placebo überlegen in der Linderung von MDD-assoziierten Einschränkungen entsprechend der Sheehan Disability Scale, mit einer Gesamtdifferenz von 2,40 Punkten sowie signifikanten Unterschieden in Teildomänen dieser Skala (wie Arbeit, soziales Leben, Freizeitaktivitäten, Familie, Hausarbeit), welche dagegen für Sertralin im Vergleich zu Placebo nicht beobachtet wurden. Damit bestätigt diese Studie die antidepressive Wirksamkeit von Silexan bei Patienten mit milder bis moderater MDD.
Bei Mixed Anxiety-Depressive Disorder (MADD) mit subsyndromalen Angst- und depressiven Symptomen zeigte eine doppelblinde, randomisierte, placebokontrollierte Studie,12 dass Silexan 80mg/Tag eine günstige Wirkung auf beide Symptome hat. Statistische Unterschiede wurden bereits nach 4 Wochen Therapie beobachtet (in MADRS und HAMA) und der Unterschied zu Placebo wurde bis zum Studienende noch größer. Im Vergleich zu Placebo zeigten die Patient:innen unter Silexan ein insgesamt besseres klinisches Ergebnis und Verbesserungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens sowie in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität.
Schlafqualität
In einer Metaanalyse13 mit dem HAMA-Unterpunkt Schlaflosigkeit war Silexan vs. Placebo in der Reduktion der Schlaflosigkeit überlegen mit einer Mittelwertdifferenz von 0,32 Punkten. Zudem wurden auch günstige Effekte auf Schlaflatenz, Schlafdauer und Tagesschläfrigkeit beobachtet. In einer weiteren Studie14 zur Verschreibung von Silexan für gestörten Schlaf war Silexan im Vergleich zu Benzodiazepin-Rezeptor-Antagonisten mit signifikant niedrigeren Raten von wiederholten Arztbesuchen assoziiert.
Post Covid-19
Zu einer globalen Zunahme in der Prävalenz von Angst- und depressiven Erkrankungen kam es während der Covid-19-Pandemie. In einer Serie von Fallberichten15 wurde erste Evidenz gezeigt, dass Patient:innen mit subsyndromaler Angst und Depression, MADD oder GAD im Zusammenhang mit einem Post-Covid-19-Syndrom von einer Therapie mit Silexan profitieren könnten. Außerdem stimmt das therapeutische Profil des pflanzlichen Arzneimittels gut mit der psychiatrischen Manifestation des Post-Covid-19-Syndroms überein.16
Verträglichkeit
In klinischen Studien waren die unerwünschten Wirkungen unter Silexan auf Aufstoßen sowie milde, vorübergehende gastrointestinale Beschwerden beschränkt. Das pflanzliche Arzneimittel war nicht mit Medikamenteninteraktionen, Sedierung, Schlafstörungen, Abhängigkeit und Missbrauchspotenzial, sexueller Dysfunktion, Gewichtszunahme oder Entzugserscheinungen assoziiert.
Fazit
Der vorliegende Review basiert auf den Daten von 6 doppelblinden, randomisierten, placebo- und Referenzsubstanz-kontrollierten klinischen Studien mit Silexan bei Angst und Depressionen bis zum Juni 2024. Die Ergebnisse zeigen, dass Silexan sicher und wirksam ist sowohl bei unterschwelligen als auch symptomatischen Angststörungen und depressiven Erkrankungen. Zudem stellt es eine vielversprechende Option für die Verbesserung der Schlafqualität und die Behandlung von Angst- und depressiven Störungen bei Patient:innen nach einer Covid-19-Erkrankung dar. Die klinische Wirksamkeit von Silexan ist übereinstimmend mit dessen pharmakologischem Profil. Dennoch sind weitere Studien erforderlich, um die Wirksamkeit von Silexan bei verschiedenen Angst- und depressiven Störungen besser zu verstehen sowie seine Wirksamkeit mit anderen etablieren Pharmaka zu vergleichen. Auch der genaue Wirkmechanismus von Silexan auf Zellniveau ist derzeit noch ungeklärt.
Literatur:
1 Wittchen HU et al.: The size and burden of mental disorders and other disorders of the brain in Europe 2010. Eur Neuropsychopharmacol 2011; 21(9): 655-79 2 GBD 2019 Mental Disorders Collaborators: Global, regional, and national burden of 12 mental disorders in 204 countries and territories, 1990-2019: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2019. Lancet Psychiatry 2022; 9(2): 137-50 3 Bui E, Fava M: From depression to anxiety, and back. Acta Psychiatrica Scand 2017; 136(4): 341-2 4Saha S et al.: Co-morbidity between mood and anxiety disorders: A systematic review and meta-analysis. Depress Anxiety 2021; 38(3): 286-306 5 Carter RM et al.: One-year prevalence of subthreshold and threshold DSM-IV generalized anxiety disorder in a nationally representative sample. Depress Anxiety 2001; 13(2): 78-88 6 Lyndon GJ et al.: Efficacy of venlafaxine extended release in major depressive disorder patients: effect of baseline anxiety symptom severity. Int Clin Psychopharmacol 2019; 34(3): 110-8 7 Kircanski K et al.: Investigating the nature of co-occurring depression and anxiety: Comparing diagnostic and dimensional research approaches. J Affect Disord 2017; 216: 123-35 8 Bandelow B et al.: World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP) guidelines for the pharmacological treatment of anxiety, obsessive-compulsive and posttraumatic stress disorders. World J Biol Psychiatry 2002; 3(4): 171-99 9 Kasper S, Eckert A: Silexan in anxiety, depression, and related disorders: pharmacological background and clinical data. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2024; doi: 10.1007/s00406-024-01923-8 10 Dold M et al.: Efficacy of Silexan in patients with anxiety disorders: a meta-analysis of randomized, placebo-controlled trials. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2023; 273(7): 1615-28 11 Kasper S et al.: Lavender oil preparation Silexan is effective in mild-to-moderate major depression: a randomized, placebo- and reference-controlled trial. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2024; https://doi.org/10.1007/s00406-024-01783-2 12 Kasper S et al.: Efficacy of Silexan in mixed anxiety-depression – A randomized, placebo-controlled trial. Eur Neuropsychopharmacol 2016; 26(2): 331-40 13 Seifritz E et al.: Effect of anxiolytic drug silexan on sleep – a narrative review. World J Biol Psychiatry 2022; 23(7): 493-500 14 Krüger T et al.: Prescription of Silexan is associated with less frequent general practitioner repeat consultations due to disturbed sleep compared to benzodiazepine receptor agonists: a retrospective database analysis. Healthcare (Basel) 2022; 11(1): 77 15 Bartova L et al.: Silexan for treatment of anxiety and depression in the context of COVID-19. Eur Neuropsychopharmacol 2023; 70: 47-8 16 Kasper S et al.: Psychiatric manifestations of post-COVID-19 syndrome: the potential benefit of Silexan. Int J Psychiatry Clin Pract 2023; 27(3): 285-21
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