Gemeinsam für und mit Betroffenen

Die „QualityRights“-Initiative der WHO

Psychische, intellektuelle oder kognitive Einschränkungen sind weltweit immer noch mit massiver Stigmatisierung verbunden, die Versorgung Betroffener bleibt ausbaufähig. Die „QualityRights“-Initiative der WHO möchte die Rechte Betroffener stärken und die Gesellschaft für deren Bedürfnisse sensibilisieren. Dr. Michelle Funk, Leiterin der Abteilung Politik, Recht und Menschenrechte der WHO, gab in ihrem Vortrag bei der SuSe-Tagung in Wien einen Einblick in ein neues E-Training-Programm der Initiative.

Die „QualityRights“-Initiative der World Health Organization (WHO) wurde 2012 gegründet. Sie verfolgt vor allem das Ziel, die Qualität der Versorgung von Menschen mit psychischen, intellektuellen oder kognitiven Einschränkungen weltweit zu verbessern, ihre Rechte zu stärken sowie ihre Entstigmatisierung voranzutreiben. Außerdem sollen Bürgerbewegungen, die sich für die Betroffenen einsetzen, ins Leben gerufen werden und schlussendlich für Reformen in der nationalen Politik und Rechtsgebung sorgen.

Um diese Vorhaben umzusetzen, werden auf der Homepage der WHO diverse Informations- und Trainingsmaterialien bereitgestellt.1 Diese richten sich nicht nur an Betroffene, sondern u.a. auch an Fachkräfte für psychische Gesundheit, Angehörige und Nichtregierungsorganisationen. Es finden sich dort etwa Leitlinien zur Unterstützung Betroffener durch Peer-Gruppen sowie Informationen, wie Bürgerbewegungen ins Leben gerufen und Kampagnen organisiert werden können. Angeboten werden auch E-Learnings zu psychischer Gesundheit, Genesung und Inklusion und Materialien dazu, wie die Rechte der Betroffenen gefördert werden können und ihre Versorgung verbessert werden kann. Selbsthilfe-Tools für Betroffene dürfen ebenfalls nicht fehlen.

Im Oktober erschien zudem eine neue Leitlinie zu psychischer Gesundheit, Recht und Menschenrechten. Eine weitere zu Politik und strategischer Planung wird ebenfalls gerade vorbereitet. „Wir haben zahlreiche Tools“, erklärte Dr. Funk. „Es ist nun entscheidend, dass sie im Mainstream ankommen und keine periphere Erscheinung bleiben.“ Dies müsse auch nicht mit hohen Kosten verbunden sein.

Können „QualityRights“-Programme die Versorgung verbessern?

In einem ersten groß angelegten Projekt der Initiative im Bundesstaat Gujarat in Indien verbesserten „QualityRights“-Programme die Qualität der Versorgung in psychiatrischen Kliniken oder in psychiatrischen Abteilungen im Vergleich zu jenen Kliniken, wo keine „QualityRights“-Programme eingerichtet worden waren.3 Die Mitarbeiter:innen hatten eine positivere Einstellung gegenüber Menschen mit psychischen Krankheiten, die Betroffenen fühlten sich gestärkt und waren zufriedener mit der Versorgung. Auch das Pflegepersonal fühlte sich weniger belastet. In anderen Ländern – vor allem in jenen mit mittlerem und geringem Einkommen – wurde die „QualityRights“-Strategie ebenfalls implementiert, u.a. in Ghana, Kenia, auf den Philippinen, in der Türkei, in Estland, im Libanon, in Armenien und Bosnien-Herzegowina. Systematische Studien zur Effektivität der Programme und ob sich deren Einsatz finanziell lohnt, stehen noch aus.

Neues E-Training: Betroffeneneine Stütze sein

In ihrem Vortrag stellte Dr. Funk auch das „QualityRights e-training on mental health“ vor, welches im April 2022 initiiert wurde. Dieses E-Training soll helfen, die eigene psychische Gesundheit und das eigene Wohlbefinden zu verstehen. Die Absolvierenden sollen zudem erfahren, wie sie Freund:innen, Familie und andere Menschen unterstützen können, die Schwierigkeiten mit ihrer psychischen Gesundheit haben. Außerdem sollen sie Fähigkeiten erlangen, um gegen Stigmatisierung, Diskriminierung, Missbrauch und Zwangspraktiken vorgehen zu können. Ebenfalls soll nach Absolvierung des Trainings klar sein, wie jede:r von uns Menschen in einer Krise oder mit psychischen Schwierigkeiten helfen kann und wie wir Betroffene aktiv anregen können, sich um ihre Therapie und Genesung zu bemühen und etwaige Herausforderungen zu bewältigen. Die Lernenden sollen zudem Skills erwerben, um sich für eine individualisierte und rechtsbasierte Versorgung der Betroffenen einzusetzen.

