Praxiseröffnung während der Coronakrise

„Ich war positiv überrascht, wie reibungslos alles abgelaufen ist“

Eine eigene Praxis zu eröffnen, ist immer auch ein kleines Wagnis und erfordert Mut. Die Psychiaterin DDr. Carlberg hat sich getraut – noch dazu während der besonders schwierigen Zeit der Coronapandemie. Ihre Erfahrungen und was sie all jenen raten würde, die es ihr gleichtun wollen, hat sie in einem Interview mit uns geteilt.

Dr. Carlberg, wie sah Ihre berufliche Laufbahn bis zur Eröffnung Ihrer eigenen Praxis aus?

L. Carlberg: Nach dem Studium der Humanmedizin habe ich ein postgraduelles Studium an der Abteilung für allgemeine Psychiatrie der Medizinischen Universität Wien absolviert. In meinen Forschungsprojekten habe ich epigenetische Marker psychischer Erkrankungen untersucht. Bei der Epigenetik handelt es sich um molekulargenetische Untersuchungsstrategien, welche in erster Linie die Erforschung der regulierenden Mechanismen der Genaktivität zum Inhalt haben. Während meiner Facharztausbildung habe ich an der Universitätsklinik für Allgemeine Psychiatrie Wien, dem Otto-Wagner-Spital und in der Psychiatrischen Gruppenpraxis von Drs. Bräuer und Weber gearbeitet.

Aktuell arbeite ich über die Wahlarzttätigkeit hinaus an der Abteilung für Psychiatrie der Klinik Floridsdorf. Mir war es sehr wichtig, eine breit gefächerte Ausbildung zu erhalten, um auf ein umfangreiches theoretisches Wissen, aber auch die entsprechende praktische Erfahrung zurückgreifen zu können.

Wie kam es zu dem Entschluss, eine eigene Praxis zu eröffnen? War das schon immer ein lang gehegter Traum?

L. Carlberg: Ja! Es ist eine sehr erfüllende Arbeit, wenn man die zeitliche Flexibilität hat und auf individuelle Situationen der Patientinnen und Patienten eingehen kann, z.B. kurzfristige Termine am Tagesrand ermöglichen und sich ausreichend Zeit für die Gespräche nehmen. Selbstbestimmtheit wurde mir im Arbeitsalltag zunehmend wichtiger, dass die Selbstständigkeit sich so schnell ergibt, hätte ich jedoch nicht gedacht.

Meine Arbeit an der Klinik Floridsdorf möchte ich aber weiterhin ausüben und sowohl im Spital wie auch in der Ordination arbeiten. Beide Tätigkeiten sind in ihrer Routine und in ihrem Alltag völlig unterschiedliche Tätigkeiten und ich glaube, dass beide wichtig sind, um am Ball zu bleiben.

Datenschutz, Arbeitsrecht, Steuerangelegenheiten usw. – die Selbstständigkeit bringt viele neue Aspekte mit sich. Wie haben Sie das notwendige Wissen erworben?

L. Carlberg: Ich hatte vor der Eröffnung meiner Praxis in einer Kassenordination gearbeitet. Dort konnte ich mir viel unternehmerisches Know-how aneignen. Dies war mitunter auch ausschlaggebend für den jetzigen Schritt zur eigenen Praxis.

Worauf haben Sie bei der Suche nach den geeigneten Räumlichkeiten für Ihre Praxis besonders geachtet, was war Ihnen wichtig?

L. Carlberg: Die Räumlichkeiten haben mich quasi „gefunden“, sie sind in meinem Umfeld frei geworden und ich habe die Chance wahrgenommen. Die gute Lage und die zentrale Erreichbarkeit im 9. Bezirk mit entsprechender Infrastruktur wie umliegenden Labors und diagnostischen Instituten waren ausschlaggebend. Zusätzlich ist mit insgesamt drei Behandlungsräumen die Möglichkeit gegeben, sich mit Kollegen zusammenzuschließen, um einen fachlichen Austausch zu ermöglichen. Das ist in dieser Praxis ein großes Plus.

Möchten Sie mir etwas zum Interieur, zum Stil bzw. zur Einrichtung erzählen?

L. Carlberg: Ich habe das Glück, in meinen Räumlichkeiten die Werke der Künstlerin Mag.art Martina Funder ausstellen zu dürfen. Ihr persönlicher Stil ist es, sich aus alltäglichen Begegnungen inspirieren zu lassen und mit scheinbar einfachen Darstellungen der Dinge, so wie sie sind, gefiltert durch ihr künstlerisches und emotionales Auge, zu zeigen. Das schafft natürlich eine ganz besondere Atmosphäre. Darüber hinaus habe ich hochwertige Antiquitäten, wie meinen Schreibtisch, ein Erbstück aus den 1920er-Jahren, mit modernen Designs verbunden, was einen ganz besonderen Charme ausmacht.