Allen Interessierten steht das E-Training kostenlos offen, eine einfache Anmeldung auf der entsprechenden Seite der WHO ist ausreichend.4 Es ist in elf Sprachen verfügbar, unter anderem in Englisch, Französisch und Italienisch, aber bisher noch nicht auf Deutsch. Nach einer kurzen Bestätigung via E-Mail gelangt man direkt auf die Lernplattform. Nachdem der/die Lernende sich eingeloggt hat, gelangt er/sie auf eine Seite mit sechs Lernmodulen zu den Themen

  1. Menschenrechte

  2. Menschenrechte, psychische Gesundheit und Behinderung

  3. Geschäftsfähigkeit und das Recht zu entscheiden

  4. Zwangsmaßnahmen, Gewalt und Missbrauch beenden

  5. Versorgungsqualität und Inklusion in die Gemeinschaft

  6. psychische Gesundheit, Wohlbefinden und Genesung

Jedes Modul besteht aus mehreren Kapiteln. So wird beispielsweise im ersten Modul „Menschenrechte“ erklärt, warum Menschenrechte so wichtig sind, was die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ bedeutet, und welche Personen einem höheren Risiko für Verletzung ihrer Menschenrechte ausgesetzt sind. Wählt man ein Modul aus, wird zuerst ein Lernvideo angeboten, zu welchem aber auch ein Transkript zur Verfügung steht. Danach besteht die Möglichkeit, das erworbene Wissen durch Beantwortung von Fragen zu überprüfen. Das E-Training bietet zudem die Möglichkeit, sich mit anderen Lernenden in einer Art Wettbewerb zu messen, es können Listen angelegt und Kommentare hinterlassen werden. Nach Vollendung des Trainings erhält der/die Absolvent:in ein Zertifikat der WHO.

Erste Erfolge und weitere Ziele

Bisher haben bereits mehr als 100000 Menschen das Training absolviert. Eine Auswertung mit den ersten 50000 Teilnehmer:innen ergab, dass sich deren Haltung zur Versorgung der Betroffenen deutlich geändert hatte: Es war ihnen ein größeres Anliegen, dass die Menschenrechte der Betroffenen stärker respektiert und berücksichtigt werden.

Bis Ende 2024, so das Ziel der WHO, sollen fünf Millionen Menschen das Training absolviert haben. Jede:r Teilnehmende kann dann wiederum – so schätzt man – 100 andere Menschen positiv beeinflussen. Bei fünf Millionen Menschen, die das Training absolvieren, entspräche dies dann insgesamt 500 Millionen Menschen. Wie effektiv die Trainings jedoch in der Praxis sind, inwiefern sich die Gesellschaft zu ändern vermag und ob den Betroffenen tatsächlich zu einer besseren Lebensqualität verholfen werden kann, bleibt abzuwarten.

25. Tagung „Die subjektive Seite der Schizophrenie“, 30.8. bis 1.9.2023, Wien

1 World Health Organization: QualityRights materials for training, guidance and transformation. Handbook, 12. November 2019. Online unter https://www.who.int/publications/i/item/who-qualityrights-guidance-and-training-tools . Abgerufen am 17. Oktober 2023 2 Mental health, human rights and legislation: guidance and practice. Geneva: World Health Organization and the United Nations (represented by the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights); 2023. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO 3 Pathare S et al.: Systematic evaluation of the QualityRights programme in public mental health facilities in Gujarat, India. Br J Psychiatry 2021; 218(4): 196-203 4 World Health Organization: WHO QualityRights e-training on mental health. 2022. Online unter https://www.who.int/teams/mental-health-and-subtance-use/policy-law-rights/qr-e-training . Abgerufen am 17. Oktober 2023

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