Eine Praxis zu eröffnen, stelle ich mir nicht so einfach vor. Sie haben dies noch dazu während einer besonders schwierigen Zeit gemacht.

L. Carlberg: Das stimmt, der Schritt in die Selbstständigkeit ist eine große persönliche Herausforderung, vor allem wenn man ein krisensicheres Einkommen aus dem Krankenhaus gewohnt ist. Ich war jedoch positiv überrascht, wie reibungslos letztendlich alles – trotz Pandemie – abgelaufen ist. Hilfreich dabei war auch das Ärztekammer Gründerservice, welches die Qualitätssicherung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte innehat.

Was waren die größten Herausforderungen bei der Umsetzung dieses Projekts?

L. Carlberg: Die größte logistische Herausforderung war ganz klar die Renovierung und Einrichtung der Räumlichkeiten. Zwischen der Zusage des Vermieters und der Eröffnung lagen gerade einmal zwei Monate. Die Renovierung und Einrichtung mussten jedoch innerhalb von vier Wochen erfolgen, um die Fixkosten im Rahmen zu halten.

Die Krise war bestimmt auch für Ihre Patienten besonders fordernd. Wie sind Sie damit umgegangen?

L. Carlberg: Wichtig in diesen Zeiten ist, für die Patienten auf unterschiedlichen Wegen erreichbar zu bleiben. Die Digitalisierung hat in den Bereich der niedergelassenen Betreuung der Patientinnen und Patienten längst Einzug gehalten und ich habe eine leistungsstarke Software, die mir hierbei viele Optionen bietet.

Wie gut funktionieren für Sie Therapien via Videogespräche? Werden diese von Ihren Patienten gut angenommen?

L. Carlberg: Ganz klar, ja! Nach anfänglicher Befremdlichkeit war es oftmals auch organisatorisch leichter für die Patientinnen und Patienten, eine Kontinuität in der Betreuung beizubehalten.

Ich muss aber trotzdem auch bedenken, dass ein Teil meiner Patientinnen und Patienten zu krank für eine telemedizinische Betreuung oder in einem Alter ist, in dem gewisse Fähigkeiten nicht mehr aufgeholt werden können. Für sie müssen dann individuelle Lösungen wie z.B. Hausbesuche gefunden werden.

Es gibt natürlich Patientinnen und Patienten, die dennoch lieber das persönliche Gespräch mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt suchen. Aber die Frage ist, was ist die Alternative, wenn dies nicht möglich ist? Während des Lockdowns oder z.B. für Patientinnen und Patienten, die auf Geschäftsreisen sind, ist dies eine gute Möglichkeit, um eine Therapiesitzung dennoch wahrnehmen zu können.

Werden Sie diese Art der Therapie nach der Krise weiterhin anbieten?

L. Carlberg: Auf jeden Fall! Insbesondere für Patientinnen und Patienten, die entweder beruflich viel unterwegs oder nicht mobil sind oder aber unter beeinträchtigenden Ängsten leiden, ist dieses Angebot sehr wertvoll.

Was würden Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen raten, die ebenso eine eigene Praxis eröffnen wollen?

L. Carlberg: Ich würde empfehlen, nicht zu lange zu warten. Man muss sich jedenfalls eine Strategie überlegen, um die Dauer der Aufbauphase finanziell zu überbrücken. Oder so wie ich, sich mit mehreren Kollegen zusammenzuschließen und die Ordinationsräumlichkeiten aufzuteilen, um die Fixkosten so gering wie möglich zu halten.

Wie sieht diesbezüglich Ihr Netzwerk aus?

L. Carlberg: Ich arbeite in meinem Team unter anderem mit einem internistischen Kollegen zusammen. Herr Ing. Mag. Dr. Christian Kienbacher bietet ein umfangreiches Angebot an diagnostischen Untersuchungen an, sodass meine Patientinnen und Patienten interdisziplinär betreut werden können.

Darüber hinaus ist mir eine gute Vernetzung mit den umliegenden Labors und diagnostischen Instituten wichtig, um alle notwendigen Untersuchungen zeitnah zu ermöglichen. Der fachliche Austausch innerhalb der Ordination ist für mich ebenfalls essenziell, sodass ich mit einer Kollegin und einem Kollegen im selben Fachbereich zusammenarbeite.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte
Julia Hirsch

Unser Gesprächspartnerin:
DDr. Laura Carlberg
Fachärztin für Psychiatrie und
Psychotherapeutische Medizin

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